Pioglitazon und Rosiglitazon, zwei Insulinrezeptor-Sensitizer |
17.12.2001 00:00 Uhr |
* unter Mitarbeit von Hartmut Morck, Martin Schulz und Petra Zagermann-Muncke
Rosiglitazon und Pioglitazon, die ersten beiden Vertreter der Stoffklasse der Glitazone oder Thiazolidindione werden auch als Insulinrezeptor-Sensitizer bezeichnet. Mit Avandia® und Actos® erweitern sich die Ansatzpunkte der Therapie mit peroralen Antidiabetika. Die Substanzen beeinflussen die Insulinresistenz, die mit für die Entstehung des Typ-2-Diabetes verantwortlich gemacht wird.
Etwa 4,5 bis 5,5 Millionen Deutsche sind an einem Diabetes vom Typ 2 erkrankt. Neben erblichen Faktoren tragen Bewegungsmangel sowie falsche Ernährungsgewohnheiten zur Entstehung bei. Die Langzeitstudie UKPDS (United Kingdom Prospective Diabetes Study) hat demonstriert, dass niedrigere HbA1c-Werte, die die durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten zwei bis drei Monate widerspiegeln, Folgeerkrankungen auf mikrovaskulärer Ebene deutlich verringern. Zudem wird die Gesamtzahl diabetesbezogener Endpunkte durch gut eingestellten Blutzucker reduziert. Ziel der Therapie eines Typ-2-Diabetikers ist es daher, den Nüchtern-Plasmaglucosespiegel auf 80 bis 120 mg/dl und den HbA1c-Wert auf unter 7 Prozent zu senken. Die Werte liegen bei Gesunden unter 110 mg/dl beziehungsweise 6,5 Prozent (1, 2).
Um den Blutzuckerspiegel in den Griff zu bekommen, stehen für Typ-2-Diabetiker neben nicht medikamentösen Maßnahmen verschiedene perorale Antidiabetika zur Verfügung. Durch Diät, Bewegung und Nikotinentwöhnung kann in einigen Fällen schon eine ausreichende Blutzuckereinstellung erreicht werden. Insbesondere eine Gewichtsabnahme kann den Teufelskreis von gesteigerter Insulinausschüttung, einer Abnahme der Insulinrezeptoren und der verringerten Ansprechbarkeit des Gewebes auf Insulin durchbrechen und damit der steigenden Insulinresistenz entgegen wirken.
Ciglitazon, 1978 von Takeda entwickelt, war die Vorläufersubstanz der Insulinsensitizer. Der erste Arzneistoff dieser Reihe, der in USA und Japan in eingeführt wurde, war Troglitazon. Auf Grund hepatotoxischer Nebenwirkungen wurde die beantragte Zulassung in Europa zurückgenommen. In den USA kam die Substanz im März 2000 vom Markt.
Chemische Klassifikation
Bei den Glitazonen handelt es sich chemisch gesehen um Thiazolidindione. Die chemische Bezeichnung lautet nach IUPAC für Pioglitazon (RS)-5-[p-[2-(5-Ethyl-2-pyridyl)ethoxy]benzyl]-2,4-thiazolidindion und für Rosiglitazon (RS)-5-[4-[2-[N-Methyl-N-(2-pyridyl)amino]ethoxy]benzyl]thiazolidin-2,4-dion.
Beide Substanzen werden als Razemat verwendet. Pharmakologisch verhalten sich die Enantiomere von Pioglitazon gleich und interkonvertieren in vivo (3). Die verschiedenen Vertreter der Thiazolidindione unterscheiden sich in Wirkstärke, Metabolismus als auch in Art und Ausmaß auftretender Neben- und Wechselwirkungen. Die a-Tocopherol-Seitenkette von Troglitazon wird als Ursache für dessen Lebertoxizität diskutiert, da bei der Metabolisierung freie Sauerstoffradikale entstehen können.
Indikationen und Anwendung
Sowohl Pioglitazon als auch Rosiglitazon sind in Deutschland beziehungsweise der Europäischen Union zugelassen für die Behandlung des Typ-2-Diabetes ausschließlich in Kombination bei Patienten, die ungeachtet einer Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen von Metformin oder einem Sulfonylharnstoff keine zufriedenstellende Blutzuckerkontrolle erreichen. In der Kombination mit Metformin ist die Anwendung auf übergewichtige Patienten beschränkt. Die Kombination mit einem Sulfonylharnstoff ist dagegen nur zulässig bei Patienten mit Unverträglichkeit beziehungsweise einer Kontraindikation gegen Metformin. Die Therapie mit den Glitazonen ist Ärzten mit Erfahrung in der Behandlung des Typ-2-Diabetes vorbehalten (4, 5). In den USA und der Schweiz ist auch die Monotherapie zugelassen (6).
Pioglitazon wird einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Die Dosierung in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen liegt bei 15 oder 30 mg. Die Metformin- oder Sulfonylharnstoff-Dosis kann unverändert wie vor Beginn der kombinierten Therapie beibehalten werden. Treten Hypoglykämien unter der Kombination Sulfonylharnstoff/Pioglitazon auf, so sollte die Dosis des entsprechenden Sulfonylharnstoffes reduziert werden (5).
Die Therapie mit Rosiglitazon wird normalerweise mit 4 mg pro Tag begonnen. In der Kombination mit Metformin kann diese bei Bedarf nach acht Wochen auf zweimal 4 mg täglich erhöht werden. Für den Einsatz zusammen mit Sulfonylharnstoffen liegen bislang keine Erfahrungen für Dosen über 4 mg vor. Die Anwendung von Rosiglitazon kann in ein oder zwei Dosen pro Tag unabhängig von der Nahrungsaufnahme erfolgen (4).
Für beide Substanzen ist bei älteren Patienten sowie bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion keine Dosisanpassung erforderlich. Schwere Niereninsuffizienz (Rosiglitazon) beziehungsweise Dialyse (Pioglitazon) und Leberinsuffizienz gelten als Gegenanzeigen. Auf Grund der seltenen hepatozellulären Dysfunktionen, sollten bei Patienten, die mit Pioglitazon oder Rosiglitazon behandelt werden, regelmäßige die Leberenzyme kontrolliert werden. Die erste Kontrolle ist vor Beginn einer Therapie notwendig.
Einer engmaschigen Kontrolle bedarf auch das Gewicht, da für beide Substanzen in klinischen Studien eine Gewichtszunahme nachgewiesen wurde. Die Diät ist ein Standbein der Therapie von Typ-2-Diabetikern. Die Kalorienkontrolle sollte also auch unter der Therapie mit Insulinsensitizern nicht vernachlässigt werden.
Bei Patientinnen mit Anovulation durch Insulin-Resistenz oder polyzystisches Ovarialsyndrom kann durch die verbesserte Insulinempfindlichkeit die Ovulation wieder einsetzen. Auf das Risiko einer Schwangerschaft sollte aufmerksam gemacht werden. Bei Schwangerschaftswunsch oder wenn die Mutterschaft diagnostiziert wird, sollte die Behandlung beendet werden (4, 5).
Wirkung und Wirkmechanismus
Der Begriff Insulinrezeptorsensitizer zeigt, dass die blutzuckersenkende Wirkung an das Vorhandensein von Insulin gebunden ist. Angriffspunkt ist der im Zellkern befindliche PPARg-Rezeptor (peroxisomal proliferator activated g receptor), an dem die beiden Substanzen als selektive Agonisten angreifen. In der Folge kommt es zu einer Transkription von Genen, die in die Differenzierung von Präadipozyten und in die Insulin-vermittelte Glucoseaufnahme peripherer Gewebe involviert sind. Die Expression von Leptin und Tumornekrosefaktor-a (TNF-a) wird reduziert, während die Expression von aP2 (adipocyte lipid-binding protein) und dem Glucose-Transporter GLUT-4, der maßgeblich für den erleichterten Transport von Glucose in Adipozyten und Skelettmuskel verantwortlich ist, erhöht wird (7, 8). Neben dem insulinabhängigen Glucosetransporter GLUT-4 wird auch die Expression und Translokation des insulinunabhängigen Transporters GLUT-1 gesteigert.
Im Fettgewebe und Skelettmuskel dient hauptsächlich der insulinsensitive Glucosetransporter GLUT-4 zur Aufnahme des Zuckers in die Zelle, dessen Translokation aus dem Zytoplasma in die Membran durch die Signalkaskade hervorgerufen wird. Bei Insulinresistenz fehlt GLUT-4 in der Membran. TNF-a reduziert in höheren Konzentrationen in vitro die insulinstimulierte GLUT-4-Synthese und hemmt die Phosphorylierung der b-Untereinheit der Rezeptors, einem der ersten Schritte der Signalkaskade. TNF-a-Konzentrationen steigen mit zunehmendem Körpergewicht. Das Zytokin wird für die Induktion der Insulinresistenz mitverantwortlich gemacht, bei adipösen Diabetikern fanden sich ebenfalls erhöhte Konzentrationen (9, 10). Der genaue Einfluss von TNF-a auf die Insulinresistenz ist aber noch nicht abschließend geklärt. Charakteristisch für die Insulinresistenz ist eine Fettstoffwechselstörung mit einer Erhöhung der freien Fettsäuren. Konsekutiv steigen die VLDL-Spiegel und durch die erhöhte Oxidation der freien Fettsäuren in der Leber wird die Gluconeogenese sowie die Glucoseabgabe der Leber stimuliert (11).
Durch Eingriff in die intrazelluläre Signalkaskade verbessert sich die Wirkung des körpereigenen Insulins und damit sinkt die Insulinresistenz. Der Glucosetransport in Fett- und Muskelzellen wird durch vermehrte Bereitstellung von Transportproteine erleichtert. Auch die Anzahl der Insulinrezeptoren nimmt zu, womit die Insulinempfindlichkeit ansteigt. In Leberzellen kommt es durch die Stimulierung eines Schlüsselenzyms verstärkt zur Glykolyse. Bedingt durch den Wirkmechanismus kommt es unter einer Therapie mit Insulinsensitizern nicht zu Hypoglykämien.
Erhöhte Blutzucker- als auch Insulinspiegel sinken, wobei es bis zum vollen Wirkungseintritt einige Wochen dauern kann. Ob der Patient auf die Medikation anspricht, sollte man nach sechs Monaten prüfen. Der HbA1c-Wert sinkt um mehr als einen Prozentpunkt.
Eine Gewichtszunahme ist aller Wahrscheinlichkeit nach durch eine stärkere Ausdifferenzierung der Adipozyten bedingt. Neu entstandene Fettzellen wandeln aufgenommene Glucose in Fett um, das sie speichern. Außerdem können Glitazone die Ansprechbarkeit der b-Zellen gegenüber einem Glucosestimulus erhöhen (11). Die Regeneration der b-Zellen durch Glitazone verläuft unabhängig von den Plasmaglucosespiegeln. Da auch hier Insulinrezeptoren gefunden wurden, könnte es sich um einen direkten Effekt handeln. Der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt (3).
Für beide Substanzen belegen Studien eine Reduktion der Mikroalbuminurie. Rosiglitazon hat im Vergleich zu Pioglitazon und Troglitazon die höchste Affinität zu PPARg (IC50 [nM]: Rosiglitazon 10 ± 2, Pioglitazon 360 ± 180) (8).
Das volle Ausmaß der Wirkungen der Glitazone ist noch nicht bekannt. Untersucht werden derzeit Auswirkungen auf die Zelldifferenzierung, die Induktion von Apoptose in verschiedenen malignen Geweben, eine Hemmung der Angiogenese sowie die Suppression inflammatorischer Prozesse (11).
Unerwünschte Wirkungen
In der Tabelle sind die Nebenwirkungen gelistet, die in Doppelblindstudien in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen auftraten. Als häufig sind Nebenwirkungen klassifiziert, die bei 1 bis 10 Prozent der Studienteilnehmer auftraten. Seltene Nebenwirkungen traten bei 0,1 bis 1 Prozent der Patienten auf.
Tabelle: Nebenwirkungen von Pioglitazon und Rosiglitazon (häufiger als unter Placebo)
Kombination
häufig
selten
Pioglitazon + Metformin
Anämie, Gewichtszunahme (ca. 5,4 Prozent nach 60 Therapiewochen), Kopfschmerz, Sehstörungen, Gelenkschmerzen, Hämaturie, Impotenz, Ödeme
Flatulenz
Pioglitazon + Sulfonylharnstoff
Gewichtszunahme (ca. 5,5 Prozent nach 60 Therapiewochen), Benommenheit, Flatulenz, Ödeme
Glykosurie, Hypoglykämie, Anstieg der Lactatdehydrogenase, Appetitsteigerung, Kopfschmerz, Schwindel, Sehstörungen, Schwitzen, Proteinurie, Müdigkeit
Rosiglitazon + Metformin
Anämie, Hypo-, Hyperglykämien, Kopfschmerz, Durchfall, Übelkeit, Flatulenz, Dyspepsie, Abdominalschmerzen, Müdigkeit, Ödeme, Gewichtszunahme (ca. 3,7 Prozent nach über 24 Monate)
Hyperlipidämien, Lactatacidose, Hypercholesterolämie, (LDL , HDL , Verhältnis Gesamtcholesterol/HDL unverändert bis verbessert), Schwindel, Erbrechen, Verstopfung, Anorexie
Rosiglitazon + Sulfonylharnstoff
Hypo-, Hyperglykämien, Gewichtszunahme, (ca. 6,3 Prozent bei Behandlung über 24 Monate), Ödeme
Anämie, Thrombozytopenie, Hypercholesterolämie, (LDL , HDL , Verhältnis Gesamtcholesterol/HDL unverändert bis verbessert), Hyperlipidämie, Somnolenz, Schwindel, Kopfschmerz, Parästhesie, Dyspnoe, Abdominalschmerz, Flatulenz, Übelkeit, Appetitsteigerung, Alopezie, Ausschlag, Müdigkeit, Kraftlosigkeit
Quelle: (4, 5)
Unter Pioglitazon stieg der Gesamtcholesterolspiegel leicht an; in den meisten Fällen eine Folge gestiegener HDL-Werte. Unerwünschte Wirkungen an Leber oder Galle wurden bei Pioglitazon und Rosiglitazon in Einzelfällen beschrieben. In der Literatur sind vereinzelt schwerwiegende Leberreaktionen unter Rosiglitazon genannt. Nicht auszuschließen ist, dass die Insulinsensitizer unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel bei individuellen Varianten des hepatischen CYP-450-Enzymsystems, in den empfohlenen Dosen hepatotoxisch wirken (12).
Herzinsuffizienzen wurde in den Studien mit Pioglitazon nur in Kombination mit Insulin mit einer Häufigkeit von 1,1 Prozent beobachtet. Die Inzidenz für Herzinsuffizienz in Studien mit Rosiglitazon lag in Kombination mit Sulfonylharnstoffen bei 0,6 Prozent, in Kombination mit Metformin bei 0,3 und in Kombination mit Insulin bei 2,5 Prozent. Neben der Gewichtszunahme scheinen Ödeme und Anämien Klasseneffekte zu sein. Die beiden letztgenannten Wirkungen resultieren aus einer peripheren Vasodilatation und Veränderungen im Plasmavolumen (13).
Kontraindikationen
Beide Arzneimittel sollten bei Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil der Fertigarzneimittel nicht eingesetzt werden. Kontraindiziert sind die Präparate zudem bei Herzinsuffizienz der NYHA-Klassen I bis IV sowie bei Leberfunktionsstörungen, definiert durch einen ALT-Wert, der um das 2,5fache über der Norm liegt. Sowohl Pioglitazon als auch Rosiglitazon dürfen in der Europäischen Union nicht mit Insulin kombiniert werden. Die Behörden haben inzwischen zusätzliche Daten zur Sicherheit nachgefordert. In den USA und der Schweiz ist die Kombination dagegen zugelassen (6).
Da Rosiglitazon an Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen nicht geprüft wurde, sollte der Arzneistoff bei diesem Krankheitsbild nicht empfohlen werden. Auch die Anwendung bei Patienten unter 18 Jahren ist auf Grund fehlender klinischer Daten für Pioglitazon und Rosiglitazon nicht indiziert.
Schwangerschaft und Stillzeit gelten ebenfalls für beide Arzneistoffe als Gegenanzeigen. Für Schwangere liegen keine Untersuchungen vor. Tierexperimentelle Studien zeigten ein verzögertes Wachstum des Föten; die Bedeutung des Risikos für den Menschen sind jedoch noch unklar. Ebenfalls unbekannt ist, ob die Glitazone in die Muttermilch gelangen, in der Milch säugender Versuchstiere wurden sie allerdings nachgewiesen. Der Genuss von Alkohol sollte während der Therapie vermieden werden. Auch bei Alkoholkonsum in der Anamnese gilt besondere Vorsicht.
Wechselwirkungen
Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Pioglitazon nicht die Pharmakokinetik oder -dynamik von Digoxin, Warfarin, Phenprocoumon und Metformin beeinflusst. Gleiches gilt für die Sulfonylharnstoffe. Eine Induktion von CYP1A, CYP2C8/9 und CYP3A4 konnte aus Humanstudien nicht abgeleitet werden. Da die Substanz in vitro keine Cytochrom-P450-Subtypen hemmte, muss nicht mit relevanten pharmakokinetischen Wechselwirkungen entsprechender Arzneimittel gerechnet werden (5).
Rosiglitazon wird in erster Linie durch CYP2C8 metabolisiert, in untergeordnetem Maße auch durch CYP2C9. Entsprechende Interaktionsstudien stehen noch aus. Beim CYP2C8-Substrat Paclitaxel ist Vorsicht geboten, da hier wahrscheinlich der Abbau von Rosiglitazon gehemmt wird. Relevante Wechselwirkungen mit CYP2C9-Substraten oder -Inhibitoren sind dagegen nicht zu erwarten. Im Gegensatz zu Troglitazon induziert Rosiglitazon nicht CYP3A4 (7). Dbei der Kombination mit den peroralen Antidiabetika Metformin und Glibenclamid zeigten sich keine klinisch relevanten pharmakokinetischen Wechselwirkungen. Auch Digoxin, Warfarin, Nifedipin, Ethinylestradiol oder Norethisteron blieben weitestgehend unbeeinflusst. Ebenfalls klinisch nicht relevant ist die Wechselwirkung mit Acarbose. Der Arzneistoff senkt geringfügig die Absorption von Rosiglitazon und steigert dessen Halbwertszeit um etwa eine Stunde (7)
Pharmakokinetik
Etwa zwei Stunden nach Gabe von Pioglitazon treten im Plasma Spitzenkonzentrationen auf. Die Bioverfügbarkeit beträgt über 80 Prozent. Bei Dosen zwischen 2 und 60 mg steigen die maximalen Plasmawerte dosisproportional an. Die Kinetik wird durch eine Nahrungsaufnahme nicht beeinflusst. Der Steady state wird nach vier bis sieben Tagen erreicht, wobei es nicht zu einer Akkumulation des Wirkstoffes oder seiner Metaboliten kommt. Das Verteilungsvolumen beträgt 0,25 l/kg bei einer Plasmaproteinbindung von über 99 Prozent.
Pioglitazon wird hepatisch hauptsächlich durch CYP3A4 und CYP2C9 durch Hydroxylierung der aliphatischen Methylengruppen metabolisiert. Sechs verschiedene Metabolite sind identifiziert, wovon drei (M-II, M-III und M-IV) eine pharmakologische Wirkung haben. Während die Wirksamkeit von M-II nur gering ist, entspricht die Wirkung von M-III unter Berücksichtigung von Aktivität, Konzentration und Proteinbindung der von Pioglitazon. Diesbezüglich übertrifft M-IV die Muttersubstanz in seinem Beitrag zur Wirksamkeit um das Dreifache.
Die Ausscheidung erfolgt zu einem größeren Teil über den Stuhl, zu 45 Prozent über den Urin. Während Pioglitazon selbst mit einer mittleren Plasma-Eliminationshalbwertszeit von fünf bis sechs Stunden ausgeschieden wird, beträgt dieser Wert für die aktiven Metabolite insgesamt 16 bis 23 Stunden. Entsprechend der Halbwertszeit ist eine einmal tägliche Gabe ausreichend.
Die absolute Bioverfügbarkeit von Rosiglitazon beträgt circa 99 Prozent. Cmax wird eine Stunde nach Einnahme erreicht. Die Plasmakonzentrationen verhalten sich im therapeutischen Bereich dosislinear. Die AUC wird durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme nicht beeinflusst, wobei die Cmax-Werte um etwa 20 bis 25 Prozent unter den Werten der Nüchterngabe liegen und die maximalen Plasmaspiegel etwa 1,75 Stunden später erreicht werden (7). Mit diesen Veränderungen sind jedoch keine Empfehlungen bezüglich der Verabreichung mit oder ohne Mahlzeiten verknüpft.
Die Plasmaproteinbindung sowohl von Rosiglitazon als auch von seinem Hauptmetaboliten, dem para-Hydroxysulfat, sind mit 99,8 und 99,99 Prozent hoch. Die Metabolisierung erfolgt überwiegend über N-Demethylierung und Hydroxylierung und anschließende Konjugation mit Sulfat und Glucuronsäure. In vitro konnte gezeigt werden, dass die Metabolisierung vorwiegend durch CYP2C8 unter geringer Beteiligung von CYP2C9 stattfindet. Unveränderte Muttersubstanz konnte über die Ausscheidungswege nicht nachgewiesen werden. Inwieweit der Hauptmetabolit zur therapeutischen Wirkung beiträgt, ist noch nicht vollständig geklärt.
Bei einer terminalen Eliminationshalbwertszeit von drei bis vier Stunden neigt Rosiglitazon nach Mehrfachgabe nicht zur Akkumulation. Mit Hilfe von radioaktiv markierter Substanz konnte man eine Halbwertszeit von 130 Stunden ermittelt, das heißt die Metaboliten werden nur langsam eliminiert. Für sie ist also eine Akkumulation zu erwarten.
Bei eingeschränkter Leberfunktion sind Cmax und AUC für ungebundenes Rosiglitazon um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Weder bei älteren Patienten noch bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen oder unter Hämodialyse wurde ein signifikanter Unterschied in der Pharmakokinetik festgestellt (4).
Arzneimittelprofil
Pioglitazon-Hydrochlorid ist als Wirkstoff enthalten in ActosÒ 15 mg und 30 mg Tabletten der Takeda Pharma GmbH, Aachen. Hilfsstoffe sind Carmellose-Calcium, Hypropolose, Lactose-Monohydrat und Magnesiumstearat. Die weißlichen runden Tabletten mit 15 mg Wirkstoff sind gewölbt und auf einer Seite mit der Markierung "15" versehen. Die 30-mg-Tabletten sind flach, weißlich und rund und tragen die Kennzeichnung "30" (5).
Rosiglitazon ist der arzneilich wirksame Bestandteil des Fertigarzneimittels AvandiaÒ 4 und 8 mg Filmtabletten der Firma SmithKline Beecham GmbH, München. Die Tabletten enthalten Rosiglitazonmaleat entsprechend 4 beziehungsweise 8 mg Rosiglitazon. Hilfsstoffe sind Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A), Hypromellose, mikrokristalline Cellulose, Lactose-Monohydrat und Magnesiumstearat. Für den Filmüberzug wurden folgende Stoffe verwendet: Opadry orange OY-L-23028 (Hypromellose 6cP, Titandioxid E171, Macrogol 3000, Lactose-Monohydrat, Triacetin, Eisenoxidhydrat E172, Eisen(III)oxid E172, gereinigtes Talkum). Die Filmtabletten mit 4 mg Wirkstoff sind orange eingefärbt und auf der einen Seite mit "SB", auf der anderen mit "4" gekennzeichnet. Die 8-mg- Filmtabletten sind rotbraun und tragen neben "SB" die Aufschrift "8" (4).
Klinische Prüfung
Sowohl Pioglitazon als auch Rosiglitazon wurden in klinischen Studien als Monotherapie sowie in Kombination mit Sulfonylharnstoffen, Metformin oder Insulin untersucht. In der Monotherapie sanken die HbA1c-Werte und Nüchtern-Blutzuckerspiegel dosisabhängig.
Mit Hilfe des so genannten HOMA-Modells (homeostasis model assessment) gelang es nachzuweisen, dass Pioglitazon und Rosiglitazon jeweils die Insulinresistenz senkten als auch die Funktion der Betazellen verbessern (3, 7). Das HOMA-Modell erlaubt über die Nüchtern-Blutzuckerspiegel und Nüchtern-Insulinkonzentration mathematisch einen Rückschluss auf Insulinresistenz und Betazellfunktion.
Pioglitazon wurde in den klinischen Studien einmal täglich verabreicht. Dosisfindungsstudien mit 15, 30 und 45 mg an japanischen Typ 2-Diabetikern haben mit allen drei Dosen zu einer signifikanten Reduktion der HbA1c-Werte geführt. Während sich zwischen 15 und 30 mg die Wirkung deutlich verstärkte, brachte die 45 mg Pioglitazon Dosis täglich keine signifikante Verbesserung. Während der zwölfwöchigen Behandlung mit 30 mg Pioglitazon sanken die HbA1c-Werte um 1,08 ± 1,5 Prozent bei Typ-2-Diabetikern unter Diät und um 1,24 ± 1,3 Prozent bei Patienten, die Diät hielten und zusätzlich Sufonylharnstoffe einnahmen (9).
Während eines Behandlungszeitraums von 48 Wochen waren die HbA1c-Spiegel nach vier Wochen statistisch signifikant gesunken und fielen weiter kontinuierlich bis zur 20. Woche ab, um dann auf dem erniedrigten Plateau bis zum Behandlungsende zu bleiben. Die Nüchtern-Blutzuckerspiegel erreichten dagegen schon nach acht Wochen einen konstant niedrigen Wert (9).
In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie mit 197 amerikanischen Typ-2-Diabetikern sprachen 48 Prozent unter Verum und 11 Prozent unter Placebo auf die Therapie an, ausgedrückt in einer Reduktion von HbA1c um ³0,6 Prozent. Bei 61 beziehungsweise 23 Prozent der Patienten sanken die Nüchtern-Blutzuckerspiegel um ³1,7 mmol/L (14).
In den klinischen Studien erwies sich Pioglitazon als gut verträglich. Am häufigsten traten leichte Ödeme auf; mit einer Inzidenz von 3 bis 15 Prozent. In Leberfunktionstests ergaben sich keine Hinweise auf Veränderungen der Laborparameter. In einem amerikanischen placebokontrollierten Studienprogramm wurden bei 4 von 1526 mit Pioglitazon behandelten Patienten erhöhte ALT-Werte diagnositiziert. Diese überstiegen um das Dreifache die Normwerte. In der Placebogruppe beobachtete man dieses Phänomen bei zwei von 793 Patienten. Zudem registrierte man eine leichte, vorübergehende Erhöhungen der Creatininphosphokinase und der Lactatdehydrogenase (9, 14).
Auf die postprandialen Blutzuckerspiegel hatte Pioglitazon eine vergleichbare Wirkung wie Glibenclamid (3).
In den meisten klinischen Studien mit Pioglitazon konnte gegenüber Placebo dosisabhängig eine Senkung der Gesamtplasma-Triglyceride und freien Fettsäuren sowie ein Anstieg des HDL-Cholesterols beobachtet werden. Demgegenüber war kein signifikanter Anstieg des LDL-Cholesterolspiegels zu verzeichnen (5, 9, 14).
Die blutzuckersenkende Wirkung von Rosiglitazon setzt allmählich ein, ein Maximum der Wirkung ist nach circa acht Wochen Behandlung zu erwarten. In Studien über maximal zwei Jahre ließen sich Blutzuckerspiegel, Nüchternblutzucker und HbA1c durch die Kombination von Rosiglitazon mit Sulfonylharnstoffen oder Metformin (4) langfristig besser kontrollieren.
Tagesdosen von 0,1, 0,5, 2 und 4 mg Rosiglitazon haben in einer placebokontrollierten Studie mit 380 Typ-2-Diabetikern zu einer dosisabhängigen Verminderung der Nüchtern-Blutzuckerspiegel geführt. Bei 25 Prozent der Patienten aus der 4-mg-Gruppe normalisierten sich die Werte. Echokardiographische Untersuchungen ergaben keinerlei Hinweise auf eine linksventrikuläre Hypertrophie. Diese war zum Teil in reversibler Form unter verschiedenen Thiazolidin-Derivaten beobachtet worden (15).
In einer Multicenterstudie mit 493 Patienten, die in drei Gruppen entweder 4 oder 8 mg Rosiglitazon oder Placebo erhielten, konnten unter Verum die Glucosespiegel und der HbA1c-Wert gesenkt werden. Nach halbjähriger Behandlung lag der Nüchtern-Blutzuckerspiegel um 57,7 und 75,9 mg/dl unter dem Wert in der Placebogruppe. Die HbA1c-Werte lagen 1,2 beziehungsweise 1,54 Prozent unter denen in der Placebogruppe. unerwünschte Wirkungen waren nicht häufiger als unter Placebo (8, 15).
In klinischen Studien war die Substanz gut verträglich. Hypoglykämien traten seltener auf als unter Glibenclamid. Etwa ein Drittel der Patienten spricht nicht auf Rosiglitazon an, wobei die Prognosefaktoren für ein Ansprechen nicht bekannt sind (8). Basierend auf präklinischen Untersuchungen, in denen man eine Regeneration der Betazellen der Bauchspeicheldrüse unter Rosiglitazon beobachtete, wurde die zur Zeit laufende DREAM-Studie (Diabetes Reduction Approaches with Ramipril and Rosiglitazone Medications) ins Leben gerufen. Über 5,5 Jahre werden Probanden mit erhöhtem Diabetesrisiko unter der Medikation von Rosiglitazon, Ramipril oder Placebo auf erste Anzeichen der Erkrankung untersucht. Man hofft, dass Rosiglitazon auf Grund seines Wirkprinzips eventuell der Entstehung eines Typ-2-Diabetes vorbeugen kann.
Direkte Vergleichsstudien zwischen Rosiglitazon und Pioglitazon stehen noch aus. Unter der Therapie mit Pioglitazon wurde eine Reduktion der Triglyzeride bei gleichzeitiger HDL-Erhöhung beobachtet. Dagegen zeigte Rosiglitazon keinen eindeutigen Effekt auf die Lipoproteinparameter (6).
Wertende Zusammenfassung Pioglitazon und Rosiglitazon sind in der Europäischen Union ausschließlich zur Kombinationsbehandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen, wenn maximal verträgliche Dosen an Metformin oder entsprechenden Sulfonylharnstoffen keine ausreichende Blutzuckereinstellung bewirken.
Wie bei allen relativ neuen Arzneistoffen bedarf es noch zahlreicher klinischer, aber auch präklinischer Untersuchungen, um den jeweiligen Stellenwert genau beurteilen zu können. Daten zu klinischen Endpunkten liegen noch nicht vor. Outcome-Studien wurden weder mit Pioglitazon noch mit Rosiglitazon durchgeführt, so dass der Langzeitnutzen durch die verbesserte Blutzuckerkontrolle nicht belegt ist. Zudem ist bis dato die Wirksamkeit der beiden Glitazone in der Kombination mit Sulfonylharnstoff oder Metformin noch nicht mit einer Kombinationstherapie aus Sulfonylharnstoff und Metformin verglichen worden (4, 5).
Die Glitazone haben vielfältige Wirkungen im Stoffwechsel, deren Mechanismen und vor allem auch Langzeitauswirkungen noch Gegenstand der Untersuchungen sein werden. Befürworter der Glitazone versprechen sich eine präventive Wirkung bedingt durch die neben dem blutzuckersenkenden Effekt auftretenden positiven Wirkungen auf den Fettstoffwechsel und die Gefäßwand (11). Durch eine frühzeitige kausale Therapie der Insulinresistenz hofft man auf die Prävention angiopathischer Folgeschäden (16). In den Augen der Befürworter erfüllen die Thiazolidindione einige der Anforderungen, die an ein neues Antidiabetikum zu stellen sind. Dazu gehört der Eingriff in die Pathophysiologie der Erkrankung, die Aufrechterhaltung der Betazellfunktion sowie eine Abnahme mikro- und makrovaskulärer Komplikationen.
Kritiker dagegen stellen die Nebenwirkungen als bedenkliches Schädigungspotenzial in den Vordergrund. Gewichtszunahme durch vermehrtes Fettgewebe könnte ab einem kritischen Punkt die Insulinresistenz wieder verstärken, so dass ein Langzeitnutzen ausbliebe. Nach wie vor diskutiert man die durch Troglitazon ausgelösten Leberschäden als Klasseneffekt. Diese Wirkung kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Daneben werden die Auswirkungen auf Herz-Kreislauf und Blutbild kritisch beurteilt. Insbesondere ist bei Kombination mit den Sulfonylharnstoffen eine gegenseitige Verstärkung der Kardiotoxizität zu befürchten (17). Meldungen von schwerwiegenden Leberreaktionen unter der Behandlung mit Rosiglitazon lassen eine Substanzklassen-spezifische Hepatotoxizität unter bestimmten Voraussetzungen denkbar erscheinen (12).
Weitere offene Fragen betreffen die Konsequenzen für das Herz-Kreislauf-System. In den klinischen Studien waren kardiovaskuläre Ereignisse, Gesamtmortalität und die Todesfälle auf Grund kardialer Zwischenfälle in der Rosiglitazon-Gruppe leicht, wenn auch nicht signifikant erhöht. Dennoch herrscht zum Teil gewisse Skepsis, insbesondere unter Berücksichtigung möglicher Nebenwirkungen von Rosiglitazon wie der Gewichtszunahme, auftretenden Ödemen und steigenden LDL-Spiegeln (18). Das japanische Gesundheitsministerium hat zusammen mit Takeda einen Brief an Ärzte verschickt, um auf die mögliche Herzinsuffizienz als Folge von Ödemen durch Einnahme von Pioglitazon hinzuweisen und davor zu warnen. In einem knappen Jahr nach Einführung in Japan hatte man fünf Fälle von Herzinsuffizienz unter der Therapie mit Pioglitazon erfasst. Dementsprechend müssen Patienten nun überwacht werden und wenn nötig, sollte ein Schleifendiuretikum gegeben werden (19).
Bevor die Glitazone in großen Stil angewendet werden, sollten noch einige Fragen geklärt werden. Diese Meinung vertritt auch das UK Drug and Therapeutics Bulletin (20).
Literatur
Verantwortlich:
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