Geduld und warme Füße |
10.12.2001 00:00 Uhr |
Seit September dieses Jahres ist Fluconazol (Diflucan® Derm) auch zur Behandlung des Nagelpilzes zugelassen. Über die Schwierigkeiten, die Volkskrankheit Onychomykose in den Griff zu bekommen, und den richtigen Umgang mit dem Medikament informierten Experten während eines Symposiums der Firma Pfizer am 30. November in Offenbach.
Dermatophyten sind die häufigsten Erreger der Onychomykosen. Sie mögen es kühl, deshalb findet man sie auf der Haut, auf Haaren und Nägeln, nie jedoch auf Schleimhäuten, erklärte Professor Dr. Hans-Jürgen Tietz von der Klinik für Dermatologie der Charité, Berlin. Sie wachsen langsam, sind aber dennoch weit verbreitet. "Jeder Dritte steht in Deutschland auf verpilzten Füßen", so Tietz. 12,4 Prozent der Bevölkerung leiden unter Nagelpilzen, Männer häufiger als Frauen. Fuß- und Nagelpilz sind verschiedene Stadien ein und derselben Erkrankung. Der häufigste Erreger hier zu Lande ist Trichophyton rubrum.
Die moderne Lebensweise ist ein idealer Nährboden für die ungeliebten Gäste. Heute treibt man Sport - oft in ausgeliehenen Schuhen, sei es beim Skifahren oder Bowling - läuft in Schwimmbädern, Saunen oder in Hotels barfuß, raucht, wird älter und damit auch oft Diabetiker oder leidet an Durchblutungsstörungen. Dadurch können sich die Pilze epidemieartig ausbreiten. Aber nicht jeder, der in einen infizierten Schuh schlüpft und feuchte, kalte Füße hat, entwickelt tatsächlich eine Pilzerkrankung. Auch familiäre Veranlagung sowie Fußfehlstellungen spielen eine Rolle.
Topische Therapien allein bleiben bei schwererem Befall trotz noch so großer Disziplin und langwieriger Anwendung meist erfolglos. "Etwa zwei Drittel der Patienten haben inzwischen jeglichen Glauben an eine dauerhafte Heilung aufgegeben", schilderte Tietz die Situation der Betroffenen. Dadurch wächst die Zahl der unbehandelten Infektionsquellen ständig. "Und die infizierten Nägel sind regelrechte Pilzcontainer", sagte Professor Dr. Isaak Effendy von der Hautklinik Bielefeld. Ohne Therapie geht die Infektionskrankheit nicht zurück. "Spontanheilungen gibt es nicht", betonte Tietz.
Oft bagatellisiert
Dabei sind die Haut- und Nagelmykosen nicht nur ein kosmetisches Problem. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen geht die Erkrankung mit Schmerzen einher, ganz zu schweigen vom Schamgefühl der Patienten, wenn die Nägel sich unappetitlich verformt haben oder die Haut in Fetzen von den Füßen hängt. Trotzdem werden Onychomykosen - zumindest in den Anfangsstadien - von Patienten bagatellisiert und von den Ärzten nicht ernst genommen, sagte Effendy.
Vor der Therapie eines Nagelpilzes steht eine recht aufwendige Diagnostik. Dazu werden Nagelspäne an der Übergangsstelle zwischen befallener und gesunder Nagelplatte entnommen. Die Späne werden zunächst mit Kalilauge abgebaut und die zurückbleibenden Pilze mikroskopisch untersucht. Anschließend folgt die Anzucht der Keime in Kultur, um die Art des Erregers zu bestimmen. Die ganze Prozedur dauert heute vier Wochen, molekularbiologische Methoden könnten in Zukunft die Zeit bis zur Diagnose auf wenige Tage verkürzen, erklärte Professor Dr. Hans Christian Korting von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Universität München.
Die Therapie ist abhängig von der klinischen Manifestationsform (siehe Tabelle). Die weiße oberflächliche Onychomykose und die weniger schweren Fälle der distolateralen subungualen Onychomykose (DSO) können topisch behandelt werden, zum Beispiel mit Ciclopirox-Nagellack (Nagel Batrafen®) und Amorolfin-Nagellack (Loceryl®). Patienten mit einer DSO, bei denen mehr als 60 Prozent der Nagelplatte befallen sind, sowie Betroffenen mit proximaler subungualer und totaler dystrophischer Onychomykose müssen jedoch systemisch behandelt werden. Grundsätzlich gilt: Sobald die Nagelmatrix befallen ist, reicht die topische Therapie nicht mehr aus.
Tabelle: Klinische Manifestationsformen der Onychomykose
Typ Charakterisierung Distolaterale subunguale Onychomykose (DSO) Befall des vorderen seitlichen Anteils des Nagelorgans, zunächst speziell der Nagelplatte, meist mit gelbbrauner Verfärbung Weiße oberflächliche Onychomkose (WOO) Gelbliche bis weißliche Verfärbung der Nagelplatte, speziell im körpernahen Bereich Proximale subunguale Onychomykose (PSO) Verfärbung und gegebenenfalls Strukturveränderung im Bereich des Nagelhäutchens, speziell auch die Nagelplatte betreffend Totale dystrophische Onychomykose Vollständige Strukturumwandlung der Nagelplatte mit ausgeprägter Dystrophie und Dyschromasie
Mittelalterliche Foltermethode
Das früher häufig praktizierte Nagelziehen sollte der Vergangenheit angehören, darin waren sich alle Referenten einig. Nicht nur die beträchtlichen Schmerzen der Patienten sprechen dagegen, es kommt auch oft zu Wachstumsstörungen der neuen Nagelplatte. Nicht zuletzt sind die Patienten nach der mittelalterlich anmutenden Tortur oft einige Tage arbeitsunfähig. Auch Griseofulvin, das von den Ärzten in den 60er Jahren euphorisch verordnet wurde, ist heute nicht mehr Therapie der ersten Wahl, sagte Effendy. Nachdem sich die erste Begeisterung gelegt hatte, stellte sich heraus, dass die Substanz gegen Nagelmykosen wenig wirksam war. Es wird aber trotzdem noch immer eingesetzt, vor allem in der Langzeittherapie. Griseofulvin zeigt vor allem in Kombination mit anderen Methoden Erfolge, die hinter denen modernerer Mittel nicht unbedingt zurückstehen müssen, legte Professor Dr. Claus Seebacher aus Dresden dar.
Heute stehen zur Therapie der Onychomykosen Terbinafin (Lamisin®), Itraconazol (Sempera®) sowie jetzt auch Fluconazol zur Verfügung. Allerdings hat sich inzwischen gezeigt, dass auch die alleinige systemische Therapie nicht der Weisheit letzter Schluss bei der Behandlung von Nagelpilzen ist. Denn die Rückfallraten waren zumindest bei Terbinafin und Itraconazol mit 21 bis 53 Prozent nach fünf Jahren sehr hoch, erklärte Effendy. Mit Fluconazol erreichen Ärzte Heilungsraten von 51 (ohne atraumatische Nagelentfernung, siehe unten) bis 71 Prozent (mit atraumatischer Nagelentfernung). Das hat eine Studie gezeigt, an der allerdings nur 51 Patienten teilgenommen haben.
Warum wachsen die Pilze immer wieder? Unter dem deformierten Nagel bilden sich durch eine Hyperkeratose zahlreiche Hohlräume aus. "Das Gewebe sieht dann aus wie ein Schwamm", erklärte Seebacher. Darin bleiben Pilzsporen viele Wochen und Monate lebensfähig. Denn weder systemisch noch lokal applizierte Substanzen können durch die Luft dieser Hohlräume diffundieren.
Gegen Sporen kaum wirksam
Zudem greifen alle bislang verfügbaren Antimykotika - auch Fluconazol - in die Ergosterolbiosynthese ein. Der Reaktionsweg ist für den Aufbau neuer Pilzmembranen wichtig. "Da die Sporen jedoch im Ruhezustand kein Ergosterol synthetisieren, können sie auch nicht durch diese Antimykotika abgetötet werden", erklärte Seebacher.
Die Patienten müssen Fluconazol nur in recht geringen Dosen von 150 bis 300 mg pro Woche einnehmen. Im Gegensatz zu den anderen Präparaten ist es für eine Langzeitanwendung zugelassen: neun Monate bei Pilzinfektion der Fingernägel, beziehungsweise zwölf Monate bei befallenen Zehennägeln. Ob das Medikament tatsächlich besser ist als seine Vorgänger, muss sich in der Praxis erst zeigen. Zumindest theoretisch hat die Langzeitbehandlung mit Fluconazol einen Vorteil: Man kann die Patienten so lange behandeln, bis auch die Sporen herausgewachsen sind, erklärte Seebacher.
Auch das neue Präparat sollte vorzugsweise in Kombination mit anderen Methoden angewandt werden. Dazu gehört, die pilzhaltigen Strukturen abzutragen. Dies erfolgt chemisch durch 40-prozentiges Kalium iodatum in Lanolin oder eine 30- bis 40-prozentige Harnstoffsalbe sowie mechanisch durch Fräsen. Zudem sollten antimykotische Lacke aufgetragen werden, die gegen Sporen wirksame Inhaltsstoffe enthalten.
Um eine Neuinfektion zu verhindern, sollten Schuhe und Strümpfe
während und vor allem nach Abschluss der antimykotischen Behandlung
desinfiziert werden. Waschen bei 40 °C reicht nicht aus, um Pilze
abzutöten. Wer mehr über die Therapie von Onychomykosen erfahren
möchte, kann sich auch unter www.mykologieforum.de
unter "Leitlinien" informieren.
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