Pharmazie
Unter einer depressiven Erkrankung versteht man eine Störung des
Gemütszustands, bei der eine den Lebensumständen nicht ansprechende
und somit unbegründbare Herabgestimmtheit sowie eine Hemmung der
gesamten Affektivität allzu stark ausgeprägt sind. Die Traurigkeit und
Verzweiflung haben, im Gegensatz zur Trauer, keinen Bezug zu äußeren
Umständen. Depressive Erkrankungen sind gekennzeichnet durch
Hoffnungs-, Schlaf- und Appetitlosigkeit, Angst, Minderwertigkeits- und
Schuldgefühle sowie häufig durch eine Hemmung des Antriebs, die meist mit
einer quälenden inneren Unruhe einhergeht; das Denken ist ausschließlich
auf das eigene Befinden konzentriert.
Eine Depression kann sich auch in körperlichen Symptomen äußern, beispielsweise
durch Herzschmerzen, Oberbauchschmerzen oder Müdigkeit (larvierte Depression).
Die Pathogenese der Depressionen ist weitgehend unbekannt; es wird eine
Veränderung in verschiedenen, insbesondere noradrenergen und serotonergen
Neurotransmittersystemen vermutet.
Neben den herkömmlichen tri- beziehungsweise tetrazyklischen Antidepressiva und
MAO-Hemmern wurden in jüngster Zeit neue Substanzen entwickelt, die mit sehr
viel geringeren anticholinergen Nebenwirkungen eine wirksame antidepressive
Therapie ermöglichen. Hierzu gehören die reversiblen MAO-Hemmer (RIMA)
sowie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Ende 1996/Anfang
1997 wurden nach Paroxetin (Seroxat®, Tagonis®), Fluoxetin (Fluctin® und
andere) und Fluvoxamin (Fevarin®) mit den SSRI Citalopram (Cipramil®) und
Sertralin (Gladem®, Zoloft®) zwei weitere Alternativen zu den klassischen tri- und
tetrazyklischen Antidepressiva in den pharmazeutischen Markt eingeführt.
Citalopram und Sertralin sind neue Antidepressiva vom SSRI-Typ. Sie hemmen die
Serotonin-Wiederaufnahme im synaptischen Spalt und erhöhen somit die
Serotoninkonzentration an den Rezeptoren. Im Gegensatz zu anderen
Antidepressiva besitzen die SSRI nur eine geringe Affinität zu dopaminergen,
histaminergen, adrenergen, noradrenergen, cholinergen, AMPA- oder
Benzodiazepinrezeptoren.
Aufgrund des selektiveren Wirkmechanismus dieser Substanzen kommt es zu einer
Wirkungsoptimierung und zu einer Minimierung des Nebenwirkungsspektrums. Die
Wirksamkeit ist mit anderen Antidepressiva vergleichbar. An unerwünschten
Wirkungen treten insbesondere Kopfschmerzen, trockener Mund und Nausea auf.
Das Wirkungsprofil ist erweitert um in klinischen Studien belegte Besserungen im
Bereich Zwang (Citalopram und Sertralin) sowie Angst und Sucht (Citalopram).
Eine Vergleichsstudie zur Wirksamkeit der beiden Substanzen liegt derzeit nicht vor,
so daß eine vergleichende Beurteilung nicht möglich ist. Beide Substanzen
unterscheiden sich von anderen SSRI durch eine erhöhte Selektivität, wobei
Citalopram vom Hersteller als der bisher selektivste SSRI beschrieben wird. Ein
klinischer Vorteil ist dadurch zur Zeit nicht ableitbar.
PZ-Artikel von Barbara Peruche und Martin Schulz, Eschborn

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