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Trockene Augen sind nicht immer harmlos

17.11.2003  00:00 Uhr

Trockene Augen sind nicht immer harmlos

von Matthias Bastigkeit, Geschendorf

Jeder Fünfte, der einen Augenarzt aufsucht, leidet an „trockenen Augen“. Brennen, ein störendes Fremdkörpergefühl, Rötung und Juckreiz plagen die Betroffenen. Besonders häufig klagen Patienten in und nach der kalten Jahreszeit über diese Beschwerden.

Zugluft, Klimaanlagen, Heizungsluft und die Arbeit am Computerbildschirm sind oft Ursachen für trockene Augen. Die so genannten Dry Eyes können aber auch Symptom einer bislang nicht erkannten Grunderkrankung sein. Bevor allzu schnell zu einer künstlichen Tränenflüssigkeit gegriffen wird, sollte daher nach Ursachen gesucht werden.

Kardinalsymptom einer Errankung ist zwar eine Art „Sandkorngefühl“, aber einige Patienten klagen auch über vermehrten Tränenfluss. Bei dieser Sonderform tränen die Augen, weil die Tränenflüssigkeit nicht richtig über den Tränen-Nasen-Kanal ablaufen kann. Ein weiterer Grund kann eine falsche Zusammensetzung des Tränenfilms sein: Bei diesem „paradoxen Tränenträufeln“ fehlt häufig die fetthaltige Phase der Tränenflüssigkeit. Diese verhindert normalerweise das Ablaufen über die Lidkante.

Stimmt die Menge oder die Zusammensetzung des Tränenfilms nicht, wird die Horn- und Bindehaut des Auges nicht ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt und trocknet aus. Zusätzlich steigt der Salzgehalt der Tränenflüssigkeit an. Die Lider reiben wie Schmirgelpapier über die empfindlichen Gewebeschichten der Augenoberfläche. Über längere Zeit kann die Hornhaut dadurch ihre Transparenz verlieren und eintrüben.

Arzneimittel können Ursache sein

Nicht selten führen auch Arzneimittel zu einer Verminderung der Tränenflüssigkeit. Infrage kommen Betablocker, orale Kontrazeptiva, Antihistaminika, Parasympatholytika sowie Schlaf- und Beruhigungsmittel und Antidepressiva.

Besonders austrocknend wirken antiallergische Antihistaminika. Der Betroffene greift wegen der Rötung der Augen zu Gefäß verengenden Augentropfen. Die Rötung wird zwar hervorragend beseitigt, die Tränenflüssigkeit leider auch, so beginnt ein Teufelskreis.

 

Ursachen für Trockene Augen

1.    nachlassende Tränenproduktion im Alter

2.    Sjögren Syndrom

3.    Immunmodulierte Erkrankungen wie Lupus erythematodes, Sklerodermie, Rheuma

4.    Diabetes

5.    Schilddrüsenerkrankungen

6.    Klimakterium

7.    Nervenlähmungen, beispielsweise nach Apoplex

8.    Arzneimittel

9.    Augentropfenabusus („Weißmacher“)

10.  Allergien (Kosmetika etc.)

11.  lokale Reizungen (Chlorwasser etc.)

12.  Kontaktlinsen

13.  zu geringe Flüssigkeitszufuhr

 

Sjögren-Syndrom

Wenn der Patient mit trockenem Auge weiblich, zwischen 20 und 60 Jahren ist, sich schlecht konzentrieren kann und zudem noch einen trockenen Husten hat, sollten die Warnglocken schrillen. Es könnte sich um ein Sjögren-Syndrom handeln. Diese rheumatoide Kollagenose wird wegen ihrer diffusen Beschwerden meist sehr spät diagnostiziert. Beim Verdacht auf diese Erkrankung sollte dringend ein Arztbesuch empfohlen werden.

Derzeit gib es kein Pharmakon, das trockene Augen kausal therapiert. Es werden Tränenersatzmittel als Augengele oder -tropfen eingesetzt. Diese bestehen aus einem wässrigen Medium, das mit Cellulosederivaten verdickt wird. Die Mehrdosenbehältnisse müssen konserviert sein. Seit kurzem macht man diese Konservierungsmittel dafür verantwortlich, dass sie das Auge zusätzlich austrocknen. Sinnvoller sind deshalb unkonservierte Zubereitungen in Einmaldosen. Die Auswahl richtet sich nach der Schwere der Erkrankung.

Grundlage für Tränenflüssigkeiten können sein:

  • Carbomer

  • Carboxymethylcellulose

  • Dexpanthenol

  • Hyaluronsäure

  • Hydroxyethylcellulose

  • Hydroxypropylmethylcellulose (Hypromellose)

  • Polyvidon

  • Polyvinylalkohol

  • Vitamin A

Bei Patienten mit leichten Beschwerden reichen oft wässrige Zubereitungen mit Polyvidon aus (zum Beispiel Vidisept®, Lacophtal®). Wird die Erkrankung als mittelschwer eingestuft, sollten Tropfen mit höherer Viskosität gegeben werden (zum Beispiel Artelac®, Sic-Ophtal®).

 

Tabelle 2: Arzneimittel mit Polyvinylalkohol

Präparat

Polyvinylalkohol

[Prozent]

Viskosität

[mPa.s]

Osmolarität

[mOsm/kg]

pH-Wert

Konservierung [Prozent] Dispatenol® (enthält auch Dexpanthenol)

1,4

4.0

270 - 330

7,0

BAC 0,01 Lacrimal® (enthält auch Polyvidon)

1,4

3,5 – 5,5

260 - 310

5,0 – 6,5

Chlorobutanol 0,525 Lacrimal® O.K. (enthält auch Polyvidon)

1,4

3,5 – 5,5

250 - 280

5,0 – 6,0

ohne Liquifilm®

1,4

3,0 – 5,0

240 - 300

5,0 – 7,0

Chlorobutanol 0,525 Siccaprotect® (enthält auch Dexpanthenol)

1,4

4 - 10

270 - 330

6,8 – 7,5

BAC 0,005

 

Für Patienten mit dauerhaften und starken Beschwerden sind Gele sinnvoll. Sie müssen seltener angewendet werden. (zum Beispiel Lacrigel®, Visc-Ophtal®) Der Patient muss darauf hingewiesen werden, dass ein Schmierfilm in den ersten Minuten nach der Gelanwendung das Sehvermögen deutlich beeinträchtigen kann. Autofahren ist in dieser Phase tabu. Vorsicht, nicht alle Mittel sind für Kontaktlinsenträger geeignet. Besonders die weichen Linsen sind sehr empfindlich.

Einige Präparate sind der natürlichen Tränenflüssigkeit in ihrer Zusammensetzung nachempfunden. Sie enthalten Salze, Schleim, Lipide und Wasser (zum Beispiel Liposic®). Von Vorteil ist, dass diese Mittel sehr universell einsetzbar sind. Ob durch den Zusatz von Vitamin A oder Panthenol die Wirkung gesteigert werden kann, ist strittig. Die Datenlage hierzu ist sehr dürftig.

Säure fürs Auge

Hyaluronsäure wurde 1934 im Glaskörper des Rinderauges entdeckt. Das lineare, langkettige Polymer besteht aus einer Grundeinheit D-Glucuronsäure und N-Acetyl-D-Glucosamin. Diese Grundeinheit kann sich bis zu 50.000-mal wiederholen, so dass das Molekulargewicht der Hyaluronsäure weit mehr als eine Million Dalton betragen kann. Die Hyaluronsäure bindet mehr Wasser als alle anderen natürlichen und synthetischen Glycosaminoglykane. Dies prädestiniert die Hyaluronsäure als ein effizientes Tränenersatzmittel. Außerdem wird die Wundheilung in verschiedenen Stadien durch Hyaluronsäure moduliert. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Säure an die Mucinschicht des Tränenfilms bindet und somit eine lange Verweildauer sichergestellt ist. Die Viskosität der Hyaluronsäure ist hoch genug, um das Molekül bei geöffneten Lidern am Auge verweilen zu lassen. Andererseits leistet das Molekül beim Lidschlag kaum Widerstand, da es wegen seiner viskoelastischen Eigenschaften leicht verformbar ist. Auch die natürliche Tränenflüssigkeit verfügt über diese Eigenschaften. Soviel Gutes hat seinen Preis. Präparate mit Hyaluronsäure sind deutlich kostspieliger als Substanzen auf der Basis von Cellulose oder Ähnlichem.

 

Tabelle 3: Filmbildner auf Basis von Hyaluronsäure

Präparat

Hyaluronsäure

[Prozent]

Viskosität

[mPa.s]

Osmolarität

[mOsm/kg]

pH-Wert

Konservierung [Prozent] Hylo-Comod®

0,1

4 - 10

240 - 290

6,8 – 7,5

ohne Vismed®

0,18

> 18

150

7,3

ohne Vislube®

0,18

> 18

150

7,3

ohne Laservis®

0,25

> 18

300

7,3

ohne

 

Als Ratschlag sollte man dem Patienten mit auf den Weg geben, Tabakrauch zu meiden, Fernsehen zu reduzieren, viel zu trinken und die Luftfeuchtigkeit der Wohnräume zu erhöhen.

 

Literatur

  1. 1. Berke, A., Färber, R., Hyluronsäure und trockenes Auge, Contopharma Deutschland GmbH
  2. 2. Hollwich, F., Augenheilkunde, Thieme Verlag Stuttgart 1988
  3. 3. Horwath-Winter, J., et al., Evaluation of the clinical course of dry eye syndrome. Arch Ophthalmol. 121 (2003) 1364 - 1368.
  4. 4. Iskeleli, G., et al., The effect of artificial tears on corneal surface regularity in patients with Sjögren syndrome. Ophthalmologca 216 (2002) 118 - 122.
  5. 5. N.N., Med. Universität Heidelberg, Therapeutika im Überblick: Sicca Symptomatik, www.med.uni-heidelberg.de/augen/sicca.html
  6. 6. Pflugfelder, S. C., Solomon, A., Stern, M. E., The diagnosis and management of dry eye: a twentyfive-year review. Cornea.19 (2000) 644 - 649. Review.
  7. 7. Tabbara, K. F., Vera-Cristo, C. L., Sjogren sindrome, Curr Opin Ophthalmol. 11 (2000) 449 - 454.

 

Anschrift des Verfassers:
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