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Diagnostik bei erstem Verdacht

18.10.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

HEPATITIS C

Diagnostik bei erstem Verdacht

von Ulrich Brunner, Wiesbaden

Vor zehn Jahren veröffentlichten Forscher im Wissenschaftsmagazin Science einen Artikel, der erstmalig ein neues Hepatitis-Virus beschrieb. Inzwischen gehen Experten davon aus, dass alleine in Deutschland bis zu 800.000 Menschen das Hepatitis-C-Virus in sich tragen.

Das Hepatitis-C-Virus, kurz HCV, entzog sich lange dem Nachweis. Erst 1988 beschrieben Forscher das Flavivirus genauer, damals als Non-A-non-B. Der Erreger wird parenteral übertragen - zum Beispiel bei Transfusionen, durch Blutkontakt bei Verletzungen und selten durch Organtransplantationen. "Noch 1985 war jede 200. Blutkonserve verseucht", berichtete Professor Dr. Stefan Zeuzem von der Uni Frankfurt am 13. Oktober während einer Yamanouchi-Pressekonferenz in Wiesbaden. Seit 1. April 1999 müssen die Hersteller laut Blutprodukte-Gesetz jedoch zwingend mit der PCR-Technik auf den Erreger prüfen.

Welche Bedeutung Hautlymphe, Tränenflüssigkeit, Speichel und andere Körperflüssigkeiten für die Übertragung haben, ist noch nicht genau geklärt. Nach Meinung Zeuzems ist das Infektionsrisiko bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr ausgesprochen gering und nicht so bedeutend wie bei Hepatitis-B oder HIV. Dennoch zeige die hohe Durchseuchungsrate bei Homosexuellen, dass eine Übertragung prinzipiell möglich ist.

Auch Mütter können bei der Geburt ihren Nachwuchs infizieren. Das Risiko liege zwar unter 10 Prozent, erhöhe sich jedoch, wenn die Gebärende auch HIV-positiv ist, sagte der Mediziner.

Bei geringstem Verdacht prüfen

Zeuzem mahnte, alle potentiellen Infektionswege ernst zu nehmen. Viele Patienten wüssten gar nicht, wann, wo und wie sie sich infiziert haben. "Das ist kein Virus, das einfach vom Himmel fällt." Schon mangelnde Hygiene bei Tätowierungen, Akupunktur oder Piercing könne zu Infektionen führen. Aufgrund der ständig steigenden Infektionszahlen müsse der Arzt deshalb schon bei geringstem Verdacht auf HCV prüfen.

Nach Infektion erkranken die Patienten nur selten an einer fulminanten Hepatitis. Oft verläuft die Leberentzündung mild und unauffällig. Bei 70 bis 80 Prozent entwickelte sich später jedoch eine chronische Hepatitis, die mitunter erst nach 30 Jahren zu einer Zirrhose und Leberzellkarzinomen führen kann, so Zeuzem. Außerdem wichtig: Patienten, bei denen Antikörper gegen HCV im Plasma gefunden wurden, können sich jederzeit wieder mit dem Virus infizieren.

"Wir können bislang nur 40 Prozent aller Hepatitis-C-Patienten helfen", berichtete Professor Dr. Michael Manns von der Medizinische Hochschule Hannover. Die Pharmakotherapie sei aber von Jahr zu Jahr verbessert worden. Eine chronische Hepatitis C sollte heute mit a-Interferon, bei Therapieversagen in Kombination mit Ribavirin (Rebetol®), behandelt werden. Die Diagnose müsse der Arzt zuvor jedoch durch den Nachweis von HCV-RNA im Plasma, histologische Untersuchungen und Bestimmung der Transaminasewerte absichern. Die Ansprechraten für Relapsepatienten - also solche, die nach Interferon-Monotherapie einen Rückfall erlitten haben - liege um 50 Prozent. Rückfälle seien vor allem in den ersten sechs Monaten zu beobachten. Könne man dann keine RNA-Kopien im Blut nachweisen, sei die Hepatitis wahrscheinlich ausgeheilt, sagte Manns.

Die Ansprechrate hängt auch vom Genotyp des Erregers und dem Alter des Patienten ab. Der Hepatologe empfahl, Patienten mit Genotyp-1-Infektionen und hoher Virusproduktion über zwölf statt sechs Monate zu behandeln.

Consensus alias alfacon

Bislang waren nur die beiden biotechnologisch hergestellten Interferone a-2a (Roferon® von Roche) und a-2b (Intron® A von Essex) zur Behandlung der Hepatitis C zugelassen. Ab 1. November ergänzt ein weiteres Präparat die Palette. Inferax® vom japanischen Hersteller Yamanouchi enthält das künstliche Interferon alfacon-1, das früher auch Consensus Interferon genannt wurde.

"Die Idee war, eine Substanz zu entwickeln, die möglichst viele Eigenschaften aller a-Interferonsubtypen in einem Molekül vereinigt", berichtete Dr. Jürgen Bentz, Yamanouchi, Heidelberg. Dazu habe man 14 der insgesamt 25 Subtypen sequenziert. Die an jeder Position am häufigsten vorkommenden Aminosäuren wurden dann für das neue Molekül verwendet. Die Wissenschaftler brachten die neue DNA-Sequenz in Escherichia-coli-Bakterien ein und ließen diese das neue Interferon exprimieren.

Interferon alfacon-1 ähnelt den herkömmlichen Interferonen zu 89 Prozent, so Bentz. Die neue Substanz besitze jedoch eine deutlich höhere Affinität zu den Interferon-Rezeptoren an der Zellmembran. In In-vitro-Versuchen zeigte der Arzneistoff ähnliche antiproliferative und antientzündliche Eigenschaften wie die Vorgängersubstanzen.

"Noch fehlen genaue Daten, inwieweit Patienten mit einer hohen Anzahl an Viruskopien oder schlechten Ansprechraten von der neuen Substanz profitieren", sagte Manns. Zwar wirkte Interferon alfacon in Studien vergleichbar wie die bereits eingeführten Substanzen, eine klinische Untersuchung, in der der Newcomer direkt gegen Interferon a-2a und -2b getestet wurde, sei bislang noch nicht publiziert. Laut Yamanouchi sind solche Arbeiten inzwischen geplant. In einer weiteren Untersuchung soll dann auch die Effizienz einer Kombitherapie mit Ribavirin geprüft werden.

In Sachen Heilungschancen von Hepatitis C verbreitete Manns Optimismus. In einigen Jahren - vorausgesetzt, die Pharmakotherapie entwickele sich weiterhin so rasant - könnten wahrscheinlich alle Patienten geheilt werden. Aber natürlich nur dann, wenn das HC-Virus möglichst früh im Körper entdeckt wird. Top

© 1999 GOVI-Verlag
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