Pharmazie
Mechanismen der Glucocorticoide:
(Fast) alles klar?
Pharmacon Westerland
Viele Arzneistoffe
funktionieren nach dem Schlüssel-Schloß-Prinzip, so
auch die Glucocorticoide, erklärte Professor Dr. Gerd
Folkers vom Department Pharmazie des ETH-Zentrums in
Zürich. Das Schloß (der Rezeptor) sei meist ein großes
Eiweißmolekül mit unbekannter Struktur. Bei den
Glucocorticoidrezeptoren weiß man allerdings, daß es
sich um Homodimere mit einer Zinkkomponente handelt.
Glucocorticoide gehören zu den Steroidhormonen.
Charakteristisch sei die annähernd flache Anordnung
ihres Vierringsystems, sagte Folkers. Nach der Resorption
binden Glucocorticoide an Rezeptoren in der Zielzelle,
die sie nach sterischer Umwandlung in den Zellkern
transportieren. Dort bilden sie mit der DNA einen
Komplex, der Transkriptionsfaktoren aktiviert und die
Synthese von mRNA fördert. Spezifische Proteine, die die
typischen Glucocorticoidwirkungen (Entzündungshemmung
und Immunsuppression) bewirken, werden nachfolgend
synthetisiert.
Folgende Teilaspekte lassen sich laut Folkers mit dem
beschriebenen Mechanismus allerdings nicht erklären:
Warum wirken Steroidhormone auch dann, wenn ihr Eintritt
in die Zelle blockiert wird, warum wirken sie in
kernlosen Zellen und warum so schnell? Der
Wissenschaftler nannte einige Erklärungsansätze: So
seien direkte Membranwirkungen und damit eine
Beeinflussung der Membranstabilität vorstellbar.
Außerdem könnten Glucocorticoide an zusätzliche
Membranrezeptoren binden. Diskutiert wird eine Bindung an
GABA-Rezeptoren und damit eine Aktivierung von
Chloridkanälen.
Die weitverbreitete Verteufelung von Glucocorticoiden als
nebenwirkungsreiche Medikamente lehnt Folkers ab.
Cortisol (Hydrocortison) als Prototyp der
Glucocorticoidhormone sei immerhin eine körpereigene
Substanz. Therapeutisch werde allerdings nicht immer
diese "Optimallösung der Natur" eingesetzt,
räumte er ein, sondern Substanzvarianten, die im
Hinblick auf eine Maximalwirkung bei bestimmten
Krankheitsbildern modifiziert worden seien. Chemische
Varianten haben immer nur bestimmte Teilwirkungen.
PZ-Artikel von der Redaktion
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