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Heilmittel aus China auf dem Vormarsch

06.09.2004  00:00 Uhr

Heilmittel aus China auf dem Vormarsch

von Linda Hong Choon Tan, Essen

Die Traditionelle Chinesische Medizin wird bei den Deutschen immer beliebter. So werden hier zu Lande pro Jahr rund 500 Tonnen chinesischer Arzneimittel verarbeitet und allein in Bayern etwa 100 bis 200 Tonnen chinesischer Kräuter umgesetzt.

Bei der chinesischen Arzneimitteltherapie handelt es sich um Rezepturen aus pflanzlichen, zum Teil auch tierischen und mineralischen Bestandteilen, die individuell für den Patienten zusammengestellt und vorwiegend als Tee verabreicht werden, aber auch in Form fertiger Kombinationsmittel, zum Beispiel als Tabletten.

Einige wissenschaftliche Studien belegen die Wirksamkeit von ausgewählten Einzelsubstanzen aus chinesischen Arzneimittelrezepturen. So wurde in einer Rezeptur gegen Malaria die Einzelsubstanz Artemisinin aus der Pflanze Artemisia annua (im Chinesischen: Qing Hao) identifiziert, die auch in der modernen Therapie bei Chinin- und Chloroquin-resistenten Malariaerregern zum Einsatz kommt. Weitere Beispiele sind die Einzelsubstanzen Huperzin A und E aus der Pflanze Huperzia serrata (im Chinesischen: Qian Ceng Ta), die als Cholinesterasehemmer in amerikanischen Tierexperimenten das Gedächtnis verbesserten und in China in einer klassischen Rezeptur für die Therapie des Morbus Alzheimer enthalten sind. Des Weiteren stellen Komplexmedikationen mit einer Reihe von Einzeldrogen aus der chinesische Arzneimitteltherapie (CAT) viel versprechende Perspektiven bei Magen-, Leber- und Hauterkrankungen sowie in der Frauenheilkunde dar. Leider sind viele der häufig chinesischen Studien zur CAT methodisch von geringerer Qualität, so dass weiterhin Forschungsbedarf besteht.

TCM ist nicht gefahrlos

Neben ermutigenden Forschungsergebnissen über die CAT wurde in den letzten Jahren aber auch über Nebenwirkungen und Verunreinigungen durch Pestizide und Schwermetalle sowie nicht deklarierte Bestandteile wie konventionelle Medikamente berichtet. So können allergische Reaktionen als Nebenwirkungen einer Therapie mit traditionell chinesischen Arzneimitteln auftreten. Darüber hinaus sollten Interaktionen mit westlichen Medikamenten bedacht werden, insbesondere mit Blut verdünnenden Arzneien. Auch Leber- und Nierenschädigungen werden in verschiedene Untersuchungen als eine Folge der Anwendung traditioneller chinesischer Arzneistoffe genannt.

Öffentliche Aufmerksamkeit erregte 1993 eine Verwechslung von zwei chinesischen Kräutern in einer belgischen Schlankheitsklinik. Radix Stephania tetrandra (im Chinesischen: Han Fang Ji) wurde mit Radix Aristolochia fangchi (im Chinesischen: Guan Fang Ji) in einem Kombinationspräparat mit anderen chemischen Arzneimitteln wie Appetitzüglern (Fenfluramin und Amfepramon) und Schlafmitteln (Meprobamat) verwechselt, wobei die verabreichte Wurzel Aristolochiasäure beinhaltete. Diese Mischung führte bei 100 Patienten zu schwerer interstitieller Nierenfibrose mit vereinzeltem Nierenversagen. 39 Patienten waren daraufhin auf eine Nierentransplantation angewiesen, bei 18 wurde ein Urothelkarzinom diagnostiziert. Wegen der bekannten Kanzerogenität der Aristolochiasäure wurden alle Arzneimittel, die diesen Inhaltsstoff enthielten schon 1981 in Deutschland verboten.

Apotheke bürgt für Qualität

Ein kürzlich von Greenpeace veröffentlichter Bericht weist darauf hin, dass derzeit möglicherweise chinesische Arzneimittel in deutschen Apotheken im Umlauf sind, die erhöhte Werte an Schwermetallen und Pestiziden aufweisen. Chinesische Arzneimittel sind in Deutschland im Gegensatz etwa zu den USA, Großbritannien oder Kanada apothekenpflichtig (Paragrafen 43 und 44 des Arzneimittelgesetzes). Die Apotheken sind für die pharmazeutische Qualität der Arzneimittel verantwortlich, wozu sie nach den Paragrafen 6 und 11 der Apothekenbetriebsordnung von den Importeuren Analysenzertifikate anfordern müssen. Des Weiteren ist es Aufgabe der Apotheke, die Identität der Ingredienzien festzustellen und die Arzneimittel erst dann in den Umlauf zu bringen, wenn ihre Unbedenklichkeit festgestellt wurde.

Um die Qualität der CAT zu gewährleisten schlossen sich rund 50 Apotheken in Deutschland 1999 zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, die sich der Qualitätssicherung der CAT widmet und chinesische Arzneimittel nur von ausgewiesenen und in Deutschland zertifizierten Importeuren bezieht. Ferner werden die Arzneimittel auf korrekte Dosierung und eventuelle Wechselwirkungen kontrolliert und dem Patienten die fachgerechte Zubereitung erläutert (www.tcm-apo.de). Kürzlich wurde auf Initiative einiger Fachgesellschaften für TCM ein Zentrum für Therapiesicherheit in der Traditionellen Chinesischen Arzneimitteltherapie (CTCA) mit dem Ziel der Dokumentation und Bewertung von Nebenwirkungen gegründet. Auch das Land Nordrhein-Westfalen hat die potenziellen Risiken einer nicht kontrollierten Traditionellen Chinesischen Medizin erkannt und fördert seit April 2002 ein Projekt an der Universität Duisburg-Essen, das Qualitätsstandards in der ambulanten Versorgung mit chinesischer Medizin erarbeitet.

Nachfrage nimmt zu

Der Bedarf an chinesischen Heilkräutern in Deutschland wächst stetig. Die meisten Kräuter werden aus China importiert, längst ist dort der Export der chinesischen Heilingredienzien als lukratives Geschäft bekannt. Die chinesische Regierung teilt mit, dass 1995 etwa 400.000 Tonnen chinesischer Arzneien in die ganze Welt exportiert wurden mit einem Wert von etwa 2 Milliarden US-Dollar.

Einige chinesische Fabriken stellen ihre pharmazeutischen Produkte nach internationalen Qualitätskriterien (Good Manufacturing Practice) her, bis dato gibt es jedoch keine staatlichen Bestimmungen oder Überwachungsorgane, um diese Standards zu sichern. Aus diesen Gründen wurde in Bayern der Anbau chinesischer Kräuter gestartet (www.stmlf.bayern.de).

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die chinesische Arzneimitteltherapie positive Ansätze bietet, die konventionelle Schulmedizin zu ergänzen. Bei dem steigenden Bedarf an chinesischen Arzneimitteln in Deutschland ist es essenziell, dass Apotheken die Rechtsvorschriften korrekt umsetzen, um die Qualität der CAT zu gewährleisten. Die gesetzlichen Bestimmungen diesbezüglich sind in Deutschland im Vergleich zu anderen westlichen Ländern zwar fortgeschritten. Künftig wird es dennoch notwendig sein, weitere staatlich-universitärer Einrichtungen zu etablieren, um die Qualität der chinesischen Medizin einschließlich der chinesische Arzneimitteltherapie zu sichern. Top

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