Neues Therapieregime für Oxaliplatin bei Kolonkarzinom |
13.09.1999 00:00 Uhr |
ONKOLOGIE
Die neue europäische Zulassung auch für die First-line-Therapie erfolgte auf dem Wege des gegenseitigen Anerkennungsverfahrens mit Frankreich als Referenzland und wird in Deutschland, Belgien, Spanien, Italien, Luxemburg, Niederlande, Großbritannien und Schweden umgesetzt. Oxaliplatin ist damit die erste Substanz außerhalb der Familie der Fluoropyrimidine, die für diese Indikation die europäische Zulassung in der First-line-Therapie erhielt.
Oxaliplatin (Trans-l-diaminocyclohexanoxalatoplatin), nach Cisplatin und Caboplatin ein weiteres Platinderivat, enthält einen Oxalsäure- und einen 1,2-Diaminocyclohexan-Rest. Wie die anderen Platinverbindungen reagiert Oxaliplatin mit DNA-Einzelsträngen. Möglicherweise wirkt Oxaliplatin darüber hinaus aber auch über andere zytotoxische Mechanismen. Im Tierexperiment konnte festgestellt werden, dass die Substanz auch eine zytotoxische Wirkung auf Cisplatin-resistente Tumoren hatte. Genauere Daten liegen jedoch bis dato nicht vor.
In drei multizentrischen Phase-II-Studien erhielten Patienten mit 5-FU-resistentem Kolonkarzinom 130 mg/m2 Oxaliplatin als Monotherapeutikum. Das Zytostatikum sprach bei 10 Prozent der Krebskranken an. Trotz dieses offensichtlichen Wirksamkeitsnachweises bei fortgeschrittenem Kolorektalkarzinom empfahlen die Behörden die Substanz im Zuge der Erstzulassung als Monosubstanz nur für Patienten, bei denen eine 5-FU-Therapie nicht in Frage kam; zum Beispiel bei einem Mangel des 5-FU-abbauenden Enzyms Dihydropyrimidindehydrogenase oder einer 5-FU-bedingten Kardiotoxizität.
1998 erweitertete man die Zulassung, da diverse In-vitro- und In-vivo-Experimente darauf hingedeutet hatten, dass die Kombination aus Oxiplatin und 5-FU und Folinsäure nicht nur additiv sondern auch synergistisch wirkt. Fünf Studien mit unterschiedlichen Dosierungen von Oxaliplatin, 5-FU und Folinsäure hatten Ansprechraten zwischen 28 und 53 Prozent ergeben. Eine komplette Remission trat bei 3,5 bis 5,8 Prozent der Patienten ein.
Die neue europäische Zulassung vom 5. Juli 1999 umfasst nur die Firstline Therapie des kolorektalen Karzinoms und die Kombinationstherapie mit 5-FU und Calciumfolinat. Sie basiert auf einer randomisierten Multizenterstudie von Gramont et al. Die Wissenschaftler verglichen das bereits 1997 beim Europäischen Onkologenkongress vorgestellte FOLFOX-4-Schema (85 mg/m2/2hr Oxaliplatin am Tag 1, alle zwei Wochen plus 1000 mg/m2 5-FU am Tag 1 und 2 alle zwei Wochen plus 200 mg/m2 Calciumfolinat am Tag 1 und 2, alle zwei Wochen) mit einer zweiten Patientengruppe, die nur 5-FU und Calciumfolinat in den gleichen Dosierungen bekam. Bei 26 Prozent der Patienten aus Gruppe A und 57 Prozent aus der Gruppe B sprach die Therapie an.
Die gute Wirksamkeit des 2-Wochen-Schemas spricht sicher für dieses relativ niedrig dosierte Protokoll. Bei anderen Therapieregimen erhielten Patienten bis zu 130 mg/m2 Oxaliplatin. Allerdings stieg auch in dieser Studie die Toxizität durch die additive Wirkung des Platinderviats mit 5-FU und Calciumfolinat.
Nebenwirkungen
Die hämatologische Toxizität von Oxaliplatin in der Monotherapie ist minimal. Wird die Substanz gemeinsam mit 5-FU und Calciumfolinat gegeben, treten Neutro- und Thrombozytopenien häufiger auf. Die gastointestinale Toxizität ist charakterisiert durch teilweise dosislimitierende Diarrhöen, Übelkeit und Erbrechen. Antiemetika sollten prophylaktisch gegeben werden. Neben Durchfall kommt es besonders bei der Kombination mit 5-FU und Calciumfolinat zu Schleimhautentzündungen. Eine dosisabhängige kumulative periphere Neurotoxiztät wurde bei 82 Prozent der Patienten beobachten, und führte bei rund 12 Prozent zu funktionellen Beeinträchtigungen. In den ersten drei Tagen kommt es mitunter zu einer reversiblen Dysästhesie, auch im laryngo-pharyngalen Bereich, und in der Folge zu akuter Luftnot. Diese Nebenwirkungen werden durch kalte Luft oder kaltes Wasser verschlimmert. Der Patient sollte vor der Therapie unbedingt darüber aufgeklärt werden, dass es sich hier um ein subjektives Phänomen handelt, das nicht den Respirationstrakt einschränkt und ihn nicht vital bedroht. Nach Gabe von Oxiplatin in Kombination mit 5-FU kann auch das Hand-Fuß-Syndrom auftreten.
Chronopharmakologie
Die Effektivität einer Chemotherapie ist von circadianen Rhythmen abhängig. Zum Beispiel ist die Aktivität der Dihydropyrimidindehydrogenase zwischen 0 und 4 Uhr um circa 40 Prozent gesteigert. Dieses Enzym ist für den intrazellulären Abbau von 5-FU verantwortlich und trägt durch seine variierende Aktivität dazu bei, dass das Zytostatikum in den frühen Morgenstunden besser vertragen wird.
Levi et al. verglichen von 1991 bis 1993 in einer Studie mit jeweils 93 Patienten den Effekt einer Kombination aus Oxaliplatin, 5-FU und Calciumfolinat beim metastasierenden Kolonkarzinom; einmal als konstante Dauerinfusion appliziert und zum anderen mit Hilfe einer mehrlumigen, programmierbaren Pumpe. Diese Pumpe wurde nach Gesichtspunkten der Chronopharmakologie programmiert und konnte für den ambulanten Bereich genutzt werden.
Bei 47 Patienten (51 Prozent) aus der "Chronogruppe" sprach die Therapie an. In der Gruppe mit konstanten Dauerinfusionen konnten die Forscher ein Ansprechen nur bei 27 (29 Prozent)nachweisen. Die Chronotherapie reduzierte darüber hinaus die Rate der Schleimhautentzündungen (14 versus 76 Prozent) und halbierte die Zahl der peripheren Neuropathien (16 Prozent versus 31 Prozent). Ob die Überlebenszeit mit diesem intensivierten, ambulant durchgeführten, chronotherapeutischen Regime ebenfalls verlängert werden kann, wird zur Zeit in einer weiteren Studie geprüft.
Zubereitung und Dosierungen
Wie Carboplatin darf man Oxaliplatin nicht in Salzlösungen lösen. Die Stammlösung sollte mit Wasser oder 5-prozentiger Glucoselösung hergestellt und mit der Glucoselösung entsprechend weiter verdünnt werden.
Von einem chronotheapeutischen Regime abgesehen schwanken die Dosierungsempfehlungen zwischen 130 mg/m2 täglich alle drei Wochen (meist Monotherapie) bis zum oben genannten FOLFOX-4-Schema, das die Grundlage für die europäische Zulassung bildete.
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