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Zwischen Bratwurst und Gummibärchen

26.08.2002  00:00 Uhr

Mukoviszidose

Zwischen Bratwurst und Gummibärchen

von Christiane Berg, Neustadt

Die Ernährungstherapie mit Enzymsubstitution gehört ebenso wie die medikamentöse Behandlung und Physiotherapie zu den Grundpfeilern der Behandlung der Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt.

Die exokrine Pankreas-Insuffizienz mit unzureichender Sekretion von lipolytischen und proteolytischen Enzymen zählt zu den häufigsten Begleitsymptomen der Mukoviszidose. Etwa 85 Prozent aller CF-Patienten sind von Geburt an betroffen und neigen zu Fettdurchfällen mit Gedeihstörungen und Kleinwuchs. Das Kind bleibt in seiner körperlichen Entwicklung zurück.

„Der Anteil der leicht- und untergewichtigen Personen mit Mukoviszidose ist im Vergleich zur Normalbevölkerung relativ hoch“, berichtete Katrin Schlüter aus Hannover auf einem Workshop für Eltern und Betreuer am 17. August. Zwar lassen sich fehlende Pankreasenzyme durch entsprechende Enzympräparate ausgleichen, dennoch scheidet immer noch ein Drittel der Patienten zu viel Fett mit dem Stuhl aus. Schlüter: „Fett im Essen und Enzympräparate sind zwei Komponenten, die aufeinander abgestimmt werden müssen“.

Zwar werde nach diagnostizierter Pankreasinsuffizienz vom Arzt zunächst eine Durchschnittsdosierung der notwendigen Enzyme festgelegt. So individuell wie die Essgewohnheiten einzelner Personen, so unterschiedlich sei letztlich jedoch die tatsächliche Dosierung. Zum Beispiel enthalte ein Frühstück aus Cornflakes und Vollmilch nur circa 7 Gramm, eines mit Rührei, gebratenem Schinken und Buttertoast hingegen circa 30 Gramm Fett. Somit sei im zweiten Fall die vierfache Menge an Enzymen erforderlich.

Viel Fingerspitzengefühl

Schlüter riet, optimale Verdauungsmöglichkeiten zu schaffen, indem die Gabe der Enzyme nicht nur an den Fettgehalt der Nahrung, sondern auch an den Zeitpunkt und die Dauer der Nahrungsaufnahme angepasst wird. Sie empfahl, Kindern beim Verzehr einer Tüte Chips die Kapseln nicht auf einmal, sondern verteilt über die Zeit des Konsums zu geben.

Generell mache die fettreiche hochkalorische Kost zum Erhalt des gesteigerten Energiebedarfs, des guten Ernährungsstatus und damit letztlich auch der Lungenfunktion der kleinen CF-Patienten viel Motivationsarbeit und Fingerspitzengefühl der Eltern erforderlich. Sehr schnell könne das Thema „Essen“ in der Familie zum „Kriegsschauplatz“ werden. Häufigere kleine Gerichte ließen sich gerade für Kids besser bewältigen als drei große. Deshalb sollten über den Tag hinweg immer wieder Zwischenmahlzeiten wie Müsliriegel, Kräcker, Mini-Salami oder Studentenfutter angeboten werden.

Nährboden für Bakterien

Mukoviszidose ist mit über 8000 Patienten die häufigste genetisch bedingte Stoffwechselkrankheit in Deutschland. Etwa 4 Millionen Menschen sind Träger des Gendefektes, ohne selbst zu erkranken. Pro Jahr werden 300 bis 400 Jungen und Mädchen mit CF geboren. Das Leiden geht mit einer Störung des Natriumchloridstoffwechsels und somit einem extrem hohen Salzgehalt im Schweiß einher. Die Sekrete der exokrinen Drüsen der Kinder sind eingedickt. Dieses führt zu Dysfunktionen nicht nur der Bauchspeicheldrüse, sondern vor allem der Lunge mit Komplikationen im Bereich der Atemwege. Hier bildet der zähe Schleim einen idealen Nährboden für Bakterien. Immer wiederkehrende Entzündungen zerstören das Gewebe. Am Ende drohen Emphysem, Atelektasen (ein verminderter Luftgehalt in den Lungenaveolen) und Hypoxie. Etwa 90 Prozent aller erwachsenen Mukoviszidose-Patienten sterben an Lungenversagen.

Die CF lässt sich bislang nicht kausal therapieren. Grundpfeiler der Behandlung sind neben der Ernährungstherapie mit Enzymsubstitution die Physiotherapie sowie die Inhalation von Natriumchloridlösung, Bronchodilatoren wie Adrenalin, Salbutamol und Ipratropiumbromid sowie Cortison oder Amilorid. Zur Anwendung kommen zudem Mukolytika wie Acetylcystein oder das gentechnisch hergestellte Enzym DNAse. Fortwährend oder intermittierend werden vorzugsweise bei der Besiedlung mit Pseudomonas aeruginosa inhalativ und peroral Antibiotika wie Tobramycin, Gentamicin und Colistin verabreicht.

Makrolide verlängern Leben

Neue Hoffnungen verbinden Ärzte und Patienten mit dem Einsatz von Makroliden wie Erythromycin, Clarithromycin oder Azithromycin. Diese erhöhen die Überlebensraten um bis zu 60 Prozent, wobei nicht nur die antibiotische Wirkung, sondern auch der Einfluss auf die Immunantwort eine Rolle spielt, sagte Dr. Martin Claßen, Bremen.

Er betonte, dass die Wirkung der Makrolide auch bei niedrigen, nicht antibiotisch wirkenden Konzentrationen eintritt. Diese führen zu einer geringeren Freisetzung gewebeschädigender Enzyme und entzündungsfördernder Zytokine. Parallel bleiben Pseudomonaden schlechter an der Schleimhaut haften, erläuterte der Pädiater. Die Tendenz der Pseudomonaden, sich in Mikrokolonien und Biofilmen zusammenzufinden oder eine Schleimkapsel zu bilden und sich so vor den Fresszellen des Wirtes zu schützen, werde geschwächt. Die Wirksamkeit anderer Antibiotika wie zum Beispiel Gyrasehemmern werde verbessert. Die Viskosität des zähen Schleims nimmt ab.

Erste Studien belegen den Rückgang von Entzündungsparametern im Blut und einen niedrigeren Bedarf intravenös verabreichter Antibiotika sowie eine längere Aufrechterhaltung der Lungenfunktion. Bis heute wisse man nicht, welche CF-Patienten besonders profitieren, und ob eine frühe Behandlung die Dauerbesiedlung der Keime verhindern kann. Zudem ist noch unklar, welches der in Frage kommenden Makrolide am besten wirkt. „Wir stehen noch am Anfang“, so der Referent. Top

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