Neuer Katalog für den Anti-Dopingkampf |
02.08.2004 00:00 Uhr |
Schon die Griechen und Römer nahmen Mittel zur Leistungssteigerung. Heutzutage wird allerdings nicht nur in den Stoffwechsel, sondern auch in das Erbgut eingegriffen. Mit Übernahme des Dopingkontrollsystems durch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) wurde die Verbotsliste neu gestaltet.
Das olympische Motto von Baron Pierre de Coubertin „höher, schneller, weiter" verleitet heute immer häufiger zu unlauteren Methoden. Dabei ist die Einnahme von Substanzen zur Leistungsverbesserung nicht neu. Schon in der neolithischen Zeit war der Gebrauch von Mohn üblich und bei den Römern und Griechen nahm der Verzehr von Rindfleisch während der Olympischen Spiele drastisch zu. Sie glaubten, so die Kraft der Stiere zu bekommen.
Doping im heutigen Sinne wurde aber erst im 19. Jahrhundert populär. Heroin und Morphin waren die ersten bekannten Drogen, die zur sportlichen Leistungssteigerung eingesetzt wurden. Der Radrennfahrer Arthur Lindon gilt als das erste Dopingopfer. Er starb wenige Monate nach dem Bordeaux-Paris-Rennen 1896. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin nahmen Sportler erstmals Amphetamine. Die anabolen Steroide folgten in den 50er-Jahren. Mit der Einführung von Wachstumshormonen, Erythropoietin (EPO) und des noch in der Entwicklung befindlichen Gen-Dopings hat Doping erneut eine gefährliche Wende genommen.
Was warum verboten ist
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) definiert Doping als die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verwendung von Substanzen aus verbotenen Wirkstoffgruppen und die Anwendung verbotener Methoden entsprechend der aktuellen Dopingliste. Bislang oblag die Erstellung der Verbotsliste dem IOC. Diese Aufgabe hat nun die WADA übernommen, ihre erste Version ist zum Januar 2004 in Kraft getreten. Zur Aufnahme in die Liste muss ein Wirkstoff oder eine Methode zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: 1. Die sportliche Leistung kann gesteigert werden, 2. es besteht ein gesundheitliches Risiko und/oder 3. es liegt ein Verstoß gegen den Geist des Sports vor.
Zu den verbotenen Wirkstoffgruppen zählen zum Beispiel Stimulanzien. Sie steigern die Aktivität des Zentralnervensystems, die Herz- und Atemfrequenz, das Herzminutenvolumen oder die Sauerstoffaufnahme und fördern einen erhöhten Energie-Umsatz im Bereich der eingesetzten Muskulatur. Kurz vor dem Wettkampf eingenommen, reagieren Sportler schneller, gehen eher an ihre Grenzen und werden nicht müde. Stimulanzien vertreiben allerdings auch das gesunde Erschöpfungsgefühl. So hat ihre Einnahme durchaus schon zu Todesfällen im Sport geführt. Bekannte Todesfälle durch Amphetamine sind die des dänischen Radfahrers Knut Erik Jansen 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom sowie des Radrennfahrers Tom Simpson bei der Tour de France 1967. Zudem kann ihre Einnahme zu Psychosen, Halluzinationen und psychischer Abhängigkeit führen. Vom IOC verbotene Stimulanzien sind unter anderem: Amfetaminil, Amphetamin, Ephedrin, Fencamfamin, Fenetyllin, Kokain oder Pemolin.
Narkotika spielen bei solchen Sportarten eine Rolle, die eine ruhige Hand erfordern. Deswegen stehen sie bei Sportschützen, Billard- oder Golfspielern auf der Verbotsliste. In hohen Dosen führen sie zur Bewusstseinstrübung und Lähmung des Atemzentrums bis hin zum Atemstillstand. Vom IOC verbotene Narkotika sind unter anderem: Heroin, Methadon, Morphin, Pentazocin oder Pethidin.
Anabolika sind die Klassiker unter den Dopingmitteln. Die im Sport verwendeten künstlichen Hormone gehen auf das männliche Geschlechtshormon Testosteron zurück. Testosteron und sein chemischer Verwandter Nandrolon fördern alle aufbauenden (anabolen) Prozesse im Körper, so auch die Proteinsynthese in den Muskelzellen. Männer können mit ihnen ihre Trainingszeiten stark verkürzen, Frauen zudem ihre Leistungsfähigkeit steigern.
Ihre Einnahme kann eine Reihe – zum Teil lebensgefährlicher – physiologischer und psychischer Nebenwirkungen nach sich ziehen. So führt die zum Beispiel Testosteroneinnahme zur Aknebildung, androgenetischer Alopezie (männlichem Haarausfall), Ödembildungen und Veränderungen der Stimme. Bei Frauen kann eine Vermännlichung eintreten. Zusätzlich machen psychotische Wirkungen, Herz- und Kreislaufschädigungen, Leberschäden sowie Infektionen mit Hepatitis oder Aids (durch Verwendung von infizierten Spritzen bei illegaler Anwendung) den Einsatz von Anabolika zu einem großen Problem im Leistungssport, insbesondere im Bodybuilding. Vom IOC verbotene Anabolika sind unter anderem: Clenbuterol, Clostebol, Dehydroepiandrosteron (DHEA), Mesterolon, Nandrolon, Stanozolol oder 1-Testosteron.
Neben künstlich hergestellten Hormonen kommen vor allem in Kraft- und Schnell-Sportarten Beta-2-Agonisten zum Einsatz. Prinzipiell sind alle Beta-2-Agonisten verboten, ausgenommen sind lediglich Formoterol, Salbutamol, Salmeterol und Terbutalin zur Inhalation bei asthmatischen Zuständen. Allerdings muss hierfür eine medizinische Ausnahmegenehmigung beantragt werden.
Peptidhormone werden vor allem seit dem Anabolikaverbot als Ersatzpräparate benutzt. Sie haben unterschiedlichste Wirkungen, sind aber alle wachstumsfördernd, steigern die Muskelkraft, verbessern die Schnellkraft und verkürzen die Regenerationszeit. Wachstumsfaktoren wie IGF-1 (Somatomedin C) fördern zusammen mit dem Wachstumshormon HGH (Somatotropin) das Muskelwachstum. Beide Peptidhormone werden heute im Sport missbraucht. Die Einnahme kann jedoch zu einer diabetischen Stoffwechsellage (deswegen ist ab einer gewissen Dosis zusätzlich Insulin notwendig) beziehungsweise zu einer „artifiziellen" Akromegalie (Größerwerden der Akren = knöcherne Körperenden, wie Nase, Kinn, Finger, Zehen, aber auch der Gesichtsweichteile wie der Zunge und der Lippen) mit potenziellem Risiko einer Herzmuskelerkrankung führen. Darüber hinaus kann auch ein im Körper „schlafender“ Tumor geweckt werden.
Vom IOC verbotene Peptidhormone sind unter anderem: Erythropoietin (EPO) oder das Wachstumshormon HGH. Ebenfalls verboten sind Insulin und Corticotropin (ACTH) sowie für männliche Sportler Gonadotropin (LH) und Choriongonadotropin (HCG).
Nur bei bestimmten Sportarten verboten sind Alkohol, Betablocker und Diuretika. Diuretika, zu denen auch die „legale Droge“ Coffein gehört, wird bei Sportarten wie Boxen, Gewichtheben oder Judo eingesetzt, bei denen die Athleten nach Gewichtsklassen eingeteilt werden. Denn die entwässernde Wirkung senkt das Körpergewicht. Störungen des Elektrolythaushalts, Herzrhythmusstörungen und lebensgefährlicher Flüssigkeitsverlust können auftreten.
Manipulation wird bestraft
Zu den verbotenen Methoden zählen die Erhöhung des Sauerstofftransfers, die pharmakologische, chemische oder physikalische Manipulation von Dopingproben und das Gen-Doping.
Das „klassische" Blutdoping gehört schon lange der Vergangenheit an. Damals wurde dem Ausdauerathleten ein paar Wochen vor dem Wettkampf circa ein halber bis ein Liter Blut abgenommen und unmittelbar vor dem Wettkampf wieder infundiert. Durch diese Eigenblutspende hatte der Sportler somit bedeutend mehr rote Blutkörperchen als Sauerstoffträger zur Verfügung, um die O2-Versorgung der Muskelzelle und damit die Ausdauerleistungsfähigkeit zu verbessern.
Was dürfen Sportler bei Grippe, Durchfall & Co einnehmen? Die Beispielliste der zulässigen Medikamente und Medikamentengruppen umfasst 23 Punkte, unter anderem Antidiarrhoika, Antiallergika, Antiemetika, Magen- und Darmmittel (Loperamid, Metoclopramid), nicht steroidale Antirheumatika, Muskelrelaxanzien, Antibiotika, Antihistaminika und Ophtalmika. Bei Erkältungskrankheiten sollen ephedrinfreie Medikamente gewählt werden. Auch zur Behandlung einer obstruktiven Lungenerkrankung, eines allergischen oder eines Anstrengungsasthmas dürfen Ephedrin sowie auch systemisch eingesetzte Corticosteroide nicht angewandt werden. Beta-2-Agonisten unterliegen ebenfalls grundsätzlich dem Dopingverbot. Um den betroffenen Athleten jedoch zu helfen, hat das IOC vier Wirkstoffe – nur zur Inhalation und mit entsprechender Ausnahmegenehmigung – zugelassen: Formoterol, Salbutamol, Salmeterol und Terbutalin. Zu den erlaubten inhalativen Corticosteroiden zählen unter anderem Beclometason, Budesonid und Flunisolid. Auch zur Behandlung von Schmerzen und Husten bietet das IOC eine Auswahl von Medikamentengruppen (Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen beziehungsweise Acetylcystein, Ambroxol, Bromhexin, Codein), ebenso bei der örtlichen Anwendung an Augen (Cromoglicinsäure, Dexamethason) und Nasen (Xylometazolin). Die Autoren warnen jedoch vor Verwechslungsgefahren und Kombinationspräparaten, deren Zusammensetzung schlecht ersichtlich ist.
Die detaillierte Version der aktualisierten Dopingliste sowie weitere Informationen zur Beispielliste zulässiger Medikamente sind unter www.nada-bonn.de zu finden.
Vor über zehn Jahren wurde das menschliche Peptidhormon EPO zur Behandlung von Patienten mit Anämie auf den Markt gebracht. EPO ist ein in der Niere produziertes körpereigenes Hormon, das die Bildung von Erythrozyten in den Stammzellen des Knochenmarks anregt. Die roten Blutkörperchen binden in der Lunge Sauerstoff und transportieren diesen zur Versorgung der Zellen in die verschiedenen Körperregionen wie die Muskulatur. Das heißt: mehr Sauerstoff = mehr Ausdauer = bessere Leistung.
Durch den Missbrauch kann der Hämatokrit jedoch so weit steigen, dass die erhöhte Viskosität des Blutes eine tödliche Thromboembolie auslöst, was durch die Dehydration bei Leistungssportlern noch begünstigt wird. In einigen Sportarten (Radsport, Skilanglauf) misst man deshalb im Rahmen der Dopingkontrollen seit einigen Jahren den Hämatokrit-Wert der Sportler. Seitdem sind Plasmaexpander wie Albumin in Gebrauch, um das gedopte Blut wieder zu verdünnen. Vom IOC verboten sind unter anderem Erythropoietin und Efaproxiral (RSR 13).
Seit zwei Jahren steht auch genetisches Doping auf der Verbotsliste. Zwar befinden sich zurzeit noch alle Methoden, neue Gene in Körperzellen einzuschleusen, im experimentellen Stadium, aber laut Dopinganalytiker ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass Sportler nicht nur in den Stoffwechsel, sondern auch in das Erbgut eingreifen. Dies scheint die WADA auch so zu sehen: Sie stellte in diesem Jahr erstmals einige Tausend Euro für die Anti-Gendoping-Forschung frei.
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