Puffersystem mit eigener Wirkung |
17.07.2000 00:00 Uhr |
Erstmalig hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einem Monopräparat mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure die Zulassung für die Indikation "akute Behandlung der Kopfschmerzen von Migräneanfällen mit und ohne Aura" erteilt. Die Vorteile der neuen Formulierung Aspirin® Migräne, die ab August 2000 rezeptfrei erhältlich ist, sowie zulassungsrelevante klinische Studien stellte Dr. Uwe Gessner Ende Juni auf einer Bayer-Pressekonferenz in Kiel vor.
Gessner betonte, dass die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure bei Migräne in den vergangenen Jahren zumeist in Kombination mit dem Peristaltikum und Antiemetikum Metoclopramid geprüft wurde. In einer 1998 durchgeführten doppelblinden und placebokontrollierten Multizenterstudie an 374 Migränepatienten mit und ohne Aura sei die von Bayer neu entwickelte ASS-Brausetablette in einer Dosierung von zweimal täglich 500 mg ohne zusätzliche Gabe von Metoclopramid gemäß den sogenannten "Glaxo-Kriterien" (Reduktion des Schweregrades von starken (3), mäßigen (2), leichten (1) Kopfschmerzen nach zwei Stunden) untersucht worden.
Der Unterschied zwischen Verum und Placebo sei statistisch hochsignifikant gewesen. Mit 55 Prozent glich die Responderrate von Aspirin® Migräne der peroraler Sumatriptan- oder Ergotamin-Formulierungen in anderen Studien, so Gessner. Auch die Erfolgsrate des Monopräparates sei vergleichbar mit den Ergebnissen von Untersuchungen, bei denen zusätzlich Motilitätsverstärker wie Metoclopramid eingesetzt wurden. Das neue Produkt reduziere die Begleitsymptome Übelkeit, Erbrechen sowie Photo- und Phonophobie um 50 Prozent.
Hohe Responderrate
Als auffällig hob der Referent die relativ hohe Responderrate von 36,8 Prozent unter Placebo hervor, die über den Ergebnissen (24 bis 30 Prozent) vergleichbarer Studien liegt. Im Unterschied zum Verum fehlte im Placebo lediglich die Acetylsalicylsäure (ASS), nicht aber das für Aspirin® Migräne charakteristische Puffersystem, erläuterte der Referent. Anzunehmen sei, dass die Placebotabletten auf Grund ihrer hohen Neutralisationskapazität über eine eigene Wirkung verfügen. Gessner schrieb der besonderen galenischen Zubereitung der neuen Formulierung eine bedeutende Rolle zu.
Aspirin® Migräne enthält neben ASS und dem Brausezusatz (Natriumhydrogencarbonat sowie Natriumcarbonat) Natriumcitrat und Zitronensäure. Die in Wasser gelöste Tablette führt zu einem pH-Wert von 5,8 bis 6,2 sowie einer Säureneutralisationskapazität (ANC) von 12 mEq beziehungsweise 24 mEq. Das Puffersystem bewirkt eine beschleunigte Magenpassage und Wirkstoffanflutung sowie einen schnellen Wirkeintritt bei guter Verträglichkeit, sagte der Referent.
Migräniker kann selbst entscheiden
Nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) ist ASS in einer Dosierung von 1000 mg nach vorheriger Gabe von 20 mg Metoclopramid oder 20 bis 30 mg Domperidon neben Ibuprofen (400 bis 800 mg) und Paracetamol (1000 mg) Mittel der Wahl bei leichten bis milden Migräneattacken mit mäßigen bis starken Kopfschmerzsymptomen. Milde Migräneattacken lassen sich in der Regel schneller und verträglicher durch ein Analgetikum wie ASS möglicherweise in Kombination mit einem Antiemetikum kupieren als durch spezifische Migränetherapeutika, bestätigte Dr. Axel Heinze von der Schmerzklinik Kiel. Er betonte, dass ASS bereits bei den ersten Anzeichen einer Attacke eingesetzt werden sollte.
Schwere Migräneattacken, die sich durch Analgetika nicht beeinflussen lassen, könne
der Patient zumeist durch die Einnahme von Triptanen lindern. Basierend auf der vorherigen
ärztlichen Diagnose könne und müsse der geschulte Migräniker über den differenzierten
Einsatz der Medikamente selbst entscheiden.
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