Therapie oft mangelhaft |
27.06.2005 00:00 Uhr |
Bis zu zwei Drittel der Frauen mit Ovarialkarzinom werden in Deutschland nicht optimal versorgt. Die Überlebensrate hängt jedoch neben dem Tumorstadium entscheidend von der Qualität der Behandlung ab. Dies belegen Ergebnisse einer Studie der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO).
In Deutschland erkranken jährlich etwa 8000 Frauen an Eierstockkrebs. Damit liegt dieser Tumor auf Platz 6 der Krebserkrankungen bei Frauen. Tückisch: Es gibt keine Frühsymptome, die auf das maligne Geschehen, das in den weitaus meisten Fällen von den Epithelzellen des Eierstocks ausgeht, hinweisen könnten. Unspezifische Druckbeschwerden im Unterbauch, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Völlegefühl oder ein Aszites sind bereits Spätsymptome. Wenn der Tumor das Ovar durchbricht, siedeln sich Tochtergeschwülste vor allem innerhalb der Bauchhöhle an. Am häufigsten befallen die Metastasen das Bauchfell und den Darm. Über das Lymphsystem und den Blutstrom können Krebszellen auch entferntere Körperteile erreichen.
Weder die Vaginalsonografie noch Tumormarker wie CA-125 haben sich als effektiv für ein allgemeines Screening erwiesen, berichtete Professor Dr. Barbara Schmalfeldt von der Frauenklinik der TU München bei einer Pressekonferenz der Essex Pharma. Eierstockkrebs tritt vor allem bei Frauen über 50 Jahren auf. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 68 Jahren. Über die Ursachen weiß man wenig. Das Risiko scheint mit der Zahl der Eisprünge zu steigen. So halbiert sich das Risiko, wenn eine Frau länger als fünf bis sechs Jahre orale Kontrazeptiva eingenommen oder mehr als drei Schwangerschaften erlebt hat. Bei 5 bis 10 Prozent der Patientinnen liegen genetische Veränderungen vor. Auch wenn bereits maligne Tumoren anderer Organe, zum Beispiel an Darm, Gebärmutter oder Brust, aufgetreten sind, steigt die Gefahr für die Eierstöcke.
Die Prognose hängt entscheidend vom Stadium der Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose ab. Ist der Tumor noch lokal begrenzt (Stadium I), überleben 80 bis 90 Prozent der Frauen die nächsten fünf Jahre. Dies verschlechtert sich rapide in den fortgeschrittenen Stadien, die jedoch bei drei Viertel der Frauen bereits bei der Erstdiagnose vorliegen. Dann überleben trotz der therapeutischen Fortschritte in den letzten Jahren nur 30 Prozent der Frauen, so die Gynäkologin. Das Ovarialkarzinom ist damit die führende Todesursache bei den gynäkologischen Tumoren.
Operation plus Platintherapie
Die Therapie basiert immer auf einer Operation, bei der der Tumor möglichst komplett entfernt werden muss, und einer nachfolgenden Chemotherapie, unterstrich Schmalfeldt. Je weniger Resttumor bei der Operation verbleibt, umso günstiger ist die Prognose. »Eine gute Operation verlängert das Leben.« Nach der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie Studiengruppe Ovar (AGO-Ovar), die derzeit überarbeitet wird, ist die systematische chirurgische Exploration des gesamten Bauchraums entscheidend für die Festlegung des Stadiums und der Chemotherapie. Auch bei fortgeschrittenem Befall des Bauchraums könne man erfolgreich operieren und Lymphknoten und Bauchfell entfernen.
Wird der Tumor im Frühstadium entdeckt und operiert, was bei einem Viertel der Frauen gelingt, genügt anschließend eine Platin-haltige Monotherapie über vier bis sechs Zyklen. Ob Platin-haltige Kombinationstherapien besser wirken, ist nicht belegt.
Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung ist die Zweiertherapie jedoch Pflicht. »Die Kombination von Carboplatin mit Paclitaxel gilt heute als Standard für die First-line-Therapie«, erklärte Schmalfeldt. Diese Kombination sei ebenso effektiv, aber besser verträglich als Cisplatin und Paclitaxel. Insgesamt ist die Taxan-Kombination deutlich besser wirksam als die frühere Therapie mit Cisplatin plus Cyclophosphamid. Bislang gibt es keine Daten, ob eine Dosissteigerung, die Therapieverlängerung über sechs Zyklen hinaus oder die Zugabe einer weiteren Substanz, zum Beispiel von Epirubicin, Topotecan oder Gemcitabin, die Effektivität steigern können. Eine neoadjuvante Chemotherapie, also die Zytostatika-Gabe vor der Operation, sei nur in Studien vertretbar, sagte Schmalfeldt.
Therapiequalität entscheidet
Entscheidend für ein möglichst langes Überleben ist die Kombination einer »State-of-the-art«-Operation mit einer »State-of-the-art«-Chemotherapie, heißt es in der neuen Leitlinie. Wenn eine Therapiesäule nicht optimal gelingt, könne dies nicht mehr wettgemacht werden, betonte Professor Dr. Andreas du Bois von der Gynäkologischen Klinik der Dr. Horst Schmidt-Klinik in Wiesbaden. »Die Therapiequalität ist gleich nach dem Tumorstadium der zweitwichtigste Faktor für die Prognose.«
In der Praxis werden aber nicht alle Frauen optimal versorgt, wie eine Erhebung der AGO-Ovar ergab. Die Studiengruppe fragte bei deutschen Kliniken nach den Daten der im dritten Quartal 2001 neu an Ovarialkarzinom erkrankten Frauen. Aus dem Rücklauf konnten 476 Frauen, das heißt etwa ein Drittel aller Patientinnen, erfasst und über drei Jahre nachverfolgt werden.
Nur zwei Drittel der Frauen mit einem Krebs im Frühstadium erhielten eine Platin-Therapie, die zudem häufig unvollständig war, berichtete du Bois. Hinsichtlich Operation und Chemotherapie waren 65 Prozent untertherapiert, was das Überleben massiv beeinträchtigte.
Etwas besser war das Ergebnis für Frauen mit fortgeschrittenem Karzinom. Bei einem Drittel gelang es den Operateuren, den Tumor vollständig zu entfernen. Anschließend erhielten 75 Prozent die Standardchemotherapie. Gemessen am gültigen Standard verliefen Operation und Chemotherapie bei 4 von 10 Frauen optimal. Ein Teil der Patientinnen war bereits zu krank für das volle Therapieprogramm.
Da die Qualität der Behandlung entscheidend ist für das Überleben, sollte sich jeder beratende Arzt und jede Patientin fragen, wo sie optimal versorgt wird, meinte du Bois. Dies hänge nicht immer mit der Größe der Klinik zusammen. Der Gang in spezialisierte Zentren oder die Aufnahme in eine Studiengruppe hätten sich aber als vorteilhaft erwiesen. Nach den Daten der AGO-Ovar überlebten Frauen, die in Studienkliniken behandelt wurden, in der Regel länger als Frauen in anderen Institutionen.
Rezidive sind häufig
Ein Eierstockkrebs verläuft oft dramatisch. In den fortgeschrittenen Stadien erleiden 75 Prozent der Patientinnen auch nach ursprünglich erfolgreicher Behandlung ein Rezidiv. Nur ein Viertel bleibt dauerhaft tumorfrei.
Schreitet die Krankheit schon während der Chemotherapie fort oder tritt innerhalb von sechs Monaten nach deren Abschluss ein Rezidiv auf (bei 20 Prozent der Frauen), spricht man von Platin-refraktären Tumoren, erklärte Professor Dr. Jacobus Pfisterer von der Uniklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Kiel. Die Therapiemöglichkeiten sind dann sehr begrenzt, zumal eine erneute Operation nicht sinnvoll ist. Eine Monotherapie mit Anthrazyklinen, Gemcitabin, Vinorelbin oder Topotecan ist nur begrenzt wirksam. Eine Kombitherapie bringt keinen Vorteil.
Bessere Chancen haben Frauen mit Platin-sensiblem Tumor, das heißt, dass ein Rezidiv frühestens nach sechs oder mehr Monaten nach Abschluss einer zunächst erfolgreichen First-line-Therapie auftritt. Die Frauen können erneut operiert werden und eine Kombitherapie erhalten. Dabei wird Carboplatin mit Paclitaxel oder Gemcitabin kombiniert. Welches Schema geeignet ist, hänge maßgeblich von den Nebenwirkungen ab, sagte Pfisterer. Viele Patientinnen erleiden unter Paclitaxel neurotoxische Schäden, die lange anhalten können, und bei fast allen fallen die Haare aus. In beiderlei Hinsicht schneidet Gemcitabin besser ab, es wirkt jedoch hämatotoxisch. Außerdem muss die Gemcitabin-Carboplatin-Therapie am ersten und achten Tag innerhalb des dreiwöchigen Zyklus infundiert werden, während die Frauen bei der Taxan-Kombi nur einmal in drei Wochen zum Onkologen müssen.
Therapiealternative in Prüfung
Möglicherweise bietet pegyliertes liposomales Doxorubicin eine Alternative als Kombipartner für Carboplatin. In einer Phase-II-Studie sprachen 65 von 105 Patientinnen darauf an und überlebten im Mittel 36 Monate. Ob die neue Kombination bei vertretbaren Nebenwirkungen ebenso wirksam ist wie die etablierten Regime, wird jetzt in einer weiteren Studie geprüft, berichtete Pfisterer. Vorteil für die Frauen: Die experimentelle Therapie wird einmal innerhalb von vier Wochen gegeben. Die Calypso-Studie soll weltweit 560 Patientinnen einschließen und ist gerade angelaufen.
Mehr Wissen über Eierstockkrebs Die Organkommission Ovar ist Teil der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), die eine selbstständige Untergliederung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ist. Die AGO-Ovar wurde Ende der 1990er-Jahre gegründet und befasst sich mit klinischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Anliegen aus den Bereichen Ovarialtumoren und Tumoren der Tube (Eileiter). Sie will gemeinsam mit benachbarten klinischen und theoretischen Fach- und Grundlagendisziplinen sowie mit den Patientinnen die Krebserkrankungen des Ovars und der Tube erforschen und Maßnahmen koordinieren (www.ago-ovar.de).
Die AGO-Ovar bietet unter www.eierstock-krebs.de Informationen für Patientinnen sowie eine Liste von Frauenkliniken an, die an Qualitätssicherungsprogrammen und an Studien teilnehmen. Nach Aussagen von Studienleiter Professor Dr. Andreas du Bois nehmen derzeit etwa 300 Kliniken in Deutschland an Studien teil, damit sei das Netz flächendeckend.
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