Pharmazeutische Zeitung online

Antibiotika als Tandem

31.05.2004  00:00 Uhr
Streptogramine

Antibiotika als Tandem

von Hannelore Gießen, München

Die Kombination aus den Streptograminen Dalfopristin und Quinupristin wird als Reserveantibiotikum gegen schwerste Infektionen eingesetzt. Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft klärten jetzt den Mechanismus auf, mit dem die beiden Komponenten die Proteinsynthese von Bakterien blockieren und so die Mikroorganismen abtöten.

Streptogramine bestehen aus zwei chemisch nicht verwandten Komponenten, die üblicherweise als Streptogramine A und B bezeichnet werden. Auf Grund ihrer synergistischen Wirkung können die beiden Komponenten wechselseitig ihre Wirkung potenzieren und sind dadurch sogar in der Lage, weitgehend resistente Erreger zu eliminieren. Jedes der beiden Antibiotika wirkt für sich allein bakteriostatisch, zusammen erzielen sie jedoch einen bakteriziden Effekt. Unter dem Namen Synercid® steht seit vier Jahren eine 30:70-Mischung der Streptogramine A (Dalfopristin) und B (Quinupristin) für die Therapie schwerer Infektionen durch grampositive wie gramnegative Erreger zur Verfügung.

Den Weg versperren

Dass Streptogramine an unterschiedlichen Stellen des bakteriellen Ribosoms, der Eiweißfabrik der Zelle, binden, war bereits bekannt. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Ribosomenstruktur der Max-Planck-Gesellschaft am DESY in Hamburg klärten jetzt den Blockierungsmechanismus auf, mit dem Dalfopristin und Quinupristin, die Proteinsynthese von Bakterien blockieren und diese damit abtöten (BMC Biology 2004, 2:4, 1 April 2004).

 

Eiweiße am laufenden Band Bei der Translation übersetzt die Zelle die genetische Information und baut nach dieser Anweisung ein Protein auf. Die genetische Botschaft besteht aus einer Folge von Basentripletts, den Codons, und Messenger-RNA (m-RNA). Als Adapter zwischen RNA-Codons und Aminosäure fungiert die Transfer-RNA (t-RNA), die Aminosäuren aus dem Cytoplasma zum Ribosom transportiert und dort mit der m-RNA verknüpft.

Ribosomen gliedern sich in eine große sowie eine kleine Untereinheit, zwischen denen die m-RNA während der Proteinsynthese hindurchgleitet wird. Ihre Struktur spiegelt ihre Funktion wider: Sie bringen m-RNA mit Aminosäure-beladener t-RNA zusammen. Neben einer Bindungsstelle für m-RNA hat jedes Ribosom deshalb zwei Bindungsstellen für t-RNAs. Die P-Stelle (Peptidyl-t-RNA) bindet die t-RNA mit der wachsenden Polypeptidkette, während die A-Stelle (Aminoacyl-t-RNA) diejenige t-RNA aufnimmt, welche die neu anzuknüpfende Aminosäure anliefert. Wie eine Klammer hält das Ribosom die t-RNA- und m-RNA-Moleküle eng beieinander und katalysiert das Anheften einer Aminosäure an die freie Carboxylgruppe der wachsenden Polypeptidkette.

Diese Proteinbiosynthese funktioniert im Prinzip in bakteriellen, pflanzlichen und tierischen Zellen gleich. Allerdings unterscheiden sich die Ribosomen in Größe und Zusammensetzung, so dass prokaryotische Ribosomen durch Antibiotika in ihrer Funktion gehemmt werden können, ohne die Proteinsynthese der eukaryotischen Zelle zu beeinträchtigen.

 

Die beiden Antibiotika ergänzen sich sowohl in ihrer Wirkungsweise als auch in ihrem Bindungsort am mikrobiellen Ribosom: Quinupristin, die Streptogramin-B-Komponente, bindet wie Erythromycin oder Roxithromycin am Eingang des ribosomalen Tunnels, so dass dort nur noch sehr kurze Polypeptidketten hergestellt werden könnten. Doch dazu kommt es im Fall des Kombinationsantibiotikums gar nicht mehr.

Vom Nachschub abschneiden

Dalfopristin, die Streptogramin-A-Komponente, dockt direkt im aktiven Zentrum der großen ribosomalen Untereinheit an und blockiert sowohl die A- als auch die P-Bindungsstelle, sodass t-RNA-Moleküle, die mit Aminosäuren beladen aus dem Cytosol ankommen, nicht mehr binden können.

Beide Streptogramine beeinflussen dabei ein einziges Nukleotid im aktiven Zentrum, das daraufhin eine andere Konformation einnimmt. Diese Änderung der räumlichen Struktur ist hauptverantwortlich für die bakterizide Wirkung der Streptogramine sowie für die langfristige Hemmung der Proteinsynthese.

Blockade durch Strukturänderung

Die Wissenschaftler untersuchten die Wirkungsweise der Streptogramine anhand der Kristallstruktur eines Ribosoms des Bakteriums Deinococcus radiodurans. Sie beobachteten die native Struktur sowie die Veränderungen, die unter dem Einfluss von Quinupristin und Dalfopristin eintraten. Bei dieser Strukturanalyse zeigte sich, dass an der synergistischen Wirkung der beiden Streptogramine auch noch eine weitere räumliche Konformationsänderung beteiligt ist: Eine bestimmte ribosomale RNA-Base wird unter der Wirkung von Dalfopristin um 180 Grad geklappt und kann in der neuen Position Wasserstoffbrücken zu zwei weiteren Nukleotiden ausbilden. Durch die geänderte räumliche Anordnung verliert das Ribosom seine biochemische Aktivität und ist nicht mehr in der Lage, Peptidketten zu bilden. Der bakteriellen Zelle fehlt der Nachschub und sie stirbt ab. Das Ribosom bleibt auch dann noch inaktiviert, wenn das Streptogramin A schon nicht mehr gebunden ist.

Die Forscher erhoffen sich von diesen neuen Kenntnissen, dringend benötigte neue Antibiotika zu entwickeln, oder zumindest die bereits vorhandenen in ihrer Wirkung gegen resistente Erreger zu verbessern können.

Quelle: BMC Biology (2004) 2:4, 1.4.2004). Top

© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa