Pharmazeutische Zeitung online

MS-Forscher erarbeiten einheitliche Therapierichtlinien

17.05.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

MS-Forscher erarbeiten einheitliche Therapierichtlinien

von Elke Wolf, Frankfurt am Main

Erstmals existiert für den deutschsprachigen Raum ein einheitliches Stufenschema zur immunmodulatorischen Therapie der Multiplen Sklerose. MS-Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz definieren darin nicht nur eine Basistherapie und nennen Optionen für eine Therapie-Eskalation, sondern bewerten und vergleichen im Gegensatz zu bisherigen Empfehlungen darin auch die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten.

Das Konsenspapier berücksichtige zudem nicht nur die Substanzen mit gesicherter Wirksamkeit, erklärte Professor Dr. Klaus Toyka, Neurologische Universitätsklinik, Würzburg. Es beinhalte auch Arzneistoffe, bei denen die Datenlage spärlicher sei. Deshalb habe man die Substanzen abhängig von ihrer Datenlage und gesicherten Wirksamkeit in drei Stufen eingeteilt.

Nach dem Schema ist die hochdosierte intravenöse Corticoid-Pulstherapie die Maßnahme der Wahl bei der Behandlung eines Schubs. Als Basistherapie werden vorrangig die b-Interferone genannt, die möglichst früh nach Diagnose bei aktivem Verlauf eingesetzt werden sollten. Nach dem bisher vorliegenden Erkenntnissen gibt es grundsätzlich keine qualitativen Unterschiede der beiden Interferone, so die Experten. Alternativ kommen auch die Substanzen Azathioprin, Immunglobulin G und Glatiramer (Copolymer-1) in Frage. Mitoxantron oder eventuell Cyclophosphamid sind dann bei Krankheitsprogression indiziert. Stabilisiert sich die degenerative Erkrankung über mindestens ein halbes Jahr, kann auf einen Arzneistoff der Basistherapie umgestellt werden.

Für den Einsatz anderer Substanzen in der immunprophylaktischen MS-Behandlung gibt es anhand der vorliegenden Studien keine hinreichend positiven Ergebnisse, die den Einsatz bei der MS-Therapie rechtfertigen würden, sagte Toyka. Das gilt für folgende Substanzen: Cladribin, Cyclosporin A, Linomid, 15-Desoxyspergualin, orales Myelin, Enzymtherapie oder Phosphodiesterase-Inhibitoren wie Pentoxifyllin.

Die bisherige Situation sei von Unsicherheit geprägt, sagte Toyka. Die Behandlungsoptionen haben sich zwar besonders in den letzten fünf Jahren deutlich gebessert. Aber  innovative Präparate würden im deutschsprachigen Raum nur selten eingesetzt. In Deutschland gibt es derzeit rund 120.000 MS-Patienten, davon 72.000 mit einem schubförmigen Verlauf. Aber nur 8500 von 43.000 mit schubförmiger remittierender MS und 2000 von 29.000 mit sekundär progredienter MS werden nach Schätzungen tatsächlich immunmodulatorisch behandelt. Das sind maximal zehn bis zwanzig Prozent der Patienten.

Toyka machte hierfür vor allem Einschränkungen des Praxisbudgets und die Furcht vor Regreßforderungen verantwortlich. Hinzu kommen nach seinen Ausführungen auch gegenteilige Informationen zur Effektivität der neu zugelassenen, teuren Präparate. Hier könne nun das Konsenspapier Abhilfe schaffen.

Momentan sind für die Behandlung der schubförmigen Verlaufsform in Europa Interferon b-1b(Betaferon®) sowie Interferon b-1a (Avonex®, Rebif®) zugelassen. Seit kurzem besitzt Interferon b-1b auch eine Zulassung für die sekundär chronisch progrediente Verlaufsform der MS: Andere Substanzen wie Mitoxantron, Cyclophosphamid oder Glatiramer werden bei bestimmten Indikationsstellungen auch ohne spezielle Zulassung für die MS in unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt. Glatirameracetat (Copaxone) wird voraussichtlich demnächst zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen. Azathioprin (zum Beispiel Imurek®) ist das am längsten eingesetzte, aber nie spezifisch für die MS zugelassenen Immunsuppressivum.

Wenn die Nerven blank liegen

Die Ursache der neurologischen Beeinträchtigung bei der MS liegt daran, daß die Reize im Zentralen Nervensystem (ZNS) des Erkrankten nicht weitergeleitet werden. Dabei wird die Markscheide, das Myelin, das die Nervenfasern des ZNS umhüllt und isoliert, vom Immunsystem angegriffen und zerstört. Schreitet die Krankheit voran, entstehen immer mehr dieser zunächst nur vereinzelt auftretenden Entmarkungsherde (Läsionen). Wenn lebenswichtige Teile des ZNS geschädigt werden, kann die fehlende Isolierung zum Tode führen. Ältere Läsionen werden durch festes Narbengewebe überwachsen, das nicht in der Lage ist, elektrische Nervensignale weiterzuleiten. Von der großen Zahl dieser Narben (Sklerosen) stammt der Name Multiple Sklerose. In der Folge kann es zu Störungen der Bewegungsabläufe und Spasmen, zu Taubheitsgefühlen und Störungen des Seh- und Sprachvermögens kommen. MS bricht plötzlich - meist zwischen dem zwanzigsten und vierzigsten Lebensjahr - aus, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.

  Top

© 1999 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa