ASS beugt Darmkrebs vor |
28.04.2003 00:00 Uhr |
In den USA und anderen westlichen Ländern gehört der Darmkrebs zu den häufigsten Krebserkrankungen. Umso interessanter erscheinen neueste Forschungen, die einen präventiven Effekt von niedrig dosiertem ASS auf die Entstehung von kolorektalen Adenomen, einer Vorstufe des Darmkrebses, belegen.
Schon seit langem suchen Mediziner und Pharmakologen nach Möglichkeiten, Darmkrebserkrankungen nicht nur wirksam zu behandeln, sondern auf einer möglichst frühen Entwicklungsstufe zu stoppen oder gar ihre Entstehung zu verhindern. Nachdem man im Gewebe von kolorektalen Krebswucherungen das Enzym Cyclooxygenase-2 (COX-2) gefunden hatte, lag der Einsatz von Hemmstoffen dieses Enzyms nahe (1). In den bisher vorliegenden prospektiven und retrospektiven Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass Vertreter der Gruppe der Nichtsteroidalen-Antirheumatika (NSAR oder NSAID) das Risiko für kolorektale Neoplasien zwischen 40 und 50 Prozent senken können.
Für zwei Vertreter, dem selektiven COX-2-Hemmer Celecoxib und dem Indenylessigsäure-Derivat Sulindac, gelang der Nachweis auch in randomisierten Studien (2, 3). So ist Celecoxib (Celebrex®) in den USA seit Dezember 1999 zur Behandlung der Familiären Adenomatösen Polyposis (FAP) zugelassen. Patienten mit dieser seltenen Erbkrankheit entwickeln schon im Jugendalter eine große Zahl von Polypen im Dickdarm. Unbehandelt erkranken die Betroffenen mit spätestens 40 bis 50 Jahren an einem Kolonkarzinom.
Die Arbeitsgruppe um Robert S. Sandler von der Universität North Carolina untersuchte in den letzten Jahren den protektiven Effekt von ASS bei Patienten, die in ihrer Vorgeschichte bereits erfolgreich gegen Kolonkrebs behandelt wurden (4). Die 635 Teilnehmer der doppelblinden, randomisierten Studie erhielten entweder täglich 325 mg ASS oder Placebo. Die auf mehrere Jahre angelegte Studie wurde nach 2,5 Jahren vorzeitig auf Grund des positiven Ergebnisses abgebrochen: In der ASS-Gruppe entwickelten nur 17 Prozent, in der Placebogruppe dagegen 27 Prozent ein oder mehrere Adenome. Somit gelang der statistisch signifikante Nachweis, dass ASS sowohl die Anzahl als auch die Entwicklung von kolorektalen Adenomen vermindern kann.
Vorstufe als Endpunkt
Dass als Endpunkt für die Studie nicht ein nachgewiesener Darmkrebs selbst, sondern dessen Vorstufe, das Adenom, genommen wurde, liegt zum einen an forschungspraktischen Gründen (Studienlänge und Anzahl der Versuchsteilnehmer), zum anderen aber auch an der strengen Evidenz, mit der sich aus einem Adenom ein Krebs entwickelt. Laut der Forscher sei dennoch auch nach diesen positiven Ergebnissen nach wie vor die wichtigste Maßnahme für Patienten mit einer Darmkrebs- oder Polypenoperation die Darmspiegelung.
In einer anschließenden Dosis-Findungsstudie, in der die Prostaglandin E2-Menge in der rektalen Mukosa als biologischer Marker bestimmt wurde, erwies sich hinsichtlich der PG-E2-Hemmung die tägliche Dosis von 81 mg ASS als ebenso wirksam wie höhere Dosen (5). In einer zweiten, doppelblinden, randomisierten Studie zeigte sich überraschenderweise ein signifikanter Effekt für die 81 mg Tagesdosis, nicht jedoch für die 325 mg Tagesdosis. Die Forscher um John A. Baron vom Dartmouth-Hitchcock Medical Center in Lebanon bildeten mit ihren 1121 Versuchsteilnehmern drei Gruppen: die erste erhielt Placebo, die zweite 325 mg ASS und die dritte 81 mg ASS (6). Bei den Studienteilnehmern waren Darmpolypen, aber noch keine Karzinogene nachgewesen worden. Die Ergebnisse von Baron zeigen einen moderaten, aber signifikanten Effekt: In der Placebogruppe entwickelten 47 Prozent ein oder mehrer Adenome, in der mit 325 mg ASS-Behandelten 45 Prozent und in der Gruppe mit täglich 81 mg ASS lediglich 38 Prozent. Somit konnte mit täglich 81 mg ASS das relative Risiko für eine adenomatöse Neoplasie um 19 Prozent gesenkt werden.
Fragezeichen hinter Mechanismen
Die Mechanismen der protektiven ASS-Wirkungen sind nicht vollständig bekannt. Sicherlich spielt die bereits erwähnte Hemmung der Cyclooxygenase-2 eine Rolle, wenngleich ASS in der geringen Dosierung auf diese Isoform nur einen geringen Einfluss hat. Die Forscher vermuten, dass ASS vor allem in späteren Stadien der Abfolge vom Adenom zum Krebs schützend wirkt. Da einige Prostaglandine auch antineoplastische Effekte aufweisen, scheint auch von daher eine exzessive Blockade der Prostanoide durch hohe Dosen von ASS eher kontraproduktiv. Dies könnte, neben der Patientenauswahl und zufälligen Einflüssen, ein Hinweis sein, warum die präventive Wirkung von 81 mg ASS signifikant stärker ist als mit höheren Dosen.
Nachdem es bislang nicht möglich ist, Darmkrebs mit Diäten, antioxidativen Vitaminen, Low-Fat-Ernährung oder Nahrungsergänzungsmitteln mit hohem Ballaststoffanteil zu verhindern (7, 8, 9), und es nur für eine gesteigerte Calciumzufuhr einige Belege gibt (10), muss die Frage nach der Primärprophylaxe kolorektaler Adenome und Krebserkrankungen noch offen bleiben. Diese Frage kann nur durch weitere klinische Studien beantwortet werden. Sicherlich sind die vorliegenden Daten aus den beiden Studien viel versprechend, ersetzten aber zurzeit nicht die regelmäßigen Vorsorge-Untersuchungen.
Literatur
© 2003 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de