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Warzen mit gezielter Entzündung bekämpfen

21.04.2003  00:00 Uhr
TLR-Liganden

Warzen mit gezielter Entzündung bekämpfen

von Brigitte M. Gensthaler, Bonn

Seit wenigen Jahren werden Toll-like-Rezeptoren beim Menschen erforscht. Diese erkennen Molekülmuster auf der Oberfläche von Bakterien und leiten Alarmsignale in die Zelle weiter. Daraus resultiert eine Entzündung. Das Prinzip wird bereits in der Lokaltherapie von Hautkrankheiten genutzt.

Heute gilt als gesichert, dass die Toll-like-Rezeptoren (TLR) eine zentrale Rolle bei der angeborenen Makrophagen/Monozyten-vermittelten Immunität und einer damit verbundenen Aktivierung der antigenspezifischen Immunantwort spielen. Die Rezeptoren binden unterschiedliche Virulenzfaktoren auf der Oberfläche von Bakterien und lösen „Alarm“ aus. Zu ihren Liganden zählen Lipoproteine, Peptidoglykane, Lipopolysaccharide (LPS; Endotoxine), Proteine, aber auch Cytosin-Guanosin-(CpG)-reiche Sequenzen, die typisch für bakterielle DNA sind. Auffällig ist, dass die Rezeptoren nicht nur wie Antikörper ganz spezifische Strukturen erkennen, sondern eher Muster von Molekülen, erklärte Professor Dr. Wolfgang Sterry von der Klinik für Dermatologie an der Charité Berlin beim Dermopharmazie-Kongress Anfang April in Bonn.

Der transmembranäre Rezeptor „Toll“ in der Fruchtfliege Drosophila gab der seit wenigen Jahren bekannten Rezeptorfamilie ihren Namen. Bei der Fliege spielt Toll sowohl bei der Embryogenese als auch bei der angeborenen Immunantwort eine entscheidende Rolle. Charakteristisch für die Rezeptoren ist eine extrazelluläre Domäne aus sich wiederholenden leucinreichen Regionen und eine Domäne im Zytoplasma, die eine starke Homologie zu bestimmten Interleukin-1-(IL-1)-Rezeptoren zeigt. Derzeit sind neun bis zehn verschiedene Mitglieder der TLR-Familie beim Menschen identifiziert.

Relativ gut erforscht sind die Signalprozesse, die durch TRL-2 und -4 ausgelöst werden. Typ 4 ist der wesentliche Rezeptor für die Erkennung und Signaltransduktion von LPS (gramnegative Virulenzfaktoren), während sich Zellwandbestandteile von grampositiven Bakterien eher an TLR-2 anheften. Nach Bindung des Liganden bildet sich ein TLR-4/CD14-Rezeptorkomplex, der in der Zelle einen Signalprozess anstößt, der dem nach Aktivierung des IL-1-Rezeptors ähnelt. Über die Aktivierung von NF-kB werden letztlich vermehrt proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor (TNF)-a und IL-1 gebildet und ausgeschüttet. Dies aktiviert Makrophagen und lockt Lymphozyten und Granulozyten an.

Imiquimod stößt Entzündung an

TLR werden ubiquitär auf Zellen oder organspezifisch exprimiert, erklärte Sterry. Während TLR-1 allgemein vorkommt und bakterielle Lipoproteine erkennt, werden die Rezeptortypen 7 und 8 auf dendritischen Zellen exprimiert. Imidazochinoline wie Imiquimod sollen an diese Subtypen binden und dadurch eine lang anhaltende Zytokinproduktion initiieren. „Damit wird gezielt eine massive Entzündung angestoßen.“

Das Prinzip funktioniert auch bei virusinduzierten Warzen. Seit einigen Jahren ist eine Imiquimod-Creme zugelassen zur Lokaltherapie äußerlicher Feigwarzen (Condylomata acuminata) im Genital- und Perianalbereich. Die Creme wird dreimal wöchentlich auf die Warzen aufgetragen, bis diese verschwunden sind (maximal 16 Wochen). Der Arzneistoff wirkt nicht selbst antiviral, sondern aktiviert das Immunsystem, das eine starke Entzündung auslöst. Die Induktion von TNF-a und anderen Zytokinen wurde in klinischen Studien nachgewiesen.

Studien hätten jetzt gezeigt, dass Imiquimod auch bei oberflächlichen Basaliomen und Präkanzerosen hilfreich ist, berichtete der Mediziner. Nach einer zehnwöchigen Lokaltherapie mit einer 5-prozentigen Creme seien aktinische Keratosen verschwunden. Wichtig ist allerdings, dass die Patienten vorab über die – erwünschten – starken Hautreaktionen aufgeklärt werden.

Breites Einsatzgebiet

Einen weiteren therapeutischen Ansatz bieten CpG-reiche Oligonukleotide, die ebenfalls die Immunantwort anstoßen. Diese Sequenzen simulieren bakterielle DNA und übermitteln nach Bindung an den TRL-9 ein „Gefahr“-Signal an Säugetierzellen. In ersten versuchen wurden CpG-Oligonukleotide intrafokal in Hauttumoren injiziert und induzierten dort eine Regression, sagte Sterry in Bonn. Außerdem seien sie gute Adjuvantien in Impfstoffen. Daher würden sie bereits Hepatitis-B-Impfstoffen für Orang-Utans zugesetzt und auch bei humanen Hepatitis-B-Vakzinen geprüft.

Für Toll-like-Rezeptorliganden sieht Sterry künftig ein breites Einsatzgebiet in und jenseits der Dermatologie. Geforscht wird beispielsweise an den Mechanismen, die bei einer grampositiven oder -negativen Sepsis eine Rolle spielen. Denn eine Überproduktion von TNF-a und anderen Entzündungsmediatoren bei schweren Infektionen kann zu septischem Schock und Multiorganversagen führen. An diesen Komplikationen sterben trotz Intensivmaßnahmen nach wie vor viele Patienten. Top

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