Protein C sorgt für reibungslose Mikrozirkulation |
22.04.2002 00:00 Uhr |
von Elke Wolf, Rödermark
Seit lebensbedrohliche Blutgerinnungsstörungen infolge eines Protein-C-Mangels dokumentiert werden, gilt das Eiweiß als Schlüsselkomponente in der Modulation der Thrombogenese. Eine rechtzeitige Substitution dieses Enzyms scheint viele Patienten vor dem sicheren Tod bewahren zu können.
Ein Protein-C-Defizit kann angeboren oder erworben sein. Schwerer angeborener Protein-C-Mangel ist eine seltene Krankheit, die nur eines von 200.000 Neugeborenen trifft. Die Symptome können sich in den ersten Lebenstagen aber auch erst im jungen Erwachsenenalter bemerkbar machen. Sowohl der homozygote als auch der heterozygote Defekt ist klinisch relevant. Während der Schwangerschaft können beide Fehlgeburten beziehungsweise intrauterine fetale Thrombosen nach sich ziehen.
Beim erworbenen Protein-C-Mangel ist dagegen entweder die Synthese des gerinnungshemmenden Enzyms gestört wie etwa bei Lebererkrankungen, oder der Verbrauch an Protein C wird durch eine bakterielle Sepsis - zum Beispiel nach einer Meningokokken-Infektion - extrem in die Höhe geschraubt. Die Werte an zirkulierendem Protein C bewegen sich auf ähnlich niedrigem Niveau wie die Werte von Patienten mit angeborenem Protein-C-Mangel.
Welche Funktion aber kommt Protein C im Organismus zu? Es ist als Bestandteil des Blutplasmas ein Vitamin-K-abhängiger inaktiver Vorläufer von aktiviertem Protein C, einem der wichtigsten Hemmstoffe der Gerinnungskaskade überhaupt. Die Umwandlung wird durch einen Komplex zwischen Thrombin und Thrombomodulin, einem Rezeptorprotein auf der Oberfläche des Endothels, katalysiert.
Wenn dieses Enzym fehlt, können Mikrothromben die Durchblutung wichtiger Organe behindern. Je nach Lokalisation führt dies zu Nierenschäden, hämorrhagischen Magengeschwüren, Erblindung wegen Thrombosen in Retina und Glaskörper oder Schäden in Leber, Lunge und Gehirn. Bei der so genannten Purpura fulminans (hämorrhagische Hautnekrose) werden Blutgerinnsel in den kleinen Kapillaren der Hautgefäße beobachtet. Der Schweregrad der Symptome korreliert mit dem Ausmaß des Protein-C-Mangels. Schwere klinische Symptome sind bei Protein-C-Spiegeln unter 20 bis 25 Prozent zu erwarten. Wird hier nicht innerhalb weniger Stunden mit Protein-C-Konzentraten interveniert, stirbt das Gewebe ab. Amputationen bis hin zu Multi-Organversagen und Tod sind die traurigen Konsequenzen.
Protein C wirkt dreifach
Nach heutigem Kenntnisstand tragen mindestens drei Funktionen von Protein C beziehungsweise seines aktivierten Schwesterenzyms zu einem schützenden Effekt bei. Erstens fungiert es als Gerinnungshemmer, indem es die zwei Faktoren Va und VIIIa inaktiviert. Zweitens hält es Entzündungen im Zaum, da es die proinflammatorischen Zytokine Interleukin 1 und 6 sowie den Tumornekrosefaktor a hemmt. Und drittens unterstützt es die Fibrinolyse, so dass bei rechtzeitigem Einsatz die Fibrinablagerungen durch eine Purpura fulminans in kurzer Zeit wieder aufgelöst und Nekrosen vermieden werden. Diese Wirkkomponente lässt sich dadurch erklären, dass Protein C die Konzentration des Fibrinolyse-Hemmers Plasminogenaktivator-Inhibitor 1 (PAI-1) - des wichtigsten Gegenspielers von Gewebe-Plasminogenaktivator - senkt. Protein C kann aber auch die Thrombinbildung herabschrauben.
Seit November vergangenen Jahres ist ein humanes Protein-C-Konzentrat (Ceprotin® von Baxter) zur Substitutionstherapie für Patienten mit angeborenem Protein-C-Mangel zugelassen. Für Patienten mit erworbenen Mangelzuständen sieht es derzeit aber noch mau aus. Baxter will zwar in Zukunft auch klinische Studien für diese Indikation starten, bisher existieren jedoch nur wenige Untersuchungen mit kleiner Patientenzahl, darunter zwei offene Studien mit Sepsis-Patienten und Meningokokken-Infizierten.
Sepsis bei den Jüngsten
Bei einer Sepsis ist die Protein-C-Aktivität im Plasma im Vergleich zu anderen Gerinnungsfaktoren stark reduziert. Das wirkt sich direkt auf die Überlebenschancen aus. Neu- und Frühgeborene sind besonders gefährdet, denn ihr Endothel und Gerinnungssystem ist noch nicht vollständig ausgeprägt. Weil ihre physiologischen Protein-C-Spiegel im Vergleich zu älteren Menschen deutlich niedriger liegen, sinkt bei der Sepsis der Frühchens die Protein-C-Plasma-Aktivität rasch auf unter 10 Prozent. Frühgeborene zeigen daher auch bei einer Sepsis, die zum Beispiel durch Enterobakterien oder Staphylokokken ausgelöst wurde, eine ausgeprägte Thrombosierung der Mikrozirkulation mit dem Bild einer Purpura fulminans.
Ausgebremst Bei einer schweren Sepsis wird vermehrt Thrombin ausgestoßen. Das ist seit langem bekannt. Relativ neu ist die Erkenntnis, dass Thrombin eine Entzündung unterhält, indem es die Expression von Adhäsionsmolekülen und Entzündungserregern wie dem thrombozytenaktivierenden Faktor erhöht. Die Entzündung ihrerseits fördert die Blutgerinnung, indem sie Antikoagulantien wie Thrombomodulin herunter- und gleichzeitig Prokoagulantien wie den Gewebefaktor und Fibrinolyse-Inhibitoren (zum Beispiel PAI-1) hochreguliert. Dieses Wechselspiel zwischen Blutgerinnung und Entzündung würde ohne Kontrollmaßnahmen aus dem Ruder laufen, das heißt, Organversagen oder Tod wären die unausweichliche Folge.
Der Protein-C-Aktivierungsweg ist gut geeignet, diese sich aufschaukelnden Prozesse zu bremsen und zu kontrollieren, weil er sowohl Entzündungsreaktionen als auch die Blutgerinnung hemmt.
Auf der Kinderintensivstation der Uniklinik in Frankfurt behandelten Mediziner im Rahmen klinischer Untersuchungen sieben Frühchen mit einem mittleren Gestationsalter von 30 Wochen mit humanem Protein-C-Konzentrat. Bei ihnen wurde zuvor ein septischer Schock zwischen dem zweiten und 21. Lebenstag diagnostiziert. Fünf der kleinen Patienten entwickelten eine Purpura fulminans. Durchschnittlich substituierten die Ärzte 32 Tage lang. Die tatsächlichen Werte schwankten allerdings zwischen 17 und 100 Tage. Dank der Substitution überlebten alle Neugeborenen und die Purpura fulminans ging beträchtlich zurück.
Meningokokken-Infektion eindämmen
In Industrienationen ist die Meningokokkämie zwar eine Rarität, in Entwicklungsländern erkranken jedoch 10 bis 25 von 100.000 Menschen. Dort sind auch endemische Ausbrüche keine Seltenheit, wie zum Beispiel 1996 in Afrika mit bis zu 16 000 Todesopfern. Bei der Behandlung sind den Medizinern bislang weitgehend die Hände gebunden. Selbst in Industrienationen liegt die Mortalitätsrate der fulminanten Meningokokken-Sepsis, bei der der Patient mit septischem Schock und Purpura fulminans eingewiesen wird, zwischen 30 und 50 Prozent. Ein Drittel davon verstirbt innerhalb der ersten drei Stunden im Krankenhaus, ein weiteres Drittel innerhalb der ersten zwölf Stunden. Patienten, die die akute Phase der Krankheit überleben, sind oft verstümmelt.
Auch bei dieser Indikation sammelte die Universitätskinderklinik Frankfurt Erfahrungen mit der Protein-C-Substitutionstherapie. Die Mediziner behandelten acht Patienten im Alter zwischen zwei Monaten und 18 Jahren, die unter einer Meningokokken-induziertem septischem Schock und Purpura fulminans litten, mit Protein-C-Konzentrat. Die Mediziner begannen die Substitutionstherapie mit einem Bolus, gefolgt von bis zu sechs Infusionen pro Tag. Nach der ersten Behandlung stiegen die Protein-C-Werte in den normalen Bereich und konnten in der Folge auf diesem Niveau gehalten werden. Die vor der Behandlung deutlich erhöhten PAI-1-Werte, die ein reduziertes fibrinolytisches Potenzial widerspiegeln, nahmen unter der Substitution rapide ab. Gleichzeitig besserten sich die Symptome der Purpura fulminans, die Größe der Hautläsionen ging zurück. Das belege den Regenerationsprozess der Mikrozirkulation, folgert der Pädiater. Sechs von acht Patienten überlebten, in einem Fall musste eine Extremität amputiert werden. Zwei Patienten verstarben an einem Multiorganversagen; beide hatten jedoch bei ihrer Einweisung extrem niedrige Protein-C-Spiegel.
Diese Ergebnisse werden von einer irischen Studie gestützt, bei der 36 Patienten im Alter zwischen drei Monaten und 72 Jahren, die an einer Meningokokkämie erkrankten, substituiert wurden. Drei von 36 Patienten starben, was sich deutlich von der vorausgesagten Mortalität zwischen 30 und 50 Prozent abhebt. Amputationen standen bei vier von 33 der überlebenden Patienten an. Durchschnittlich müssen 30 Prozent der nicht substituierten Betroffenen amputiert werden.
Obwohl keiner dieser Berichte auf einer placebokontrollierten Studie
basiert, sind die Ergebnisse bemerkenswert, weil sich in allen Fällen die
Purpura fulminans abschwächte, so das Urteil der Mediziner. Sie hoffen
nun auf klinische Studien mit größeren Patientenzahlen.
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