Sechs neue Kandidaten gingen an den Start |
02.04.2001 00:00 Uhr |
NEU AUF DEM MARKT
Gleich sechs neue Arzneistoffe ergänzen seit März das deutsche Arzneimittelsortiment. Neben zwei konjugierten Impfstoffen gegen Meningokokken und Pneumokokken sowie dem Serotoninagonisten Almotriptan steht mit Galantamin ein neuartiges Antidementivum zur Verfügung. Für Patienten mit zervikaler Dystonie gibt es nun Botulinumtoxin vom Typ B. Das Thrombolytikum Tenecteplase kann nur von Krankenhaus versorgenden Apotheken oder Klinikapotheken bezogen werden.
Almotriptan
Seit Mitte März vertreibt Bayer Vital in Deutschland ein neues Medikament gegen Migräne. Der selektive Serotoninrezeptor-Agonist Almotriptan (Almogran®) stammt ursprünglich aus der Forschungspipeline des spanischen Partnerunternehmens Almirall Prodesfarma. Die Leverkusener erwarben lediglich die Vermarktungsrechte für die Bundesrepublik. Almotriptan ist zur Therapie akuter Migränekopfschmerzen mit und ohne Aura zugelassen.
Die Strukturformel zeigt den für die Triptane charakteristischen Grundkörper. Die Substanz wirkt wie seine Vorgänger Sumatriptan und die neueren Vertreter Zolmitriptan, Naratriptan und Rizatriptan als Agonist selektiv an den Serotonin-Rezeptoren vom Typ 5-HT1B und 5-HT1D. Den genauen Wirkungsmechanismus der Triptane konnten Wissenschaftler noch nicht restlos aufklären. In-vitro-Versuche deuten darauf hin, dass die Stimulation der 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren zur Vasokonstriktion bestimmter Hirngefäße führt. Almotriptan hemmte in vitro zudem den Austritt von Plasmaproteinen aus den Duralgefäßen, ein typisches Merkmal bei entzündlichen Vorgängen in der Hirnhaut.
Die Selektivität zu den Serotonin-Rezeptoren ist bei den oben genannten Triptanen relativ ähnlich. Unterschiedliche Wirkeigenschaften resultieren vermutlich nur aus der abweichenden Pharmakokinetik. Almotriptan hat von allen peroral verfügbaren Triptanen mit 69 (25 mg) beziehungsweise 80 Prozent (12,5 mg) die höchste Bioverfügbarkeit. Dies resultiert wahrscheinlich aus der relativ stark ausgeprägten Lipophilie des Moleküls. Maximale Plasmaspiegel wurden im Vergleich zu den anderen Triptanen erst relativ spät gemessen (tmax = 2,5 bis 2,7 h). Die Halbwertszeit beträgt zwischen drei und vier Stunden.
Inzwischen liegen einige klinische Studien vor, die die Wirksamkeit von Almotriptan belegen. Der Neuling wurde in verschiedenen Untersuchungen an über 700 Patienten erprobt. Dabei bewährten sich Dosierungen von 12,5 und 25 mg. Höhere Dosen brachten keine Verbesserung. Die Schmerzlinderung setzte im Schnitt 30 Minuten nach peroraler Gabe ein. Während durchschnittlich 60 bis 70 Prozent der Probanden auf das Verum ansprachen, berichteten 30 bis 40 Prozent der Patienten aus der Placebogruppe von einem schmerzlindernden Effekt. Almotriptan linderte zudem die typischen Migränesymptome wie Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit.
Bislang wurde Almotriptan nur in einer Studie direkt mit einem anderen Triptan verglichen. Hier erwiesen sich 12,5 und 25 mg des Arzneistoffs 100 mg Sumatriptan in puncto Schmerzlinderung als ebenbürtig. Endgültig lässt sich Almotriptan in die Gruppe der Triptane noch nicht einordnen. Dazu fehlen weitere Studien, in denen die einzelnen Substanzen direkt miteinander verglichen werden.
Das Nebenwirkungsprofil von Almotriptan ähnelt dem von anderen Triptanen. Im Vergleich zu Sumatriptan führt die neue Substanz seltener zu kardiovaskulären Nebenwirkungen (Vasokonstriktion der Koronarien). Dennoch ist der Wirkstoff wie die anderen Triptane bei ischämischen Herzkrankheiten sowie schwerer Hypertonie kontraindiziert. Almotriptan wird zu 40 Prozent unverändert über die Niere ausgeschieden. Den Rest baut der Organismus überwiegend mit Hilfe des Enzyms Monoaminoxidase A ab.
Botulinumtoxin Typ B
Die extrem giftigen Toxine aus dem Bakterium Clostridium botulinum kommen heute bei verschiedenen Indikationen zum Einsatz. Der Erreger produziert sieben verschiedene Serotypen (A bis G). In der Therapie wurde bislang allerdings nur das Toxin vom Typ A genutzt. Das Unternehmen Elan Pharma hat mit NeuroBloc® jetzt ein Botulinumtoxin vom Typ B eingeführt. Der Wirkstoff ist wie das Typ-A-Präparat bei zervikaler Dystonie (Schiefhalssyndrom) indiziert. Diese Bewegungsstörung resultiert aus einer Fehlfunktion des extrapyramidalen Systems. Die Bewegungen treten unwillkürlich auf und können zu einer abnormen Haltung oder tonischen beziehungsweise phasischen Muskelkontraktionen führen.
Botulinumtoxin Typ B hemmt irreversibel die Ausschüttung des Neurotransmitters Acetylcholin aus den Vesikeln in den synaptischen Spalt und blockiert so die Impulsübertragung von Nerven auf Muskel. In der Folge wird die quergestreifte Muskulatur gelähmt. Dazu dockt zunächst die schwere Kette des Eiweißmoleküls an die Membran der Nervenzelle und ermöglicht es der leichten Kette des Proteins, in die Zelle einzudringen. Diese zinkhaltige Endoprotease, die zunächst noch umgebaut wird, unterdrückt dann die Freisetzung des Neurotransmitters.
NeuroBloc darf nur von erfahrenen Ärzten verabreicht werden. Es wird direkt in den betroffenen Muskel injiziert. Dosis und Frequenz der Injektionen müssen individuell angepasst werden. Die Wirkstärke des Toxins wird in Einheiten angegeben. NeuroBloc steht als gebrauchsfertige Lösung mit 5000 Einheiten pro ml zur Verfügung. Das Toxin darf keinesfalls in Blutgefäße gelangen.
Eine Therapie mit dem Toxin vom Typ B spricht auch bei Patienten an, die im Laufe der Zeit eine Resistenz gegen das Gift vom Typ A entwickelt haben. Das Präparat wurde in zwei klinischen Studien an knapp 200 Patienten mit zervikaler Dystonie geprüft. In die eine Untersuchung wurden nur Probanden eingeschlossen, die nicht mehr auf das Toxin vom Typ A ansprachen. In beiden Studien reduzierte Botulinumtoxin Typ B bei einer mittleren Wirkdauer von 12 bis 16 Wochen signifikant Schmerzen, Behinderung und Stärke der Muskelkontraktionen. Als Nebenwirkungen traten am häufigsten Mundtrockenheit und Dysphagien auf. Diese waren jedoch nur moderat ausgeprägt. Experten gehen davon aus, dass Patienten mit einem kürzeren Verlauf der Dystonie besser von einer Therapie profitieren.
Der behandelnde Arzt sollte berücksichtigen, dass Tage vergehen können, bis die Therapie anspricht. Eine erneute Injektion ist in der Regel nach drei bis vier Monaten erforderlich. Kürzere Abstände sollten vermieden werden, da sich die Therapie nur schwer steuern lässt und sich zudem Antikörper gegen das Toxin bilden.
Galantamin
Keine Heilung, aber einen zeitweiligen Stopp der Progression können Patienten mit Alzheimer-Demenz von einem neuen Antidementivum erhoffen. Janssen-Cilag brachte Galantamin, ein tertiäres Alkaloid aus einer Schneeglöckchen-Art, im März auf den deutschen Markt (Reminyl® Filmtabletten 4, 8 oder 12 mg; Lösung mit 4 mg/ml). Es ist zugelassen zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelgradigen Demenz vom Alzheimer-Typ.
Ähnlich wie die bereits eingeführten Antidementiva hemmt Galantamin selektiv die Acetylcholinesterase. Das Enzym, das den Botenstoff Acetylcholin (ACh) abbaut, wird kompetitiv und reversibel blockiert; damit steigt die Menge des Neurotransmitters im synaptischen Spalt. Zusätzlich verstärkt das Alkaloid - vermutlich über eine allosterische Modulation der Bindungsstelle - die intrinsische Aktivität des Botenstoffs an nicotinergen ACh-Rezeptoren. Beide Mechanismen sollen das cholinerge Defizit bei Alzheimer-Patienten ausgleichen und damit die kognitiven Fähigkeiten verbessern.
Galantamin wurde in mehreren doppelblinden Studien an etwa 3200 Patienten über drei bis sechs Monate und in zwei Follow-up-Studien über zwölf Monate getestet. Tagesdosen von 16 und 24 mg erzielten das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis. Die Wirksamkeit wurde in mehreren Skalen gemessen. Erfasst wurden die kognitiven Fähigkeiten (ADAS-cog), die grundlegenden und erweiterten Aktivitäten des täglichen Lebens und Verhaltensauffälligkeiten. Ein unabhängiger Arzt gab zudem eine globale Bewertung des klinischen Bildes ab (CIBIC-plus). Gegenüber Placebo stabilisierte oder verbesserte Galantamin (signifikant) die kognitiven Fähigkeiten sowie Alltagskompetenz, Verhalten und den klinischen Gesamteindruck über fünf bis sechs Monate. Nach zwölf Monaten waren kognitive Fähigkeiten und die Alltagskompetenz nicht signifikant schlechter als zu Beginn der Therapie. Gemessen an den Werten des CIBIC-plus sprachen 60 bis 68 Prozent der Patienten auf die Therapie an.
Galantamin wird einschleichend dosiert, beginnend mit zweimal täglich 4 mg (zum Frühstück und Abendessen) bis zur Erhaltungsdosis von zweimal täglich 8 oder 12 mg. Diese Gabe kann fortgesetzt werden, solange ein therapeutischer Nutzen für den Patienten besteht. Die häufigsten Nebenwirkungen betreffen den Gastrointestinaltrakt (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe, Gewichtsverlust). Da Alzheimer-Patienten ohnehin meist abnehmen, sollte das Gewicht kontrolliert werden. Ferner klagten die Patienten über Erschöpfung, Schwindel, Kopfschmerzen und Somnolenz.Galantamin wird zum Teil über Cytochrom-P450-2D6 und -3A4 metabolisiert. Seine Bioverfügbarkeit erhöht sich daher bei gleichzeitiger Gabe von Inhibitoren dieser Isoenzyme (zum Beispiel Paroxetin, Fluoxetin, Fluvoxamin, Ketoconazol, Erythromycin). Dadurch können vermehrt anticholinerge Nebenwirkungen, besonders Übelkeit und Erbrechen, auftreten. Eine Reduktion der Erhaltungsdosis kann hilfreich sein. Pharmakodynamische Wechselwirkungen sind möglich bei gleichzeitiger Gabe von Arzneimitteln wie Digoxin oder b-Blockern, die die Herzfrequenz deutlich herabsetzen. Derzeit wird Galantamin auch bei Patienten mit vaskulären und gemischten Demenzen untersucht. Nach Aussagen von Janssen sind die Effekte auf Kognition, Alltagskompetenz und Verhalten vergleichbar wie bei Alzheimer-Patienten.
Meningokokken-Konjugatimpfstoff
Neben der Pneumokokken-Konjugatvakzine Prevenar® brachte die Firma Wyeth Pharma GmbH im März einen zweiten konjugierten Impfstoff auf den Markt: Meningitec® schützt vor Infektionen mit Neisseria meningitidis (Meningokokken). Der Impfstoff enthält Meningokokken-Oligosaccharid der Gruppe C gekoppelt an CRM197-Protein von Corynebacterium diphtheriae.
Im Gegensatz zum reinen Polysaccharid-Impfstoff löst eine konjugierte Vakzine auch bei sehr jungen Kindern eine lang anhaltende Immunantwort (immunologisches Gedächtnis) aus. Daher können diese Impfstoffe bereits bei Babys ab dem zweiten Lebensmonat eingesetzt werden. Säuglinge unter zwölf Monaten erhalten drei Dosen intramuskulär im Abstand von mindestens vier Wochen; bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen genügt eine Dosis. Mehr als 98 Prozent der Säuglinge entwickelten nach der dritten Impfung bakterizide Antikörpertiter im Serum. Eine Auffrischimpfung im zweiten Lebensjahr wirkt als Booster; ob dies notwendig ist, wird noch untersucht.
Fieber und lokale Reaktionen an der Einstichstelle treten häufig auf. Säuglinge und Kleinkinder reagieren auf die Impfung häufig mit Weinen, Gereizt- oder Benommenheit, Schlafstörungen, Diarrhöe und Erbrechen.
Wichtig: Die Impfung schützt nur vor Keimen der Serogruppe C. Diese sind in Deutschland für etwa ein Fünftel der Meningokokken-Erkrankungen verantwortlich. Häufigste Auslöser sind hierzulande Typ-B-Bakterien, gegen die auch die eingeführten bi-(A, C)- und quadrivalenten (A, C, Y, W-135) Polysaccharid-Impfstoffe nicht schützen. Ebenso können Haemophilus influenzae Typ b, Pneumokokken, Mykobakterien oder Viren eine Hirnhautentzündung auslösen. Eltern von geimpften Kindern müssen also weiterhin auf typische Symptome wie Fieber, Erbrechen, starke Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Lichtempfindlichkeit und Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma achten.
Praktisch: Die neue Vakzine kann gleichzeitig mit den üblichen Kinderimpfungen verabreicht werden. IPV-Impfstoffe sollen jedoch nur gleichzeitig gegeben werden, wenn dies medizinisch erforderlich ist. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Insitut (STIKO) führt die Meningokokken-Vakzine in ihrem Impfschema vom Januar 2000 nur als Indikationsimpfung auf.
Pneumokokken-Konjugatimpfstoff
Bislang konnten Säuglinge und Kleinkinder unter zwei Jahren nicht mit einer Impfung vor einer Pneumokokken-Infektion geschützt werden. Seit März bietet das Pharmaunternehmen Wyeth mit Prevenar® einen Konjugatimpfstoff speziell für diese Altersgruppe an. Die Vakzine enthält Fragmente aus Kapselpolysacchariden von sieben verschiedenen Serotypen des Erregers Streptococcus pneumoniae. Alle Kapselfragmente sind an ein Trägerprotein gekoppelt.
Die aktive Immunisierung gegen Pneumokokken ist für Säuglinge und Kleinkinder zwischen dem zweiten Lebensmonat und zweiten Lebensjahr geeignet. Ältere Kinder und Erwachsene können mit den bereits seit längerer Zeit verfügbaren unkonjugierten Impfstoffen versorgt werden. Bislang empfiehlt die STIKO die Immunisierung für Personen über 60 Jahre sowie Risikopatienten. Neue Empfehlungen, die den jetzt eingeführten Impfstoff berücksichtigen, liegen noch nicht vor.
Die im Impfstoff enthaltenen sieben Serotypen zählen in Nordamerika und Europa zu den wichtigsten Auslösern invasiver Pneumokokken-assoziierter Infektionen wie Bakteriämie, Sepsis, Meningitis und Pneumonie. In Europa stammen zwischen 71 und 86 Prozent aller Isolate aus invasiven Pneumokokken-Infektionen von diesen Serotypen.
Der Konjugat-Impfstoff wurde in verschiedenen Studien untersucht. In einer Untersuchung mit knapp 38. 000 Säuglingen in Nordkalifornien lag die Wirksamkeit bei mindestens 85 Prozent gegen Serotyp-spezifische bakteriämische Pneumonien. Andere Studien belegen, dass die Impfung ebenfalls vor Mittelohrentzündungen schützt, die durch entsprechende Serotypen verursacht werden. Diesen Schutz schätzen die Experten jedoch niedriger ein als bei invasiven Erkrankungen. In einer Studie mit 1662 finnischen Kindern schützte die Vakzine 57 Prozent der Probanden vor einer Otitis media.
Zur Sicherheit der Impfung liegen Daten von über 17. 000 Kindern vor. Am häufigsten traten Reaktionen an der Einstichstelle sowie Fieber auf. Während der Grundimmunisierung beobachteten die Wissenschaftler keine erhöhten systemischen oder lokalen Reaktionen. Bei der Auffrischimpfung war die Rate vorübergehender Druckempfindlichkeit jedoch erhöht. Kinder, die zeitgleich eine kombinierte Vakzine gegen Diphtherie, Pertussis und Tetanus erhielten, litten häufiger unter Fieber.
Kleinkinder unter sechs Monaten sollten insgesamt drei Impfdosen erhalten, die erste im zweiten Lebensmonat. Zusätzlich wird eine vierte Dosis im zweiten Lebensjahr empfohlen. Nicht geimpfte Kinder im Alter zwischen sieben und elf Monaten erhalten zwei Impfungen in einem Abstand von mindestens einem Monat. Hier wird zu einer dritten Impfung im zweiten Lebensjahr geraten. Kinder zwischen 12 und 23 Monaten müssen zweimal im Abstand von mindestens zwei Monaten geimpft werden.
Tenecteplase
Eine möglichst rasche Infusion des Gewebe-Plasminogen-Aktivators (t-PA) Alteplase (Actilyse®) zusammen mit Acetylsalicylsäure und Heparin gilt als Goldstandard der Therapie bei akutem Herzinfarkt. Ziel ist es, das durch ein Blutgerinnsel verschlossene Gefäß möglichst rasch wieder zu öffnen (Reperfusionstherapie). Die gentechnisch hergestellte t-PA-Variante Tenecteplase war in einer großen Studie ebenso wirksam wie Alteplase, löste jedoch weniger nicht-zerebrale Blutungen aus. Boehringer Ingelheim führte Tenecteplase (Metalyse® 8000 U und 10.000 U) im März in sechs europäischen Ländern ein.Tenecteplase ist wie Alteplase ein rekombinanter Plasminogen-Aktivator, unterscheidet sich aber an drei Stellen im Molekül von seinem Vorgänger: Threonin (T) an Position 103 wurde durch Asparagin und Asparagin (N) an Position 117 durch Glutamin getauscht. Ebenso ersetzte man Lysin (K), Histidin (H) und zwei Arginin-Molekülen (R) an den Positionen 296 bis 299 durch vier Moleküle Alanin. Der Kurzname TNK-t-PA weist auf diese Abwandlungen hin, die die Eigenschaften des Moleküls verändern: Tenecteplase hat eine längere Plasmahalbwertszeit (rund 20 Minuten) und eine höhere Fibrinspezifität als t-PA und wird weitaus weniger durch Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1) inaktiviert.
Daher kann das neue Thrombolytikum als Einfach-Bolus (körpergewichtsbezogen dosiert) innerhalb von 10 Sekunden intravenös gespritzt werden. Die Therapie - begleitet von ASS und Heparin - muss möglichst schnell, maximal sechs Stunden nach den ersten Symptomen eines Herzinfarktes beginnen. Da das Blutungsrisiko steigt, darf das Medikament nicht bei Patienten angewendet werden, die ohnehin ein erhöhtes Risiko tragen; zum Beispiel Menschen, die perorale Antikoagulantien einnehmen, bei denen im letzen Halbjahr schwere Blutungen auftraten oder die unter einer hämorrhagischen Diathese oder schweren Hypertonie leiden. Blutungen sind auch die häufigste Nebenwirkung.
Die ASSENT-2-Studie verglich die Wirksamkeit von Tenecteplase und Alteplase bei knapp 17. 000 Herzinfarkt-Patienten. In beiden Gruppen waren die 30-Tage-Sterblichkeit und die Häufigkeit zerebraler Blutungen vergleichbar. In der Patientengruppe, die später als vier Stunden behandelt wurde, senkte Tenecteplase die Sterblichkeit deutlicher als t-PA. Möglicherweise werden auf Grund der höheren Fibrinspezifität ältere Thromben besser aufgelöst. Zudem traten weniger nicht zerebrale Blutungen auf und es waren weniger Bluttransfusionen nötig. Ischämische Schlaganfälle waren jedoch etwas häufiger. Die Autoren der Studie hoffen, dass die einfache Anwendung des neuen Antithrombotikums den frühen Beginn der Reperfusionstherapie erleichtern könnte. Allerdings wird Metalyse® in Deutschland nur an Krankenhaus versorgende Apotheken abgegeben.
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