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Oxcarbazepin, Quetiapin und Sevelamer

03.04.2000  00:00 Uhr

-PharmazieGovi-VerlagNEU AUF DEM MARKT

Oxcarbazepin, Quetiapin
und Sevelamer

von Brigitte M. Gensthaler, München, Ulrich Brunner und Hartmut Morck, Eschborn

Nach einer kurzen Verschnaufpause im Februar kamen im März insgesamt drei neue Arzneistoffe auf den Markt. Das Antiepileptikum Oxcarbazepin ähnelt strukturell Carbamazepin, besitzt jedoch ein günstigeres Nebenwirkungsprofil. Mit Quetiapin steht ein weiteres atypisches Neuroleptikum zur Verfügung, und Sevelamer bremst eine Hyperphosphatämie bei Dialysepatienten.

Oxcarbazepin

Seit 1. März ist das Antiepileptikum Oxcarbazepin (Trileptal® von Novartis) auch in Deutschland im Handel. Die Substanz wurde bereits in den achtziger Jahre entwickelt und ist seit 1990 in Dänemark auf dem Markt. Oxcarbazepin ist strukturverwandt mit Carbamazepin und zugelassen für die Behandlung von Kindern ab 6 Jahren und von Erwachsenen mit fokalen Epilepsie-Anfällen mit oder ohne sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfälle in Mono- oder Kombinationstherapie. Damit steht Oxcarbazepin im Gegensatz zu anderen neuen Antiepileptika, die zunächst nur zur Add–on-Therapie eine Zulassung erhielten.

Trotz der strukturellen Ähnlichkeit mit Carbamazepin – Oxcarbazepin ist ein 10,11-Dihydro-10-oxo-Carbamazepin – wird die neue Substanz anders metabolisiert. Während Carbamazepin zunächst zum Epoxid umgesetzt wird, dem viele Toxizitätsprobleme zugeschrieben werden, wird Oxcarbazepin zum aktiven Monohydroxy-Derivat metabolisiert. Außerdem findet keine Autoinduktion der Metabolisierung statt. Deshalb ist ein nachträgliche Dosissteigerung bei Oxcarbazepin nicht nötig.

Als Wirkungsmechanismus des Monohydroxy-Derivates wird wie bei Carbamazepin eine Blockade spannungsabhängiger Natrium-Kanäle diskutiert, was zu einer Stabilisierung übererregter Nervenmembranen, einer Hemmung hochfrequenter neuronaler Aktivität und einer Verminderung der Ausbreitung von postsynaptischen Impulsen führt. Während klinische Vergleichstudien mit Valproinsäure, Phenytoin und Carbamazepin dem Oxcarbazepin eine vergleichbare Wirksamkeit testierten, war die Verträglichkeit der neuen Substanz deutlich besser. So brachen zum Beispiel in der Vergleichstudie mit Carbamazepin fast doppelt so viele Patienten auf Grund von Nebenwirkungen die Studie ab als unter Oxcarbazepin. Oxcarbazepin inhibiert CYP 2C19 und induziert CYP 3A4 . Deshalb muss inbesondere in höheren Dosierungen mit Interaktionen mit einigen anderen Arzneistoffen wie Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Calciumantagonisten oder peroralen Kontrazeptiva gerechnet werden, die eventuell Dosisangleichungen notwendig machen.

Quetiapin

Anfang der siebziger Jahre gelang mit Clozapin ein Durchbruch in der Therapie der Schizophrenie. Im Vergleich zu "klassischen" Neuroleptika wie Haloperidol oder Chlorpromazin löste Leponex® in therapeutischer Dosierung weniger extrapyramidal-motorische Symptome (EPS) wie Parkinsonoid, Frühdyskinesien (Störungen des Bewegungsablaufs) oder Akathisie (Unfähigkeit, still zu sitzen) aus. Daher wurde Clozapin als "atypisch" bezeichnet. Diese Neuroleptika-Gruppe, der mittlerweile mehrere Stoffe wie Olanzapin oder Risperidon angehören, soll zudem die Minussymptomatik der Schizophrenie und therapierefraktäre Psychosen günstig beeinflussen. Jüngste Entwicklung ist Quetiapin (Seroquel® 25, 100 oder 200 mg Filmtabletten, Zeneca).

Strukturell leitet sich Quetiapin von Clozapin ab, gehört also ebenfalls zu den Trizyklika, hat aber anstelle des Dibenzodiazepins einen Dibenzothiazepin-Ring als Grundkörper. Quetiapin greift wie Clozapin in verschiedene Neurotransmitter-Systeme im Gehirn antagonistisch ein. Die antipsychotische Wirkung wird der Blockade von Dopamin-(D2)- und Serotonin-(5-HT2)-Rezeptoren zugeschrieben. Kennzeichen der atypischen Neuroleptika ist eine höhere Affinität zum 5-HT2- als zum D2-Rezeptor. Dieses Rezeptorprofil soll für die Wirkung auf die Minussymptome bei geringer EPS-Rate verantwortlich sein. Quetiapin hat ferner eine hohe Affinität zu histaminergen (cave: Sedierung, vor allem zu Therapiebeginn) und a1-adrenergen (cave: orthostatische Hypotonie) sowie eine geringere zu a2-adrenergen Rezeptoren.

Quetiapin wird nach peroraler Gabe rasch resorbiert und fast vollständig in der Leber über CYP 3A4 metabolisiert. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion kann eine Dosisreduktion nötig sein. Die gleichzeitige Gabe von CYP-3A4-Inhibitoren wie HIV-Protease-Hemmstoffen, Antimykotika vom Azol-Typ, Erythromycin, Clarithromycin und Nefazodon ist kontraindiziert.

Die Eliminationshalbwertszeit beträgt etwa sieben Stunden. Da Quetiapin bis zu zwölf Stunden an die Rezeptoren bindet, reicht die zweimal tägliche Gabe. Nach vorsichtiger Auftitration liegt die übliche Tagesdosis bei 300 bis 450 mg (Spannbreite 150 bis 750 mg). Die Wirkung steigt mit der Dosis an.

In klinischen Studien über sechs Wochen war das Neuroleptikum mindestens ebenso wirksam wie Chlorpromazin und Haloperidol, löste jedoch signifikant weniger EPS aus. Die EPS-Rate lag auf Placebo-Niveau. Am häufigsten klagten die Patienten über Kopfschmerzen, Schläfrigkeit und Schwindel. Der Serum-Prolactinspiegel stieg nicht an (Kennzeichen atypischer Neuroleptika). Auffällig war eine Gewichtszunahme von etwa 2,5 kg, meist zu Beginn der Therapie.

Bevor der Stellenwert von Quetiapin in der Schizophrenie-Behandlung abschließend definiert wird, müssen Langzeit- und Vergleichsstudien mit anderen atypischen Neuroleptika abgewartet werden. Ebenso ist die Wirksamkeit bei therapierefraktärer Schizophrenie in Studien zu klären.

Sevelamer

Sevelamer (Renagel® von Genzyme) ist ein nicht resorbierbares, phosphatbindendes Poly(allylaminhydrochlorid)poly-mer, das weder Aluminium noch Calcium enthält und zur Behandlung von Hyperphosphatämie bei erwachsenen Hämodialysepatienten zugelassen wurde. Es verfügt über multiple Aminogruppen, die jeweils durch ein Kohlenstoffatom von dem Polymergerüst getrennt sind.

Diese Amine werden teilweise im Darm protoniert und interagieren mit Phosphatmolekülen über Ionen- oder Wasserstoffbindungen. Über die Bindung von Phosphat im Magen-Darm-Trakt wird der Phosphatspiegel im Serum gesenkt. Sowohl in vitro als auch in Tierversuchen konnte Sevelamer Gallensäure binden. In den klinischen Studien mit Hämodialysepatienten war dieser Effekt sichtbar, denn die mittleren LDL-Cholesterolwerte sanken um 15 bis 31 Prozent. Diese Wirkung trat nach zwei Wochen ein. Triglycerid-, HDL-Cholesterol- und Albuminwerte blieben unverändert. Eine Zulassung als Lipidsenker wurde nicht erteilt.

Langzeitstudien liegen noch nicht vor. Daher lässt sich heute noch nicht abschließend beurteilen, inwieweit Sevelamer den Calcium- und Parathormon-Spiegel bei Hämodialysepatienten beeinflusst. Auch die Wirkung des Arzneistoffs auf den Knochen kann noch nicht abgeschätzt werden. Top

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