Pharmazie

Trotz weltweit zunehmender intensiver Forschungsbemühungen zur
Aufklärung der Pathogenese der Alzheimer Demenz, stützen sich die derzeit
verfügbaren Therapieansätze lediglich auf einige herauskristallisierte
Ansatzpunkte in einem zunehmend komplexer werdenden pathogenetischen
Netzwerk; von einer Kausaltherapie sind sie noch weit entfernt. Mit Tacrin
(Cognex®) wurde in Deutschland im September 1995 der erste
Cholinesterasehemmstoff zur Behandlung des M. Alzheimer zugelassen.
Mit Donepezil (Aricept®) wurde zum 1. Oktober 1997 ein weiterer
Cholinesterasehemmstoff in den pharmazeutischen Markt eingeführt.
Das Therapieprinzip basiert auf der Hypothese, daß im Zusammenhang mit der
Erkrankung unter anderem ein Verlust cholinerger Neurone gerade in den
Hirnarealen auftritt, die für die Gedächtnis- und kognitive Leistung verantwortlich
sind. Durch eine Unterstützung der cholinergen Neurotransmission soll die kognitive
Leistung verbessert werden.
Chemische Klassifikation
Donepezil -
(±)-2,3-Dihydro-5,6-dimethoxy-2-[[l-(phenylmethyl)-4-piperidinyl]-methyl]-IH-
inden-1-on - ist ein Cholinesterasehemmstoff. Es handelt sich um ein
Piperidinderivat, welches sich chemisch von anderen Cholinesterasehemmern
unterscheidet. Strukturell ist Donepezil weder mit den Acridinen (Tacrin und andere)
noch mit Carbamaten (Physostigmin und andere) verwandt.
Indikationen und Anwendung
Aricept®, ist zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren
Alzheimer-Demenz zugelassen. Die Behandlung sollte durch einen in der Diagnose
und Therapie der Erkrankung erfahrenen Arzt begonnen und überwacht werden. Die
Diagnose ist gemäß anerkannter Richtlinien (zum Beispiel DSM IV, ICD 10) zu
stellen.
Die Therapie sollte nur begonnen werden, wenn der Patient eine Bezugsperson hat,
die die regelmäßige Medikamenteneinnahme überwacht. Sie sollte solange
fortgeführt werden, wie der Patient einen therapeutischen Nutzen daraus zieht; dieser
sollte daher regelmäßig beurteilt werden. Ist kein Nutzen mehr nachweisbar, sollte
die Behandlung abgebrochen werden. Die Verwendung von Donepezil bei Patienten
mit schweren Formen der Alzheimer-Demenz wurde bisher nicht untersucht.
Die Behandlung wird mit 5 mg/Tag begonnen; die Einnahme der Tablette erfolgt am
Abend kurz vor dem Schlafengehen. Die 5-mg-Dosis sollte für mindestens einen
Monat aufrechterhalten werden, um die ersten klinischen Anzeichen eines
Behandlungserfolges feststellen und gleichbleibende Plasmakonzentrationen von
Donepezil erreichen zu können. Nach einer klinischen Beurteilung kann die Dosis auf
10 mg Donepezilhydrochlorid pro Tag erhöht werden. Die empfohlene tägliche
Maximaldosis beträgt 10 mg. Bei Patienten mit leichten bis mittelschweren
Funktionsstörungen der Leber oder Niere kann die gleiche Dosis verabreicht
werden.
Nach Absetzen der Therapie wird ein langsamer Abbau der günstigen Wirkung von
Donepezil beobachtet. Es bestehen keine Anzeichen auf einen Rebound-Effekt nach
abruptem Absetzen der Medikation.
Wirkungen und Wirkungsmechanismus
Donepezil ist ein spezifischer und reversibler Inhibitor der Acetylcholinesterase
(AChE), der im Gehirn überwiegenden Cholinesterase. Der Wirkstoff hemmt dieses
Enzym 1000mal effektiver als die in der Peripherie überwiegend vorkommende
Butyrylcholinesterase (BuChE, Pseudocholinesterase). Die Selektivität von
Donepezil-Behandlung drückt sich in der um das 1250fach niedrigeren IC50 für
AChE im Vergleich zur IC50 für BuChE aus. In therapeutischer Dosierung kommt
es somit nicht zur Beeinflussung der BuChE-Aktivität, was mit der unter der
Donepezil niedrigen Inzidenz peripherer Nebenwirkungen in Verbindung gebracht
wird.
In-vivo-Untersuchungen zeigten eine dosisabhängige Hemmung der AChE-Aktivität
im Gehirn der Ratte. Auch die Dauer der Aktivitätshemmung war dosisabhängig. Die
Gabe von 5 beziehungsweise 10 mg/kg Donepezil führte zu einer Senkung der
cerebralen AChE-Aktivität, die 4 beziehungsweise 8 Stunden lang anhielt (p<0,01).
Das Ausmaß der AChE-Hemmung, gemessen an der Erythrozytenmembran beim
Menschen, ist abhängig von der Donepezil-Plasmakonzentration und somit von der
verwendeten Dosis. Bei Dosierungen zwischen 0 und 5 mg/Tag liegt eine lineare
Korrelation sowohl zwischen applizierter Menge und Steady-state-Plasmaspiegel als
auch zwischen Plasmaspiegel und erzielter AChE-Hemmung vor. Bei Dosierungen
von 5 mg/Tag (entsprechend einem mittleren Plasmaspiegel im Steady-State von
etwa 30 ng/ml) wird im Mittel eine etwa 64prozentige AChE-Hemmung erzielt.
Bei höheren Dosierungen und entsprechend höheren Plasmaspiegeln ist die
Steigerung der AChE-Hemmung nur noch begrenzt möglich, und die entsprechende
Kurve flacht ab. Bei einer Dosis von 10 mg/Tag (Steady-state-Plasmaspiegel
beträgt im Mittel 47 ng/ml) liegt eine 77prozentige AChE-Hemmung vor. Bei
Plasmaspiegeln zwischen 50 und 75 ng/ml erreicht die AChE-Hemmung ein Plateau
von 77 bis 84 Prozent. Eine tägliche Gabe von mehr als 10 mg Donepezil erscheint
somit nicht sinnvoll. Als häufigste unerwünschte Wirkungen traten gastrointestinale
Störungen wie Nausea, Erbrechen und Diarrhoe auf. Eine Hepatotoxizität, wie unter
Tacrin beobachtet, ist bisher für Donezepil nicht beschrieben worden.
Wenn auch das Fortschreiten der neurodegenerativen Erkrankung durch Donezepil
(wie auch unter Tacrin) nicht beeinflußt wird, so kann dennoch durch den Erhalt der
kognitiven Leistung die Lebensqualität des Patienten für einen begrenzten Zeitraum
aufrechterhalten werden. Die individuelle Lebens- und Pflegeplanung kann somit
durch eine frühzeitig einsetzende Therapie für Patient und Angehörige verbessert
werden.
PZ-Artikel von Barbara Peruche und Martin Schulz, Eschborn


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