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Docetaxel für die First-line-Therapie zugelassen

27.01.2003  00:00 Uhr
Lungenkrebs

Docetaxel für die First-line-Therapie zugelassen

von Ulrike Wagner, Berlin

Die europäische Arzneimittelbehörde EMEA hat Docetaxel (Taxotere®) in Kombination mit Cisplatin für die First-line-Therapie von Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) in fortgeschrittenem Stadium zugelassen. Bislang war die Anwendung des Arzneistoffs bei Lungenkrebs auf die Second-line-Therapie beschränkt.

Die Zulassung beruht auf einer internationalen Phase-III-Studie, an der mehr als 1200 Patienten teilgenommen haben. Sie litten an einem inoperablen, lokal weit fortgeschrittenen oder metastasierten Bronchialkarzinom (Stadium IIIb oder IV), erklärte der Studienleiter Dr. Chandra P. Belani vom Cancer Institute in Pittsburgh, USA, während einer Veranstaltung des Herstellers Aventis in Berlin.

Die Patienten aus 140 Zentren in 29 Ländern wurden in drei Studienarme eingeteilt. Sie erhielten entweder Docetaxel in Kombination mit Cisplatin, Docetaxel plus Carboplatin oder Vinorelbin kombiniert mit Cisplatin. Verglichen wurde jeweils die Docetaxel-Kombination mit der als Kontrollarm definierten Vinorelbin/Cisplatin-Behandlung. Primärer Endpunkt der Studie war die Überlebenszeit, sekundäre Endpunkte waren Ansprechrate, progressionsfreie Zeit, Verträglichkeit und Lebensqualität.

 

Lungenkrebs Weltweit ist Lungenkrebs derzeit die häufigste Krebstodesursache, erklärte Dr. Thierry Le Chevalier vom Institut Gustave-Roussy in Villejuif, Frankreich. 2003 wird eine Million Menschen neu erkranken, 900.000 werden sterben. Rauchen ist bei den meisten Patienten ursächlich an der Entstehung von Lungenkrebs beteiligt. Je nach Subtyp gehen die Bronchialkarzinome zu 70 bis 95 Prozent auf Tabakkonsum zurück. Finnland und die USA seien gute Beispiele dafür, dass die Zahl der Lungenkrebserkrankungen zurückgeht, wenn weniger Menschen rauchen, sagte der Arzt. Bei circa 80 Prozent der Lungentumoren handelt es sich um nicht kleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC). Im Vergleich zu den kleinzelligen Bronchialkarzinomen teilen sich die NSCLC langsamer und sind daher weniger empfindlich gegenüber einer Chemotherapie.

 

Nach Auswertung der Überlebensdaten war die Kombination Docetaxel/Cisplatin im Vergleich zu Vinorelbin/Cisplatin leicht im Vorteil. Im Durchschnitt lebten die Patienten im Docetaxel/Cisplatin-Arm einen Monat länger als im Kontrollarm. Deutlicher zeigte sich der Gewinn an Überlebenszeit im Langzeitverlauf: Nach zwei Jahren lebten noch 21 Prozent der mit der Kombination Docetaxel/Cisplatin behandelten Patienten im Vergleich zu 14 Prozent. Die Therapie mit Docetaxel/Carboplatin erhöhte die Überlebensrate im Vergleich zur Kontrolle nicht (16 Prozent versus 14 Prozent).

Auch die Ansprechraten auf die Therapie mit Docetaxel/Cisplatin lagen höher als mit Vinorelbin/Cisplatin (31,6 versus 24,5 Prozent). Die Patienten vertrugen zudem beide Kombinationen mit Docetaxel deutlich besser als die Therapie mit Vinorelbin und gaben folglich auch eine höhere Lebensqualität an. Sie litten seltener unter schweren Anämien sowie schwerer Übelkeit und Erbrechen.

Seit 2000 ist Docetaxel beim fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom nach Versagen einer Chemotherapie als Monotherapie zugelassen (siehe auch PZ 25/00). Paclitaxel (Taxol®), ein Taxan von Bristol-Myers-Squibb, hat die Zulassung sowohl für First-line- als auch für die Second-line-Therapie beim fortgeschrittenen NSCLC seit 1998. Allerdings beruht die Zulassung auf kleineren Studien, weshalb in der Fachinformation darauf hingewiesen wird, dass die Daten zur Wirksamkeit von Paclitaxel beim nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom beschränkt seien.

Insgesamt sind die Aussichten von Patienten mit Lungenkrebs alles andere als rosig. Die zeigt sich auch in der aktuellen Studie an der insgesamt recht geringen Zahl an Patienten, die zwei Jahre nach Beginn der Behandlung noch am Leben sind. Auch wenn „therapeutischer Nihilismus“ nach Meinung der Experten nicht mehr angesagt ist, schreitet die Forschung doch nur in winzigen Schritten voran. Noch Anfang der 90er-Jahre erhielten viele Patienten keine spezifisch gegen den Tumor gerichtete Chemotherapie, sondern nur eine supportive Behandlung. Inzwischen hat sich die Therapie mit einer platinhaltigen Zweierkombination auch in den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung weitgehend durchgesetzt.

 

Meist zu spät erkannt Bei den meisten Patienten mit Lungenkrebs entdecken Ärzte den Tumor viel zu spät. Die Fünfjahres-Überlebensrate beträgt insgesamt etwa 10 Prozent.

Nur etwa 30 Prozent der Patienten befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnose in einem frühen Stadium der Erkrankung (Phase I, II und frühes Stadium IIIa). Für sie kommt meist eine Operation in Frage – die einzige kurative Therapie überhaupt. Allerdings sind bei einem kleinen Anteil der Patienten die Tumoren selbst im Frühstadium bereits inoperabel. Insgesamt spielen Chemotherapie und Bestrahlung in dieser Phase der Erkrankung eine geringere Rolle. Etwa 70 Prozent der Patienten in Stadium I und II leben fünf Jahre nach Diagnosestellung noch. Patienten in frühem Stadium IIIa mit minimalem Befall leben zu 30 Prozent weitere fünf Jahre, erklärte Le Chevalier.

20 Prozent der Patienten leiden unter einer lokal fortgeschrittenen Erkrankung (IIIa, operabel, und IIIb, inoperabel), wenn der Lungenkrebs entdeckt wird. Für deren Therapie gibt es derzeit keinen Standard. So setzen einige Ärzte in Studien eine Induktionschemotherapie ein, auf die dann eine Radiotherapie kombiniert mit einer Chemotherapie folgt. Die Radiotherapie soll den Primärtumor zerstören, und die Chemotherapie Mikrometastasen am Wachstum hemmen, so die Vorstellung der Wissenschaftler.

Als vorteilhaft hat sich herausgestellt, dass die neuen Zytostatika und damit auch die Taxane als Radiosensitizer wirken. Ob die Patienten Chemo- und Radiotherapie gleichzeitig – bei stärkeren Nebenwirkungen – oder nacheinander erhalten sollten, ist noch unklar. Auch über eine so genannte Konsolidierungstherapie nach der Chemoradiotherapie, zum Beispiel mit Taxanen, herrscht noch kein Konsens. Nur 5 bis 15 Prozent der Patienten mit lokal fortgeschrittener Erkrankung leben fünf Jahre danach noch.

Etwa die Hälfte der Patienten hat bei Diagnosestellung bereits Metastasen in anderen Organen. Ihre mittlere Überlebenszeit unter einer supportiven Therapie beträgt etwa vier bis fünf Monate. Eine Chemotherapie verlängert die Zeit, die den Patienten bleibt, auf durchschnittlich 8,5 bis 10 Monate, so Shepherd. Weniger als 5 Prozent überleben die folgenden fünf Jahre, erklärte Le Chevalier.

 

Ende der 90er-Jahre begannen Wissenschaftler, in Studien neuere Zytostatika wie Gemcitabin, Pemetrexed, die Taxane Docetaxel und Paclitaxel, Vinorelbin, Topotecan und Irinotecan auch bei diesen Patienten einzusetzen. Die Kombination dieser Wirkstoffe mit platinhaltigen Verbindungen war den in den 80er-Jahren eingesetzten, älteren Zytostatika wie Etoposid, Tenoposid, Ifosfamid, Vindesin und Mitomycin überlegen, erklärte Dr. Frances A. Shepherd, Universität von Toronto in Kanada. In einer der Zulassungsstudie vorausgehenden vierarmigen Untersuchung waren alle Kombinationen der neuen Präparate (Paclitaxel, Gemcitabin und Docetaxel) mit einer Platinverbindung vergleichbar wirksam.

Auf Grund der starken Nebenwirkungen der platinhaltigen Therapie haben einige Gruppen inzwischen Kombinationen der Wirkstoffe untereinander untersucht. Da die Ansprechraten in einigen Studien leicht unter denen platinhaltiger Therapien lagen, seien diese noch immer der Standard, sagte die Ärztin.

In Studien, die Dreierkombinationen von Zytostatika mit Zweierkombinationen verglichen, zeigten die Dreierkombinationen eine erheblich höhere Toxizität bei kaum gesteigerter Wirkung, erklärte Shepherd. Daher sei die Zweierkombination auch heute Standard. Die Monotherapie könne eine Option für Patienten sein, die die Kombination nicht vertragen. Allerdings sind Überlebensraten und Ansprechraten im Vergleich zur Kombination geringer. Zwei Studien hätten kürzlich zudem gezeigt, dass mehr als drei bis vier Zyklen der Chemotherapie keine Vorteile bringen, im Gegenteil, die Toxizität stieg deutlich an. Top

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