Pharmazie

Das fortgeschrittene Mammakarzinom wird in der Regel mit
unterschiedlichen antihormonell wirkenden Medikamenten behandelt, die
stufenweise eingesetzt werden. Standardmäßig wird dabei zuerst Tamoxifen
(Nolvadex® und andere) verabreicht, das bei hoher Wirksamkeit
vergleichsweise wenig Nebenwirkungen zeigt. Patientinnen, die auf
Tamoxifen nicht oder nur ungenügend ansprechen oder ein Rezidiv erleiden,
erhalten anschließend eine oder mehrere andere Hormontherapien.
Neben den zum Teil mit beträchtlichen Nebenwirkungen behafteten Gestagenen
Megestrolacetat (Megestat®) und Medroxyprogesteronacetat (Farlutal® und
andere) werden auch Aromatasehemmer wie Aminoglutethimid (Orimeten®) oder
Formestan (Lentaron®) eingesetzt.
Die Hemmung der Estrogensynthese durch Blockade der Aromatase gilt als
effektive Therapiemöglichkeit bei postmenopausalen Patientinnen mit
fortgeschrittenem Mammakarzinom. Die längste Erfahrung existiert mit
Aminoglutethimid, mit dem bei bis zu 30 Prozent der Patientinnen ein objektives
therapeutisches Ansprechen der metastasierenden Erkrankung für etwa ein Jahr
erreicht werden kann. Nachteil von Aminoglutethimid ist jedoch, daß es nicht
spezifisch die Aromatase, sondern auch mehrere Enzyme des
Cytochrom-P-450-Systems hemmt.
Daher wird nicht nur die Estrogensynthese beeinträchtigt, sondern - in höheren
Dosen - auch die Synthese anderer Steroide wie Glucocorticoide und
Mineralocorticoide. Beide Corticoide müssen daher bei der Behandlung mit
Aminoglutethimid substituiert werden, nicht dagegen nach Gabe des spezifischen
Aromatasehemmers Formestan.
Mit Anastrozol (Arimidex®) wurde ein weiterer spezifischer Hemmer der
Aromatase in die Therapie eingeführt, der aber im Gegensatz zu Formestan, das
parenteral verabreicht werden muß, peroral eingenommen werden kann.
Chemische Klassifikation
Das Benzyltriazolderivat Anastrozol
(2,2'-[5-(1H-1,2,4-triazol-1-ylmethyl)-1,3phenylen] bis (2-methylpropionitril)), ein
nichtsteroidaler Aromatasehemmer, besitzt weder chemische Verwandtschaft zum
ebenfalls nichtsteroidalen Aminoglutethimid noch zu Formestan, einem Derivat des
physiologischen Steroids Androstendion.
Indikationen und Dosierung
Arimidex® ist zugelassen zur Behandlung des fortgeschrittenen Mammakarzinoms
bei postmenopausalen Frauen mit progressivem Verlauf nach einer Behandlung mit
Tamoxifen oder anderen Antiestrogenen.
Patientinnen mit Estrogenrezeptor-negativen Tumoren sollten wegen nicht
nachgewiesener Wirksamkeit nicht mit Anastrozol behandelt werden, es sei denn,
sie sprachen zuvor bereits auf Tamoxifen an.
Aufgrund der langen Eliminationshalbwertszeit aus dem Plasma (40 bis 50 Stunden)
genügt die einmal tägliche Gabe einer Filmtablette. Ältere Patientinnen sowie
Patientinnen mit leichten bis mäßigen Nierenfunktionsstörungen oder leichten
Lebererkrankungen erhalten die gleiche Dosis. Die Einnahme der Filmtabletten kann
unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Die Behandlung mit Anastrozol ist im
allgemeinen eine Langzeittherapie.
Wertende Zusammenfassung
Anastrozol ist ein hochspezifischer und potenter nichtsteroidaler Aromatasehemmer,
der in einer Dosis von 1 mg pro Tag eine vergleichbare Wirksamkeit wie
Megestrolacetat in einer Tagesdosis von 160 mg (viermal 40 mg/d) besitzt. In
klinischen Studien lag die Ansprechrate bei beiden Substanzen bei circa 34 bis 35
Prozent. Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Thromboembolien, Ödeme und
Dyspnoe traten dagegen unter Anastrozol seltener auf als unter Megestrolacetat.
Im Vergleich zu Formestan, das die Aromatase (im Gegensatz zu Aminoglutethimid)
ebenfalls spezifisch hemmt und das alle zwei Wochen in einer Dosis von 250 mg
parenteral appliziert werden muß, hat Anastrozol den Vorteil, daß es peroral
verabreicht werden kann. Damit wird die psychisch sehr belastende Therapie des
fortgeschrittenen Mammakarzinoms erheblich erleichtert.
PZ-Artikel von Rolf Thesen, Eschborn


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