Keine herausragende Innovation |
18.09.2000 00:00 Uhr |
Wie in den letzten zwei Jahren gingen auch in diesem Jahr Professor Dr. Hans-Dieter Höltje von der Uni Düsseldorf und PZ-Chefredakteur Dr. Hartmut Morck in einem gemeinsamen Vortrag kritisch auf die neuen Arzneistoffe des ersten Halbjahres 2000 ein.
Sie stellten insgesamt 15 neue Stoffe vor; darunter mit Celecoxib (Celebrex®) den zweiten Vertreter der COX-2-Hemmer, der sich von seinem Vorgänger Rofecoxib (Vioxx®) nur in der Metabolisierung unterscheidet. Im Gegensatz zu Rofecoxib erhielt allerdings Celecoxib auch eine Zulassung zur Behandlung rheumatoider Arthritis. Als Weiterentwicklung von Infliximab (Remicade®) bezeichneten die Referenten Etanercept (Enbrel®), ein Fusionsprotein aus dem extrazellulären Bindungsanteil des menschlichen TNF-alpha-Rezeptors und dem Fc-Anteil des Immunglobulin G1. Der TNF-Antagonist Etanercept dient als Basistherapeutikum bei rheumatoider Arthritis.
Die Kombination Quinupristin/Dalfopristin (Synercid®) ist das erste Streptogramin-Antibiotikum in Deutschland, das nur als Ersatzantibiotikum zum Einsatz kommen soll. Höltje und Morck gingen näher auf den Wirkungsmechnismus ein und stellten heraus , dass wahrscheinlich die Behinderung der Peptidfreisetzung aus den Ribosomen der Hauptwirkeffekt ist. Als weniger spektakulär bezeichneten die Referenten das Fluorochinolon Lomefloxacin (Okacin®), das in Form von Augentropfen bei Konjunktivitis Anwendung findet.
Ein neues Basisinsulin hat Aventis im ersten Halbjahr 2000 mit Insulin glargin (Lantus®) auf den Markt gebracht, das sich durch eine lange Wirksamkeit auszeichnet, da es, durch die molekularen Manipulationen bedingt, bei der subcutanen Applikation präzipitiert und aus dem Präzipitat nur langsam ins Plasma diffundiert.
Die auf den ersten Blick nur marginale Veränderung des Antiepileptikums Carbamazepins zu Oxcarbazepin (Trileptal®) hat zwar klinisch keine Auswirkungen, aber auf Grund der unterschiedlichen Metabolisierung ist Oxcarbazepin weniger toxisch als Carbamazepin.
Im gynälkologischen Bereich ist mit Nonapeptid Atosiban (Tractosile®) ein Oxytocin-Antagonist entwickelt worden, mit dem sich eine drohende Frühgeburt verzögern lässt. Zudem wurde mit Etonogestrel (Implanon®) ein Kontrazeptivum in einem nichtbioabbaubaren Implantat eingeführt, das mit einem Dreijahres-Pearl-Index von 0 bei knapp 60.000 Zyklen fast absolute Sicherheit verspricht.
Als zweiter am Auge anzuwendender Carboanhydrasehemmer wurde Brinzolamid (Azopt®) zur Glaukombehandlung eingeführt. Es zeigt gegenüber dem ersten Vertreter Dorzolamid allerdings keine Vorteile. Auch den siebten Vertreter der Bisphosphonate, Risedronat (Actonel®), bezeichneten die Referenten als Nachahmerpräparat, das trotz des Anspruchs, einer neuen Generation anzugehören, keinen Vorteil bei der Osteoporose-Behandlung bietet.
Das Gleiche gelte auch für das neue atypische Neuroleptikum Quetiapin (Seroquel®), das Strukturähnlichkeit mit Clozapin und Olanzapin aufweist. Auch der Fortschritt in der Wundbehandlung mit Becaplermin (Regranex®), einem rekombinanten humanen thrombozytären Wachstumsfaktor (rhPDGF-BB) wurde auf Grund der vorliegenden klinischen Daten kritisch hinterfragt. Im Einzelfall sei die Substanz sicher eine wertvolle Hilfe, wenn die konventionelle Wundbehandlung zu keinem Erfolg führe, insbesondere bei einem diabetischen Fuß, räumten die Referenten ein.
Auch der zweite steroidale Aromatasehemmer Exemestan (Aromasin®)
ist lediglich als Erweiterung der Therapiemöglichkeit eines auf Tamoxifen
therapieresistenten Mammakarzimons anzusehen. Schließlich gingen die Referenten noch auf
die beiden Varia ein, Sevelamer (Renagel®), indiziert bei
Hyperphosphatämie bei Dialysepatienten, und Natriumphenylbutyrat (Ammonaps®),
das als Orphan drug bei Patienten mit Störungen des Harnstoffzyklus zur
Ammoniakentgiftung des Körpers eingesetzt wird.
© 2000 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de