Leflunomid erweitert therapeutisches Repertoire |
20.09.1999 00:00 Uhr |
Pharmazie
RHEUMATOIDE ARTHRITIS
Ab 4. Oktober 1999 steht in Deutschland ein neues Basistherapeutikum zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung. Leflunomid (Arava®) war in klinischen Studien Methotrexat und Sulfasalazin ebenbürtig. Die Substanz biete eine neue Aussicht für Patienten, bei denen die bisherige Behandlung nicht mehr oder nur ungenügend anschlägt, hieß es auf einer Pressekonferenz von Hoechst Marion Roussel. In Zukunft sei auch eine Kombinationstherapie mit Leflunomid denkbar.
In den doppelblinden placebokontrollierten Zweijahresuntersuchungen, die zur Zulassung geführt hatten (siehe auch PZ 16/99, Seite 38), drängte Leflunomid die Symptome der rheumatoiden Arthritis deutlich zurück, und zwar ähnlich effektiv wie Methotrexat, dem Goldstandard der Therapie. Im Vergleich zu Sulfasalazin war Leflunomid in vielen Parametern zumindest gleichwertig, wenn nicht gar überlegen. Der neue Arzneistoff "verlangsamt die röntgenologisch nachweisbare Progression und verbessert die Funktionsfähigkeit der Gelenke", ergänzte Professor Dr. Josef Smolen, Universitätsklinik Wien, der eine der klinischen Studien betreute. Humorale Parameter wie die Blutsenkungsgeschwindigkeit, das akute Phaseprotein oder der Rheumafaktor verbesserten sich signifikant.
Pluspunkte für Leflunomid: Zum einen wirkt es in den meisten Fällen bereits nach einem Monat. Dadurch unterscheidet es sich von den übrigen Basistherapeutika, die erst verzögert nach einigen Monaten bis einem halben Jahr wirken. Zum zweiten bleibt die Substanz mindestens zwei Jahre wirksam. Tendenziell verbessern sich die Symptome laut Smolen selbst nach zwei Jahren noch. Andere Basistherapeutika haben nach rund einem Jahr ein Maximum an Effektivität erreicht.
Leflunomid ist nach Smolens Einschätzung gut verträglich. Unerwünschte Wirkungen betreffen vor allem den Magendarm-Trakt. Es kann zu Diarrhöen, Übelkeit und Bauchschmerzen kommen. Diese Nebenwirkungen sind in der Regel nicht schwerwiegend und unter fortgesetzter Behandlung reversibel. Leflunomid kann auch zu einem verstärkten Haarausfall und zu einem Anstieg der Transaminasen führen. Beides sei reversibel, so der Referent. Smolen empfiehlt daher zu Beginn der Therapie eine enge Kontrolle der Leberwerte. Beobachte man anfangs keine Ausreißer bei den Traminsaminase-Werte, seien diese auch für die Fortdauer der Therapie nicht mehr zu erwarten. Agranulozytosen wie unter Sulfasalazin und Pneumonitis wie unter Methotrexat wurden unter Leflunomid nicht beobachtet.
Das Isoxazol-Derivat ist strukturell nicht mit anderen Basistherapeutika verwandt und hat einen neuen Wirkungsmechanismus, informierte Professor Dr. Joachim Kalden von der Universitätsklinik Erlangen. Es hemmt die Proliferation von aktivierten Lymphozyten, einem wichtigen Faktor in der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis, da diese die Gelenkknorpel zerstören. Aktivierte Lymphozyten haben einen sieben- bis achtmal höheren Bedarf an Pyrimidin für die Nukleotidsynthese als ruhende Lymphzyten. Leflunomid unterbindet den Pyrimidinnachschub, indem es ein dafür notwendiges Enyzm, die Dihydroorotatdehydrogenase (DHODH) hemmt. In experimentellen Untersuchungen zeigte die Substanz keine apoptotischen oder nekrotischen Effekte, die Zufuhr von Uridin reaktivierte den Zellzyklus vollständig.
PZ-Hintergrund Die Vielzahl der Arzneimittel, die zur Behandlung eingesetzt werden, ist der Beweis für das therapeutische Dilemma der rheumatoiden Arthritis. Zwei Arten von Arzneistoffen stehen im Wesentlichen zur Verfügung, informierte Professor Dr. Klaus Krüger von der Universitätsklinik München. Die einen wirken symptomatisch, also schmerzstillend und entzündungshemmend. Dazu gehören die nichtsteroidalen Antiphlogistika und Glucocorticoide. Die anderen sind Basistherapeutika, die heute DMARDs (disease modifying antirheumatic drugs) genannt werden, also in den Krankheitsprozess hemmend eingreifende krankheitsmodulierende Substanzen. Sie besitzen aber keine symptomatische Wirkung und werden deshalb meist in Kombination mit der erst genannten Arzneistoffgruppe eingesetzt. Zu den Klassikern unter den DMARDs gehören Gold, Azathioprin und D-Penicillamin. Als Goldstandard für schwerere Erkrankungsformen gilt Methotrexat, für leichtere Formen Sulfasalazin. Cyclosporin A und Leflunomid erweiteren die Therapiepalette.
Anders als noch vor zehn Jahren setzt man heute auf eine andere therapeutische Strategie. Bis zur Mitte der 80er Jahre begann man mit milden Substanzen, steigerte langsam nach Art eines Stufenplans und kombinierte mit DMARDs - oft erst nach einigen Jahren. Die Langzeitprognose wurde so kaum beeinflusst. "Heute ist bekannt, wie aggressiv die Krankheit voranschreitet und welche ungünstige Langzeitprognose sich daraus ergibt. "Das Destruktionspotential ist in den ersten Krankheitsjahren am größten", sagte Krüger. Deshalb setze man heute sofort, wenn die Diagnose der rheumatoiden Arthritis fest steht, DMARDs ein, im Extremfall eine Kombination mehrerer stark wirkender Substanzen.
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