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Migräniker sind suizidgefährdet

18.09.2000  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

PHARMACON WESTERLAND

Migräniker sind suizidgefährdet

von Annette van Gessel, Westerland

"Es gibt kaum eine neurologische Erkrankung, die präziser definiert und genauer diagnostiziert werden kann als die Migräne." In seinem Vortrag über aktuelle Wege der Migränetherapie stellte Professor Dr. Hartmut Göbel von der neurologisch-verhaltensmedizinischen Schmerzklinik in Kiel die Kriterien für die Diagnose einer Migräne vor.

In Deutschland leiden etwa 17 Prozent der Frauen und 8 Prozent der Männer an Migräne. Die Kosten, die die Krankheit in der Europäischen Union verursacht, werden auf etwa 20 Milliarden Euro geschätzt. "In Deutschland werden rund 10 Milliarden DM pro Jahr durch Migräne vernichtet", so Göbel. Warum hauptsächlich Frauen von Migräne betroffen sind, ist bis heute ungeklärt. Migräne verursacht nicht nur Kosten, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die sozialen Aktivitäten und die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen sowie auf ihre Psyche. "Migräne bringt die Betroffenen zur Verzweiflung." Viele Patienten entwickeln zusätzlich eine Depression und sind Selbstmord gefährdet. 15 Prozent der Suizide werden von Migränepatienten begangen.

Göbel beschrieb detailliert das typische Verlaufsmuster einer Migräneattacke. Die erste Phase, die so genannte Ankündigungsphase, dauert ein bis drei Tage, die nachfolgende Aura durchschnittlich eine Stunde. Es folgt die Kopfschmerzphase über vier bis zu 72 Stunden und zuletzt eine Erholungsphase von einem bis zu zwei Tagen.

"Migräne ist eine Erkrankung des Gehirns, daran gibt es keinen Zweifel", konstatierte Göbel. Die Veränderungen der elektrischen Aktivität im Gehirn lassen sich durch EEG-Messungen gut nachvollziehen. Ebenso gut erforscht sind die Veränderungen an den Gefäßen und die beteiligten vasoaktiven Neuropeptide. Bei einer seltenen Migräneform, der familiären hemiplegischen Migräne, sind zwei Gendefekte auf Chromosom 19 beziehungsweise 1 bekannt.

Eine angemessene Therapie muss immer nicht medikamentöse Verfahren mit einbeziehen, forderte Göbel. Als allgemeine Maßnahmen nannte er die Reizabschirmung und Entspannungsmethoden. Außerdem appellierte er an seine Kollegen, die Patienten möglichst umfangreich über die Entstehung ihrer Erkrankung zu informieren. Je mehr die Patienten wüssten, umso weniger seien sie gefährdet, Irrglauben nachzugehen.

Zur Behandlung leichter Attacken stellte Göbel zwei Therapieschemata vor. Zum einen die Gabe von Metoclopramid oder Domperidon und nach einer Wartezeit von 15 Minuten die Einnahme von Acetylsalicylsäure oder Paracetamol oder Ibuprofen als Brauselösung. Das zweite Schema beruht auf der Gabe von 1000 mg ASS bei gleichzeitiger Pufferung des Magens. Die Pufferung ermöglicht den Verzicht auf die beiden verschreibungspflichtigen Substanzen Metoclopramid oder Domperidon. "Die Analgetika haben die Funktion eines Feuerlöschers", so Göbel. Sie müssen direkt zu Beginn der Attacke genommen werden, sonst sind sie wirkungslos.

Seit Einführung der Triptane in die Migränetherapie hat sich die Situation der Patienten deutlich verbessert. "Es gibt keinen Grund mehr, Ergotamine weiter zu verwenden", lautete Göbels eindeutige Meinung. Die Wahl der Applikationsform richtet sich bei den Triptanen nach den Anforderungen, die der Arzt an den Wirkungseintritt, -dauer oder -intensität stellt. Ist ein schneller Wirkungseintritt gewünscht, sollte der Arzt sich für Rizatriptan entscheiden. Zolmitriptan ist indiziert, wenn ein starker Effekt erzielt werden soll. Triptane können erst in der Schmerzphase eingesetzt werden, dann jedoch so frühzeitig wie möglich. Bei unzureichender Wirksamkeit eines Triptans riet er, bei der nächsten Attacke ein anderes Triptan zu verordnen. Tritt trotz Triptan der Kopfschmerz am folgenden Tag wieder sollte der Patient laut Göbel erneut dasselbe Triptan nehmen und bei Schmerzwiederkehr am dritten Tag ebenso verfahren. Allerdings dürfe die Dosis zehn Applikationen pro Monat nicht überschreiten.

Trotz der deutlichen Fortschritte seit Einführung der Triptane, habe die Migränetherapie ihr Ziel noch nicht erreicht, so der Referent. Die Zuverlässigkeit der Substanzen sei zwar groß, die Arzneistoffe helfen jedoch noch immer nicht 100 Prozent der Patienten. Als Neuentdeckung für die Migränetherapie nannte Göbel die Anwendung von Botulinum Toxin A. Er stellte die Ergebnisse zweier aktueller Studien vor. Botulinum Toxin A war dort auch bei schweren Attacken gut wirksam. Die Substanz ist gut verträglich und führt nicht zu zentralnervösen Nebenwirkungen. Die Anwendung erfolgt durch Injektion des Toxins in den Muskulus temporalis oder den Muskulus trapezius und sollte nur durch geübte Neurologen erfolgen. Die Wirkung einer Injektion hält immerhin über sechs Monate an. Top

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