Acarbose ausgezeichnet |
27.01.2003 00:00 Uhr |
Typ 2-Diabetes
von Christine Vetter, Berlin
Acarbose senkt neuen Studien zufolge bei Menschen mit verschlechterter Glukosetoleranz die Gefahr von Herzkreislaufkomplikationen um nahezu die Hälfte und die Herzinfarktrate um 91 Prozent. Der Wirkstoff wurde jetzt als „bewährtes und innovatives Medikament“ mit dem Urban & Vogel Award Robert Koch 2003 ausgezeichnet.
Die Gefahr kardiovaskulärer Ereignisse steigt nicht erst mit einem erhöhten Nüchternblutzucker, also einem manifesten Diabetes mellitus, sondern bereits dann, wenn nur postprandial die Blutzuckerwerte steigen, das heißt bei einer gestörten Glukosetoleranz. Denn die postprandiale Hyperglykämie schädigt das Endothel und leistet damit der Atherosklerose Vorschub. Man könne der Gefahr entgegen wirken, wenn die Betroffenen frühzeitig mit Acarbose behandelt werden, berichtete Dr. Professor Dr. Matthias Leschke, Esslingen, bei der feierlichen Verleihung des Preises am 24. Januar in Berlin.
Die Stop-NIDDM-Studie (Study to Prevent Non Insulin Dependend Diabetes Mellitus) hat nach seinen Worten jüngst eindrucksvoll belegt, dass mit dem oralen Antidiabetikum, das in 120 Nationen im Handel ist, direkt kardiovaskulären Komplikationen vorgebeugt werden kann. An der doppelblinden randomisierten Studie nahmen 1429 Personen mit verschlechterter Glukosetoleranz (Impaired Glucose Tolerance, IGT) teil. Drei bis fünf Jahre lang erhielten sie entweder Placebo oder Acarbose.
Das Ergebnis war hoch signifikant: Das Verum reduzierte die Zahl kardiovaskulärer Ereignisse um 49 Prozent und die Myokardinfarktrate sogar um 91 Prozent. Die Daten waren nach Leschke konsistent, denn auch die Angina pectoris trat 55 Prozent seltener auf. Zudem waren 39 Prozent weniger Revaskularisierung notwendig. In der Acarbose-Gruppe starben 45 Prozent weniger Patienten an kardiovaskulären Ursachen; die Rate zerebrovaskulärer Ereignisse war um 44 Prozent niedriger als in der Placebogruppe.
Außerdem beugte das Medikament dem Diabetes vor. Die Manifestationsrate war in der Verumgruppe 36 Prozent niedriger; 29 Prozent der Patienten erreichten wieder eine normale Glukosetoleranz.
Die Daten belegen nach Ansicht von Professor Dr. Eberhard Standl, München, dass Acarbose nicht nur ein gutes therapeutisches, sondern auch ein ausgeprägtes präventives Potenzial hat - im Hinblick auf den Diabetes wie auch auf dessen kardiovaskuläre Folgen. Dies ist bedeutsam, da Typ-2-Diabetiker Hochrisikopatienten sind. Immerhin stirbt nach Standl jeder zweite Typ-2-Diabetiker an einem vorzeitigen Herztod und rund 80 Prozent aller Herzinfarktpatienten haben Diabetes oder eine gestörte Glukosetoleranz.
Für eine frühzeitige präventive Intervention spricht nach Standl auch die Tatsache, dass die meisten Typ-2-Diabetiker bei Diagnosestellung bereits an ausgeprägten Folgekomplikationen des gestörten Glukosehaushalts leiden. Die Acarbose bezeichnete der Münchner Mediziner als „bewährtes Medikament mit neuer diabetes- und kardioprotektiver Relevanz“.
An der therapeutischen Wirksamkeit des a-Glukosidasehemmers
besteht kein Zweifel, betonten die Experten einhellig. Die Substanz ist gut
verträglich, allerdings können gastrointestinale Reaktionen wie Flatulenz
und Meteorismus den Patienten initial belästigen. Gravierende Nebenwirkungen
wurden trotz der breiten Anwendung bislang nicht registriert. Dem steht ein
hohes präventives Potenzial gegenüber, das es nach Leschke zu nutzen gilt.
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