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Viele offene Fragen zu Phytoestrogenen

02.06.2003  00:00 Uhr
Pharmacon Meran 2003

Viele offene Fragen zu Phytoestrogenen

„Brauchen wir einen Ersatz für die Hormonersatztherapie? Nein, aber neue Wirkstoffe für eine gezielte organspezifische Therapie von Hormonmangelsymptomen.“ Phytotherapeutika könnten hier einen Ansatz bieten, doch aus wissenschaftlicher Sicht sind noch viele Fragen offen.

Professor Dr. Hubertus Jarry von der Abteilung Klinische und Experimentelle Endokrinologie der Frauenklinik der Universität Göttingen berichtete über die phytopharmakologische Forschung mit Phytoestrogenen.

Diese „natürlichen“ Stoffe werden beim Verbraucher häufig als Alternative zu „chemischen“ Hormonen gepriesen. Präparate aus Soja und Rotklee sind als Nahrungsergänzungsmittel en vogue. Deren Inhaltsstoffe – meist Isoflavone - wirken ähnlich wie Estrogen, stimulieren also beispielsweise das Wachstum uteriner Zellen. Ideal wären jedoch Stoffe, die je nach Gewebe gezielt estrogen, antiestrogen oder neutral wirken, postulierte Jarry. Diese differenzierte Wirksamkeit kann man sich erklären, seit man verschiedene Estrogenrezeptoren (ER-a und -b, seit kurzem auch einen dritten Subtyp) kennt, die entweder ausschließlich oder in variablen Verhältnissen in den Geweben vorkommen.

Das Konzept der selektiven Estrogenrezeptormodulation, kurz SERM, ist in Synthetika wie Raloxifen und Tibolon wenigstens teilweise realisiert. Ähnliche Effekte zeigen Extrakte aus Cimicifuga racemosa in vitro und im Tierexperiment. Die Traubensilberkerze wird traditionell bei Wechseljahrsbeschwerden eingesetzt.

Als gutes Tiermodell für die Wechseljahre dient die ovarektomierte Ratte, erklärte der Biologe. An diesen Tieren dämpfte der Extrakt BNO 1055 die hohe LH-Ausschüttung aus der Hypophyse (LH: Luteinisierendes Hormon). Diese Pulse entstehen bei mangelnder Rückkopplung vom Ovar zum Zentralnervensystem und werden für Temperaturanstieg und Hitzewallungen verantwortlich gemacht. Das Uterusgewicht der Ratten nahm in keiner Untersuchung zu, berichtete Jarry. Am Knochen könnte der Extrakt protektiv wirken. Zumindest konnte der rasante Abfall der Knochendichte nach Ovarektomie etwas gemildert werden, wenn die Ratten postoperativ Cimicifuga-Extrakt bekamen. Größeren Nutzen, also einen weniger starken Abfall der Knochendichte, brachte allerdings die Substitution von Estradiol.

Jarry stellte eine kleine randomisierte doppelblinde Studie vor, bei der postmenopausale Frauen zwölf Wochen lang entweder konjugierte Estrogene, Cimicifuga-Extrakt (40 mg täglich) oder Placebo erhielten. Die klinischen Effekte wurden mit der etablierten Menopause Rating Scale erfasst. Auffällig war die hohe Placebowirkung. Die Substanzen wirkten zwar besser als Placebo, aber die Unterschiede waren nicht signifikant. Nur bei einzelnen psychovegetativen Symptomen zeigte sich eine signifikante Überlegenheit. Das Phytopharmakon beeinflusste das Endometrium nicht.

Möglicherweise könnte der Extrakt sogar antiandrogen wirken, meinte Jarry in der lebhaften Diskussion. Zumindest müssen die Frauen zusätzlich zu Cimicifuga keine Gestagene einnehmen. Zu den Wirkstoffen konnte der Referent keine Angaben machen; diese seien noch nicht klar identifiziert. Die Extrakte sind auf Triterpenglykoside standardisiert, obwohl diese nicht unbedingt für die SERM-Wirkung verantwortlich sind. Die Humandosis wurde empirisch gefunden.

Sehr vorsichtig äußerte sich Jarry zur Frage, ob der Pflanzenextrakt das Wachstum von Brustkrebszellen anregt. Die Ergebnisse von In-vitro-Studien seien widersprüchlich und vermutlich von der verwendeten Zelllinie und der Dosis abhängig. Sein Statement war deutlich: Bei Frauen mit Mammakarzinom in der Vorgeschichte sei Cimicifuga nicht unbedenklich. „Man muss genauso vorsichtig sein wie mit Estrogenen.“

 

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