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Hormonersatztherapie nicht verteufeln

02.06.2003  00:00 Uhr
Pharmacon Meran 2003

Hormonersatztherapie nicht verteufeln

Hormonersatztherapie: Wo stehen wir heute nach der WHI-Studie? In seiner Analyse der Daten aus der Women´s Health Initiative-Studie wandte sich Professor Dr. Thomas von Holst von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg energisch gegen eine „Verteufelung der Hormone“. Die Studie sei nicht geeignet, um deren primärpräventiven Effekt zu prüfen.

In der WHI-Studie erhielten rund 16.600 Frauen entweder täglich 0,625 mg konjugierte equine Estrogene plus 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat – eine in USA gängige Kombination - oder Placebo. Eine kleine Gruppe von Frauen, bei denen der Uterus entfernt worden war, erhielt nur Estrogene; dieser Studienarm läuft weiter. Der Studienarm mit der kombinierten Gabe war wegen erhöhter Herz-Kreislauf- und Krebsrisiken nach fünf Jahren vorzeitig abgebrochen worden, da deutlich mehr Herzinfarkte, Schlaganfälle und Thrombosen auftraten.

Doch die ausgewählte Studiengruppe war nicht geeignet, um eine Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse durch Hormonersatztherapie (HRT) nachzuweisen, betonte von Holst. Die Hälfte der einbezogenen „gesunden“ amerikanischen Frauen rauchte, je ein Drittel litt an Adipositas und Hypertonie, das Durchschnittsalter lag bei 63 Jahren. „Ein Horrorkollektiv“, denn alle diese Faktoren erhöhen per se das kardiale Risiko. Zudem zeigte die Studie, dass die meisten Koronarereignisse im ersten Behandlungsjahr auftraten, was auf eine erhöhte Thromboserate durch vorgeschädigte Gefäße zurückgeführt wird. Dieser Effekt ist seit der HERS-Studie bekannt und gilt auch für Raloxifen, erklärte der Arzt.

Dass Estrogene primärpräventiv wirksam sind, hätten viele Studien, unter anderem die Nurses Health Study gezeigt, betonte von Holst. Hier ging die Zahl schwerer Koronarereignisse um 40 Prozent zurück.

Für großes Medienecho sorgten die WHI-Zahlen zum Brustkrebs. Die Inzidenz stieg um 26 Prozent. In der Oxford-Reanalyse aller verfügbaren Daten nahm die Brustkrebsrate in fünf Behandlungsjahren um 12 Prozent zu. Von Holst wollte dies relativieren: Deutlich höher sei das Risiko für Frauen, die keine oder ihre erste Schwangerschaft im Alter über 35 Jahren hatten oder adipös sind. Die Ausdifferenzierung der Brust durch Menarche, Schwangerschaft und Stillzeit biete einen gewissen Schutz vor Noxen, erklärte er in der lebhaften Diskussion.

Ein günstigeres Bild ergab eine französische Kohortenstudie über 8,9 Jahre, die 28.000 Frauen einschloss. Hier stieg das Brustkrebsrisiko bei Anwendung von Estradiol-Gel plus natürlichem Progesteron nicht. Dies könne an der Art des Estrogens, der Arzneiform und vor allem am eingesetzten Gestagen liegen, sagte von Holst.

Die WHI-Studie belegte auch positive Effekte einer Hormonersatztherapie, zum Beispiel auf die Osteoporose-bedingte Frakturrate. Diese lag in der Behandlungsgruppe 30 Prozent unter der der Kontrollgruppe. Jeder dritte Knochenbruch wurde also verhindert. Betrachtet man nur die Gruppe der normalgewichtigen Frauen – übergewichtige haben ein geringeres Osteoporoserisiko -, sank die Rate sogar um die Hälfte. Ein positiver Effekt zeigte sich auch beim Dickdarmkrebs: Das Risiko nahm um ein Drittel ab.

Die Hormonsubstitution könnte auch eine Demenz aufhalten. In einer amerikanischen Studie mit 1880 Frauen senkte eine zehnjährige Therapie das Alzheimer-Risiko um 60 Prozent.

Der Referent zog ein klares Fazit: „Die Daten der WHI-Studie sind so nicht auf Mitteleuropa übertragbar.“ Beschwerdefreie Frauen brauchten keine Hormonsubstitution, aber bei deutlichen Symptomen müsse diese im Einzelfall erwogen werden. Ältere Frauen mit spezifischen Risiken, zum Beispiel Osteoporose oder Lipidstörungen, sollte man spezifisch behandeln. Wenn Frauen mit der Substitution gut zurecht kommen, würde von Holst sie nicht umstellen. Sein Rat für Adipöse: Abnehmen ist vernünftiger als auf Hormone zu verzichten.

 

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