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Frauenherzen schlagen anders

02.06.2003  00:00 Uhr
Pharmacon Meran 2003

Frauenherzen schlagen anders

Dass Frauen in Herzensdingen anders beschaffen sind als Männer, ist jedem Laien bewusst. Mittlerweile stützen aber auch medizinische Untersuchungen dieses Phänomen, erklärte Professor Dr. Ruth H. Strasser, Ärztliche Direktorin des Herzzentrums der Technischen Universität in Dresden.

Bislang waren diese Unterschiede wenig aufgefallen, da Frauen in der Regel nicht als getrennte Studienpopulation ausgewertet wurden. Retrospektive Metaanalysen beweisen nun, dass die Therapie von Herzerkrankungen sowie entsprechende Studien nach Geschlecht differenziert gestaltet werden sollten. Die physiologischen Bedingungen einer Frau weichen nämlich von denen des Mannes ab. So sind sie meist weniger körperlich aktiv und somit häufiger adipös, haben physiologisch eine höhere Herzfrequenz bei einem niedrigeren Blutdruck. Dieser nähert sich nach der Menopause mit zunehmendem Alter allmählich dem des Mannes an.

Im Vergleich zum Mann haben Frauen kleinere Koronararterien, wofür die hormonelle Umgebung verantwortlich ist, so Strasser. In einer Studie mit 86 Herztransplantationen teilten die Wissenschaftler Empfänger und Spender nach Geschlecht auf und konnten somit erkennen, dass sich der Gefäßdurchmesser hormonabhängig veränderte. Dabei reduzierten Estrogene nicht die Größe der Koronararterien; Androgene des männlichen Empfängers ließen die kleineren Koronararterien eines weiblichen Spenderherzens aber wachsen.

Trotz des geringeren Gefäßdurchmessers besteht für Frauen bis zur Menopause kein erhöhtes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis. Denn Estrogene verbessern die Endothel vermittelte Vasodilatation, die Gefäße sind stärker dehnbar. Sinken jedoch die Spiegel der weiblichen Hormone, verliert die Frau ihre besondere Vasoreagibilität, bis sie an das Niveau des Mannes gelangt, der aber die großen Gefäße hat. Die Frau verliert somit ihre vorteilhafte kardiovaskuläre Position.

Dennoch zeigen große Studien, dass die Prävalenz koronarer Herzerkrankungen bei Frauen niedriger ist als bei Männern. Schwierig ist es jedoch, eine koronare Herzerkrankung zu erkennen, da Frauen in der Regel an unspezifischen Beschwerden wie körperlichem Unwohlsein, Übelkeit oder Dyspnoe leiden, die schnell als klimakterische Beschwerden abgetan werden. So sei in einer Studie nur bei 32 Prozent eine Angina pectoris aufgetreten, 49 Prozent hingegen klagten bei einem akuten Koronarsyndrom über Erbrechen, berichtete Strasser.

Nicht nur das äußere klinische Bild kann den tatsächlichen Herzzustand verschleiern. Auch ein Belastungs-EKG kann die Diagnose verfälschen, da es bei 30 bis 70 Prozent der Frauen falsch positive Befunde liefert. Der prädiktive Wert liegt daher mit 39 Prozent deutlich unter dem des Mannes mit 85 Prozent. Die Referentin riet bei weiblichen Patienten zur Stress-Echokardiographie, die eine 95-prozentige Sicherheit biete.

Auf Grund der erschwerten Diagnose ist nach einem Herzinfarkt die Zeit bis zur Therapie beziehungsweise Hospitalisierung länger, ebenso die zwischen Einlieferung und erstem Eingriff. Dies könnte erklären, weshalb Frauen eine höhere Mortalitätsrate im Krankenhaus haben als Männer, so Strasser. Die Ein-Jahres-Mortalität sei jedoch vergleichbar.

Auch die Herzinsuffizienz äußert sich beim weiblichen Geschlecht anders, und zwar mit deutlich mehr Symptomen, in einem höheren Alter und eher verbunden mit arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus und einer erhaltenen systolischen Funktion. Die Behandlung mit Digoxin war in einer Studie assoziiert mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko, die Überlebensrate ohne das Herzglykosid besser. Digitalisglykoside dürften daher nur bei eingeschränkter systolischer Funktion gegeben werden, betonte die Ärztin. Eine retrospektive Metaanalyse ergab, dass ACE-Hemmer das Risiko für Männer senkte, bei Frauen jedoch in einigen Studien erhöhte. Sie profitierten insgesamt weniger von ACE-Hemmern, insbesondere in der Prävention einer Herzinsuffizienz. Beta-Blocker hingegen schützen beide Geschlechter gleich gut.

Die gefäßprotektiven Effekte von Estrogenen sollten nach früherer Vorstellung mit einer Hormonersatztherapie (HRT) zeitlich verlängert werden. Die WHI-Studie zeigte jedoch deutlich höhere Raten von Schlaganfällen und koronarer Herzkrankheit unter einer Hormonkombination. Auch wenn aus kardiovaskulärer Sicht keine Indikation für eine HRT bestehen, warnte die Referentin davor, die Hormongabe nun generell abzulehnen. Vielleicht sei nicht die „richtige“ Kombination gewählt worden, denn das „biologische Experiment“ zeige, dass die prämenopausale Frau gut vor Herzproblemen geschützt sei.

 

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