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Neu ist nicht gleich innovativ

14.06.2004  00:00 Uhr
. Pharmacon Meran 2004

Neu ist nicht gleich innovativ

Die in den Jahren 2003 und 2004 neu in den Markt eingeführten Fertigarzneimittel unterzog traditionell Professor Dr. Hartmut Morck, Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, einer kritischen Betrachtung. Von den 16 neuen Stoffen könnten lediglich sechs als echt und drei als teilweise innovativ bezeichnet werden.

Eine echte Innovation sei das Nukleotidanalogon Adefovirdipivoxil (Hepsera®) zur Behandlung einer chronischen Hepatitis-B-Infektion von Lamivudin-resistenten Patienten. Da die Durchimpfrate gegen Hepatitis B in Deutschland bei circa 5 Prozent liegt, müsse man durchaus mit Krankheitsfällen rechnen.

Bisher standen zur Therapie Interferon alpha und Lamivudin zur Verfügung, wobei das Interferon jedoch bei einer dekompensierten Leberfunktion kontraindiziert ist und Lamivudin ein hohe Resistenzentwicklung aufweist. Der neue Arzneistoff ist ein Prodrug und wird im Organismus zur Wirkform Adefovirdiphosphat umgewandelt. Diese hemmt die Polymerasen des Hepatitis-B-Virus und führt nach Einbau in die Virus-DNA zum Kettenabbruch. In der zugelassenen Dosierung von 10 mg einmal täglich ist die Substanz gut verträglich. In einer zweijährigen Studie entwickelten 1,6 Prozent Patienten eine Resistenz, was verglichen mit 36 Prozent unter Lamivudin sehr gering sei. Auf Grund der Datenlage sollte die Substanz zur First-line-Therapie zugelassen werden, so Morck.

Mit Enfuvirtid (Fuzeon®) steht der erste Vertreter der so genannten Fusionshemmer beziehungsweise Entry-Inhibitors zur Behandlung der HIV-Infektion zur Verfügung: Der neue Arzneistoff verhindert den Eintritt der Virus-RNA in die menschliche Zielzelle. In den Zulassungsstudien zeigte Enfuvirtid eine gute antiretrovirale Wirksamkeit und Verträglichkeit. Allerdings sei auf Grund der peptidischen Struktur auch mit dieser Substanz keine vollständige Eradikation des Virus aus dem Körper möglich. Das aus 36 Aminosäuren bestehende relativ große Molekül könne künftig noch verkleinert werden.

Aprepitant (Emend®) ist als erster Neurokinin-1-Antagonist in Kombination mit Corticosteroiden und 5-HT3-Antagonisten zur Behandlung von Cisplatin-induziertem Erbrechen zugelassen. Dabei ist der Arzneistoff nach dem Vorbild von Neurokinin 1 aufgebaut, das vermutlich eine entscheidende Rolle beim verzögerten Erbrechen spielt. Die Substanz passiert die Blut-Hirn-Schranke und verstärkt durch Blockade der Neurokinin-1-Rezeptoren im Gehirn die antiemetische Wirkung der 5-HT3-Antagonisten sowie von Dexamethason. Bei 73 Prozent der Patienten trat unter der Dreierkombination kein Erbrechen auf, was verglichen mit 52 Prozent unter der Standardtherapie einen großen Gewinn an Lebensqualität darstelle.

Das gentechnisch hergestellte Fragment des Parathormons, Teriparatid (Forsteo®) wirkt osteoanabol und ist zur Therapie der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen, in den USA auch bei Männern zugelassen. Dabei ist die Therapiedauer auf 18 Monate beschränkt. Unter physiologischen Bedingungen bewirkt Parathormon eine Osteolyse durch Aktivierung der Osteoklasten. Daneben kann es aber auch die Proliferation und Differenzierung der Osteoblasten stimulieren und deren Lebensdauer verlängern. Diese anabole Wirkung wird mit Teriparatid durch eine intermittierende Gabe erzielt. Eine abschließende Risikobewertung zum Auftreten von Osteosarkomen unter der Therapie sei derzeit noch nicht möglich, sagte Morck.

Nach Finasterid (Proscar®) ist mit Dutasterid (Avodart®) der zweite 5-alpha-Reduktasehemmer zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) zugelassen. Während Finasterid vor allem das Isoenzym 2 hemmt, das vorwiegend im genitalen Gewebe vorkommt, blockiert Dutasterid zusätzlich das in der Leber und Haut vorkommende Isoenzym 1. Die Substanz wird daher als dualer Hemmstoff vermarktet. Hinsichtlich der Indikation BPH seien beide Arzneistoffe allerdings als gleichwertig anzusehen. Im Rahmen der klinischen Studien zeigte sich unter der Therapie mit 5-alpha-Reduktasehemmern ein vermindertes Prostatakarzinomrisiko, so dass hier eine neue Indikation erschlossen werden könnte.

Seit Anfang März ist der Estrogenrezeptorantagonist Fulvestrant (Faslodex®) als Second-line-Therapie bei fortgeschrittenem Mammakarzinom zugelassen. Im Gegensatz zu Tamoxifen, das den Transkriptions-Aktivierungsfaktor AF1 hemmt, verhindert Fulvestrant darüber hinaus die Aktivierung von AF2. Da die Substanz keine partiell agonistische Wirkung wie Tamoxifen besitzt, wird der Rezeptor erstmals vollständig deaktiviert und in der Folge beschleunigt abgebaut. Zudem weist Fulvestrant keine Kreuzresistenzen zu anderen Antiestrogenen oder Aromatasehemmern auf.

Mit Yttrium-90-markiertem Ibritumomab-Tiuxetan (Zevalin®), einem Radioimmuntherapeutikum, stehe eine schonende Strahlenbehandlung zur Second-line-Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms zur Verfügung. Das Wirkprinzip beruht in erster Linie auf dem reinen Betastrahler Yttrium-90, der durch den Chelator Tiuxetan an den murinen Antikörper Ibritumomab gebunden ist. Verglichen mit Iod-131-gekoppelten Antikörpern hat Zevalin eine größere Reichweite und Energie der Strahlung. Unter der Therapie erreichen 30 bis 45 Prozent der Patienten Komplettremissionen, unter dem monoklonalen chimäre Antikörper Rituximab waren es nur 16 Prozent. /

 

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