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Keine Entwarnung

05.05.2003  00:00 Uhr
SARS

Keine Entwarnung

dpa/PZ  Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat vergangene Woche die Reisewarnung für das kanadische Toronto aufgehoben, weil dort seit zwei Wochen niemand mehr neu am schweren akuten Atemwegssyndrom (SARS) erkrankte. In Peking hingegen scheint die Epidemie ihren Höhepunkt noch nicht erreicht zu haben. Das Virus wurde offensichtlich selbst von Experten unterschätzt.

Das SARS-Virus ist ansteckender als zunächst angenommen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ergab, dass das Virus wesentlich widerstandsfähiger ist als andere Viren der gleichen Familie. Deshalb könne der Erreger nicht nur von Mensch zu Mensch übertragen werden, sondern überlebe zum Beispiel bei Zimmertemperatur auf Plastikoberflächen mehr als 24 Stunden lang. „Auch kalte Temperaturen von unter null Grad können ihm kaum etwas anhaben“, sagte SARS-Expertin Maria Ching am Montag der dpa in Genf. Jedoch vertrage das Virus keine Hitze und könne Temperaturen über 56 Grad nicht überstehen.

Im menschlichen Stuhlgang könne es sich sogar bis zu vier Tage halten, ergab die Studie. „Die gute Nachricht ist, dass sich das SARS-Virus mit gewöhnlichen Desinfektionsmitteln abtöten lässt, wie wir jetzt herausgefunden haben“, erklärte Ching. Insgesamt sei ein Netzwerk von 13 internationalen Laboratorien mit der Studie befasst.

22 Menschen starben in Kanada

In Kanada hatte die WHO 148 Erkrankungen registriert. 22 Menschen waren an der Lungenkrankheit gestorben. Damit war Kanada das einzige westliche Land, das Todesfälle durch SARS registrierte. Deshalb und weil sich Menschen dort mit dem Virus infiziert hatten, es also nicht nur importiert wurde, hatte die WHO die Reisewarnung ausgesprochen.

Vollständige Entwarnung wollte Dr. Gro Harlem Brundtland, Generaldirektorin der WHO, für Kanada nicht geben. Innerhalb von Krankenhäusern sei es auch in den vergangenen drei Wochen zu Infektionen gekommen, schreibt sie in einer Presserklärung. Daher gelte der SARS-Ausbruch in Toronto noch nicht als unter Kontrolle und das Aufheben der Reisewarnung bedeute nicht, dass Toronto nicht mehr von SARS betroffen sei.

In Deutschland haben die Schutzmaßnahmen haben nach Ansicht des Berliner Robert Koch-Instituts (RKI) eine Ausbreitung der Lungenkrankheit erfolgreich verhindert. Hier zu Lande habe es bislang keine Ansteckung gegeben, betonte das RKI vergangene Woche. Alle sieben Fälle des Schweren Akuten Atemwegssyndroms, die dem RKI bislang gemeldet wurden, seien aus SARS-Regionen importiert worden. Bei zwei Patienten wurden Coronaviren nachgewiesen.

Steigende Erkrankungsraten in China

Die Lage in Peking ist hingegen nicht unter Kontrolle. Chinas Regierungschef Wen Jiabao beschrieb die dortige Situation als „ernst“ - wegen des anhaltend starken Anstiegs der Erkrankungszahl. Der Ministerpräsident besuchte nach amtlichen Angaben vom Dienstag das speziell für Patienten mit SARS neu aufgebaute Krankenlager Xiaotangshan nördlich von Peking.

Die chinesische Hauptstadt ist mit bisher 1900 SARS-Patienten das Zentrum der Krankheit in China. Täglich kommen im Durchschnitt mehr als hundert hinzu. Unter den Erkrankten seien auch 136 Schüler und Studenten sowie 8 Kindergartenkinder, enthüllte der Sprecher der Stadtregierung, Cai Fuchao. 169 Erkrankte oder 8,9 Prozent seien unter 20 Jahre alt. 24 Kinder seien sogar jünger als 10 Jahre, gab der Sprecher erstmals genauere Daten über die Patienten bekannt, die die WHO schon länger gefordert hat.

Die Mehrheit der Erkrankten sei zwischen 20 und 50 Jahre alt, sagte der Sprecher. Ihr Anteil betrage mit 1391 Patienten 73 Prozent. Älter als 50 Jahre seien 17 Prozent oder 337 Patienten. Männer und Frauen machten jeweils die Hälfte aus. 17 Prozent oder 335 Erkrankte seien Mitarbeiter in Krankenhäusern. Von 8 erkrankten Ausländern seien 6 als geheilt wieder entlassen. Ein Finne sei gestorben. Ein Amerikaner liege in stabilem Zustand im Hospital. Bestätigt wurde auch, dass in Vororten Pekings inzwischen neun Bauern an SARS erkrankt sind.

Landesweit haben sich bereits 4280 Menschen angesteckt. 206 Menschen starben, davon allein in Peking 103 Patienten. Weltweit erkrankten insgesamt 6583 Menschen, 461 sind gestorben. Stärker betroffen sind außer China (inklusive Hongkong) und Kanada vor allem Taiwan und Singapur. Top

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