Hyaluronsäure auch nach Arthroskopie |
08.09.2003 00:00 Uhr |
Etwa eine Million Mal pro Jahr wird Hyaluronsäure in Gelenke injiziert. Meist handelt es sich dabei um Kniegelenke, die von Arthrose betroffen sind und den Patienten starke Schmerzen bereiten. Über neue Anwendungsgebiete berichteten Experten kürzlich auf einer Pressekonferenz am 5. September in Frankfurt am Main.
Hyaluronsäure ist ein hochmolekulares Biopolymer aus Glucuronsäure und N-Acetylglucosamin, das in zahlreichen Geweben und Körperflüssigkeiten vorkommt. Dazu zählen zum Beispiel die Haut, der Glaskörper des Auges und der Gelenkknorpel. In besonders großen Mengen kommt Hyaluronsäure in der Gelenkschmiere vor, der sie ihre typische Viskosität verleiht, erklärte Dr. Johannes Mortier von der Orthopädischen Universitätsklinik in Frankfurt während der von TRB Chemedica veranstalteten Pressekonferenz anlässlich des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
1970 wurde die Hyaluronsäure zum ersten Mal in Gelenke injiziert. Allerdings nicht beim Menschen, sondern bei Rennhengsten, die unter Arthrose in Sprunggelenken litten. Vier Jahre später wendeten Ärzte das Polymer erstmals beim Menschen an. Sie injizierten das Schmiermittel ins Knie, das auch jetzt noch Indikationsgebiet Nummer eins ist. Die Fachgesellschaften empfehlen heute fünf Injektionen Hyaluronsäure in wöchentlichem Abstand – eine Behandlungsmethode, die inzwischen als Viskosupplementation bezeichnet wird.
Die ursprünglich aus Hahnenkämmen isolierte Hyaluronsäure wird inzwischen fermentativ mithilfe von Bakterien hergestellt. Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen auf Hühnereiweiß gehören damit der Vergangenheit an. Zahlreiche klinische Studien belegen den therapeutischen Nutzen intra-artikulär applizierte Hyaluronsäure bei Arthrose, vor allem jener des Kniegelenks, erklärte Mortier. Ärztliche Fachgesellschaften empfehlen die Injektion von Hyaluronsäure schon in einem relativ frühen Arthrosestadium, besonders dann, wenn nicht pharmakologische Maßnahmen und einfache Analgetika nicht mehr ansprechen oder wenn nicht steroidale Analgetika kontraindiziert sind, nicht ausreichend wirken Nebenwirkungen verursachen.
Schmerzlindernde Wirkung
In der praktischen Anwendung hat sich gezeigt, dass die Injektion von Hyaluronsäure eine längerfristige schmerzlindernde Wirkung hat als ursprünglich erwartet. Offenbar stimuliert die Behandlung die Synoviozyten zu einer verstärkten Produktion körpereigener Hyaluronsäure. Die schmerzstillende Wirkung und der Effekt auf Funktionsstörungen setzen zwar langsamer ein als zum Beispiel die Wirkung von Glucocorticoiden, aber der Behandlungserfolg hält deutlich länger an. Wird die Hyaluronsäure unter sterilen Bedingungen injiziert, so bleiben unerwünschte Begleitwirkungen wie Gelenkinfektionen aus.
Einziger Nachteil für die Patienten: Die Anwendung des Polymers in der Arthrosetherapie wird nicht von der Gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Die Patienten müssen die Kosten als Individuelle Gesundheitsleistung (IgeL) selbst tragen.
Neu ist die Anwendung der Hyaluronsäure nach Arthroskopie des Kniegelenks. Die arthroskopische Lavage kommt dann zum Einsatz, wenn konservative Maßnahmen bei anhaltenden Beschwerden im Kniegelenk nicht mehr helfen. Dabei werden Knorpelabrieb sowie Entzündungsmediatoren und -zellen aus dem Gelenk gespült. Falls nötig, werden die aufgerauten Knorpeloberflächen zusätzlich begradigt. Allerdings hat die im Gelenk verbleibende Spüllösung offenbar negative Auswirkungen auf den Gelenkknorpel. Daher wurde jetzt ein temporärer Ersatz der Synovialflüssigkeit in Form des Hyaluronsäurepräparates Viscoseal® entwickelt. Professor Dr. Harald Hempfling von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Murnau am Staffelsee präsentierte in Frankfurt die Ergebnisse einer Studie, bei der die Hälfte der Patienten nach der Lavage Hyaluronsäure ins Gelenk injiziert bekamen, um die fehlende Gelenkschmiere zu ersetzen. Insgesamt nahmen 80 Patienten an der Studie teil.
Funktion der körpereigenen Hyaluronsäure Sowohl die Chondrozyten des Gelenkknorpels als auch die Synoviozyten der Synovialmembran synthetisieren Hyaluronsäure. Benötigt wird das Polymer von Gelenkknorpel, Synovialflüssigkeit und Synovialmembran. Im Gelenkknorpel bildet die Hyaluronsäure das Rückgrat der wasserspeichernden Proteoglykane, die zusammen mit den Kollagenfasern eine extrazelluläre Matrix für die Knorpelzellen bilden. Der Synovialflüssgikeit verleiht das Polymer die typische Viskosität und die schmierenden Eigenschaften. Außerdem verhindert Hyaluronsäure in der Synovia durch die Netzstruktur ihrer Makromoleküle die freie Passage von Entzündungsmolekülen und -zellen durch den Gelenkbinnenraum. Schmerzrezeptoren auf der Synovialmembran werden durch Hyaluronsäure beschichtet.
Es zeigte sich, dass beide Behandlungsverfahren zunächst deutlich und nachhaltig die Schmerzen reduzierten. Für den Zeitraum von zwei Wochen nach der Arthroskopie ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede. Drei Monate nach dem Eingriff begann sich jedoch in der Gruppe, die ausschließlich mit einer Lavage behandelt wurde, der Befund zu verschlechtern, während er in der Hyaluronsäure-Gruppe bis zu einem Jahr stabil blieb. Die so behandelten Patienten beurteilten die Wirksamkeit besser, hatten weniger Schwierigkeiten beim Gehen und geringere Schmerzen als die Patienten der Lavage-Gruppe. Auch der nächtlich auftretende Schmerz war geringer.
Bei der Arthrose des Daumensattelgelenks der Hand, Versteifungen des
Großzehengrundgelenks (Hallux rigidus) des Fußes und X-förmiger Abknickung
der Großzehe (Hallux valgus) verbesserte die Injektion von Hyaluronsäure
ebenfalls die Symptomatik. Dabei reichten zwei bis drei Injektionen
geringerer Mengen an Hyaluronsäure (Ostenil® mini,
Fertigspritzen zu 10 mg/1 ml) aus, um die Schmerzen deutlich zu
reduzieren, berichtete Dr. Martin Talke, Facharzt für Orthopädie und
Rheumatologie, Berlin.
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