Vorurteile besiegen |
29.11.2004 00:00 Uhr |
Menschen mit Depressionen haben zu wenig Disziplin, an Schizophrenie Erkrankte sind unberechenbar, gewalttätig und gefährlich und Süchtige an ihrer Situation sowieso selbst Schuld. In Deutschland sind derartige Vorurteile gegenüber psychisch Kranken gang und gäbe.
Obwohl seelische Erkrankungen inzwischen als gleichwertig zu physischen anerkannt sind, werden Betroffene häufig wie Aussätzige behandelt, ihre Ärzte verhöhnt und Spezialkliniken als „Irrenanstalten“ bezeichnet. Diese Stigmatisierung lässt die Betroffenen schweigen und sich zurückziehen, treibt sie häufig in die soziale Isolation und wird als zusätzliche Belastung zur „zweiten Krankheit“, berichtete Professor Dr. Wolfgang Gaebel auf der Auftaktveranstaltung zum nationalen Antistigmaprogramm in Berlin. Zudem diskriminieren sich die Kranken auch häufig selbst. „Die Einsicht „mit mir stimmt etwas nicht“ stößt auf dieselben Vorurteile wie in der Bevölkerung“, sagte der Direktor der Psychiatrischen Klinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. So verdrängen Betroffene die Krankheit, begeben sich erst spät oder gar nicht in Behandlung und verbauen sich damit die Chance auf Heilung.
Diese Situation bringt nun das Nationale Programm zur Entstigmatisierung seelischer Erkrankungen auf den Plan. Ziel der gemeinsamen Initiative des Vereins „Open the doors“, der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie des Bundesgesundheitsministeriums ist es, falsche Vorstellungen und negative Einstellungen gegenüber psychisch Kranken zu beseitigen. Dabei gilt es, die Bevölkerung über Ursachen, Symptome, Verlauf und Therapie psychischer Krankheiten aufzuklären. Künftig sollen für diese Initiative auch Politiker, die Industrie, die Medien sowie Heilberufler und Selbsthilfegruppen gewonnen werden.
Wie erfolgreich Aufklärung ist, zeigt die Antistigmakampagne Münster,
die auf der Veranstaltung ausgezeichnet wurde. Den mit 6000 Euro dotierten
Preis, den jeweils zur Hälfte die DGPPN und Sanofi Synthelabo stifteten,
erhielt die Initiative für ihr umfangreiches Schulprojekt:
Pädagogikstudenten besuchten zusammen mit Betroffenen 430 Schüler der 9.
und 10. Klasse und informierte in jeweils vier Stunden über psychische
Erkrankungen. Damit bauten sie Stereotypen sowie die Distanz der Schüler
gegenüber den Erkrankten ab.
© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de