Diagnose vom Anrufbeantworter |
01.03.2004 00:00 Uhr |
Frauen mit Brustkrebs fühlen sich häufig von Ärzten allein gelassen. Während die Heilungschancen in den vergangenen Jahren wuchsen, ist der Umgang mit den Patientinnen noch sehr verbesserungswürdig. Besonders die psychosoziale Betreuung weist einer Studie der Deutschen Krebshilfe zufolge strukturelle Schwachstellen auf.
Nach der Diagnose Mammakarzinom überstürzen sich meist die Ereignisse. Die Frau fühlt sich dabei häufig als passives Objekt – sie konnte die neue Situation noch nicht verarbeiten, wobei der Arzt schon auf eine baldige Operation drängt. Mediziner sollten daher nicht nur auf medizinische Aspekte achten, sondern stärker auf die erkrankte Person eingehen, sagten Experten auf der Pressekonferenz der Deutschen Krebshilfe auf dem 26. Deutschen Krebskongress in Berlin. Eine Studie mit Brustkrebspatientinnen zeige, dass es dringend notwendig sei, die Situation der Betroffenen zu verbessern, sagte Wilfried Jacobs, Vorstandsmitglied der Deutschen Krebshilfe. So erhielten Frauen wichtige Informationen zur Therapie häufig gar nicht oder erst zu spät und wurden in die Entscheidungsfindung nicht miteinbezogen. Außerdem holten sie sich meist keine Zweitmeinung ein, was später zu Zweifeln an der Therapie führen und die Frauen nachhaltig belasten kann.
Vor allem mangelt es der Studie zufolge an psychosozialer Versorgung. 61 Prozent der 400 befragten Frauen fürchteten sich vor möglichen Rezidiven, 28 Prozent hatten Angst vor dem Tod. Nur ein Drittel der Frauen ließ sich psychosozial beraten, lediglich die Hälfte war über diese Möglichkeit überhaupt informiert. Behandelnde Ärzte müssten daher zum einen selbst mehr Einfühlungsvermögen zeigen und zum anderen den Kontakt mit Psycho-Onkologen oder Selbsthilfegruppen unterstützen, forderte Jacobs. Ebenso sei es nötig, das Krankenhaus-Umfeld patientenfreundlicher zu gestalten, vor allem die häufig dunklen Keller, in denen laut Vorschrift die Strahlentherapie abläuft. Damit sich Patientinnen generell in Krankenhäusern weniger verloren fühlen, sollten diese Informationsbroschüren anbieten, wofür die Deutsche Krebshilfe bereits Vorlagen erarbeitet hat.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und leitliniengerechte Therapien
mit entsprechender Dokumentation müssen in Deutschland flächendeckend
vorangetrieben werden, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Senologie, Professor Dr. Diethelm Wallwiener aus Tübingen. Gesetzliche
Voraussetzungen seien geschaffen, jetzt gelte es, Leitlinien und
Disease-Management-Programme umzusetzen, um die Patientinnen optimal
behandeln zu können. Am besten sind Betroffene in zertifizierten
Brustzentren aufgehoben, die in die gesamte Behandlungskette von Diagnose
bis hin zur Nachsorge eingebunden sind. Durch reibungslose Abläufe könne
in den Zentren auch die Psychotherapie besser finanziert werden, die in
vielen Krankenhäusern wegrationalisiert werde. Bisher haben erst 16
Kliniken in Deutschland die Zertifizierung, die noch freiwillig ist,
vorgenommen. Wallwiener hofft, dass nun alle Bundesländer dem Beispiel von
Nordrhein-Westfalen folgen, das die Kliniken verpflichtet, die hohen
Qualitätsanforderungen zu erfüllen.
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