Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign

Unterschätzte Gefahr auf Reisen

Datum 24.01.2005  00:00 Uhr
Cholera

Unterschätzte Gefahr auf Reisen

von Brigitte M. Gensthaler, München

“Cook it, boil it, peel it – or forget it“. So einfach die Ernährungsregel für Reisende auch klingt, so schwierig ist sie einzuhalten. Viele Touristen bezahlen die mangelnde Sorgfalt bei der Auswahl von Essen und Trinken mit Durchfällen, einige auch mit einer Cholera-Infektion.

Der Erreger der Cholera, Vibrio cholerae, ist heute weltweit verbreitet. Seit Jahrhunderten im Delta von Ganges und Bramaputra bekannt, begann die Erkrankung im 19. Jahrhundert, den indischen Subkontinent zu erobern. Die derzeitige siebte Pandemie breitet sich seit 1961 weltweit aus. 1970 griff sie auf Afrika über, wo Cholera heute ein großes Problem darstellt. 1991 trat sie erstmals seit über 100 Jahren wieder in Lateinamerika auf und breitete sich in kürzester Zeit von Peru bis Mexiko aus.

„Cholera geht um die Welt“, beschrieb Dr. Christian Schönfeld vom Tropeninstitut Berlin bei einer Pressekonferenz der Chiron Behring die Verbreitung der „Wanderseuche“. Gefährdet sind vor allem Menschen in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte, schlechtem Gesundheits- und Hygienestandard sowie Armut und Hunger. 2003 meldeten 45 Länder der WHO insgesamt 111.575 Erkrankungen mit fast 1900 Toten; 95 Prozent der Fälle wurden in Afrika beobachtet. Die tatsächlichen Zahlen dürften weitaus höher liegen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass nur 5 bis 10 Prozent der Erkrankungen gemeldet werden. Schönfeld hält sogar 3 bis 5 Millionen Erkrankte und 120.000 bis 200.000 Tote pro Jahr für wahrscheinlich.

Wichtigste Therapie: ORS

Längst nicht jede Infektion mit Vibrio cholerae führt zu Symptomen. Bei 75 bis 80 Prozent bleibt die Infektion unerkannt. 15 bis 20 Prozent erleiden milde Durchfälle, die sich kaum von Durchfällen anderer Ursache unterscheiden. Bei etwa 5 Prozent der Infizierten wird die Erkrankung jedoch zur tödlichen Gefahr, warnte Schönfeld. In schweren Fällen verlieren die Kranken bei massiven „reiswasserähnlichen“ Durchfällen und Erbrechen 20 bis 25 Liter Flüssigkeit pro Tag. „Innerhalb von Stunden kann der Patient bis zu 10 Prozent seines Körpergewichts abnehmen“, schilderte er die lebensbedrohliche Situation.

Erste und wichtigste Maßnahme ist die Zufuhr von Wasser und Mineralien durch orale Rehydratationslösung (ORS; oral rehydratation solution), bei schwerer Dehydrierung auch durch intravenöse Gabe. Dies reduziert die Mortalität von 30 bis 50 auf etwa 1 Prozent. Antibiotika können die Erkrankung abkürzen und die Ausscheidung von Vibrionen vermindern, ersetzen die Rehydratation aber keinesfalls.

Vorbeugen ist möglich

Wie viele andere Erkrankungen auch, lässt sich die Seuche in Entwicklungsländern nur eindämmen, wenn sich Lebensstandard und hygienische Verhältnisse verbessern, denn nur die Versorgung mit sauberem Wasser und Lebensmitteln kann den fäkal-oralen Übertragungsweg unterbrechen. Darauf müssten auch Touristen in Endemiegebieten strikt achten, stellte der Mediziner klar. Zudem sollten sie das Baden in mit Kot oder Küchenabfällen verunreinigtem Wasser unterlassen.

Als weitere Präventionsmöglichkeit steht seit Oktober letzten Jahres ein oraler Totimpfstoff gegen Cholera zur Verfügung (Dukoral®). In Studien aus Bangladesh und Peru betrug die Schutzwirkung nach zwei Dosen 85 Prozent und hielt bei Erwachsenen zwei Jahre und bei Kindern sechs Monate an.

Günstig für Reisende ist, dass die Cholera-Vakzine einen „gewissen Schutz“ gegen Infektionen mit enterotoxischen Escherichia coli (ETEC) bieten, ergänzte Professor Dr. Hans-Dieter Nothdurft von der Abteilung Infektions- und Tropenmedizin der Uni München. Diese Erreger lösen etwa 30 bis 50 Prozent aller Reisediarrhöen aus. Andere Keime wie Shigellen, Salmonellen, Campylobacter jejuni, Rotaviren oder Lamblien sind weitaus seltener. Zwar klingen Reisedurchfälle nach wenigen Tagen meist von selbst wieder ab, doch jeder 100. Patient muss vorübergehend ins Krankenhaus. Bei 2 bis 3 Prozent werden die Durchfälle chronisch und halten länger als vier Wochen an.

Immunologische Kreuzreaktion

Der Schluckimpfstoff enthält abgetötete ganze Cholera-O1-Bakterien und die rekombinant hergestellte, nicht-toxische Choleratoxin-B-Untereinheit (rCTB). Damit induziert er Antikörper gegen bakterielle Komponenten und das CTB. Da das hitzelabile Toxin (LT) der ETEC-Bakterien strukturell, funktionell und immunologisch dem CTB stark ähnelt, kann es zu einer immunologischen Kreuzreaktion kommen.

In einer finnischen Studie sank die Durchfallrate bei Afrika-Reisenden um 23 Prozent, die der ETEC-verursachten Durchfälle sogar um 50 Prozent, berichtete Nothdurft. Eine zweite Studie zeigte, dass zwei Impfdosen vor der Abreise nötig sind, die Impfung im Zielland schützte nicht mehr.

Wichtig für die Beratung: Auch wer geimpft ist, muss die üblichen Hygiene- und Ernährungsregeln beachten. Die Vakzine kommt jedoch für Reisende infrage, die einem erhöhten Cholerarisiko ausgesetzt sind. So können Langzeit- und Abenteuerurlauber, Katastrophen- und Entwicklungshelfer sowie Menschen mit Vorerkrankungen, zum Beispiel mangelnder Magensäureproduktion oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, von dem Zusatzschutz profitieren.

 

Robert Kochs Komma-Bakterien Vibrio-cholerae-Bakterien sind gramnegative Stäbchenbakterien, die in Meer-, Süß- und Brackwasser leben. Auf Grund ihres Aussehens sprach Robert Koch von „Komma-Bakterien“. Von den 139 bekannten Serogruppen lösen nur die Serovare O1 (klassischer Biotyp und Biotyp El Tor) sowie der erst 1992 in Indien und Bangladesh entdeckte Typ O139 eine Cholera aus. Übertragen werden die Bakterien durch kontaminiertes Trinkwasser oder verseuchte, unzureichend gegarte Lebensmittel. Im Dünndarm produzieren sie das Choleratoxin, das zu massiven Durchfällen mit Verlust von Wasser und Elektrolyten führt.

  Top

© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa