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Herzinfarkt durch Depression

13.12.1999  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Herzinfarkt durch Depression

von Isabel Sievers, Eschborn

Seit den 70er Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Depression und Herzerkrankungen. Mit eindeutigen Ergebnissen: Patienten mit einer Depression sterben weitaus häufiger an kardiovaskulären Ereignissen. Umgekehrt steigt das Risiko für einen Zweitinfarkt, wenn ein Herzinfarkt-Patient nach dem Infarkt an Depressionen leidet. Dr. Bernd Ahrens, stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität zu Lübeck, berichtet im Interview mit der PZ über den aktuellen Stand der Forschung sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen.

PZ: Wie hängen Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammen?

Ahrens: Für Patienten mit Depressionen ist die Gefahr erhöht, an Erkrankungen des Herzens zu sterben. Umgekehrt weiß man auch, dass Menschen, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, ein erhöhtes Risiko haben, an einer Depression zu erkranken. Die Depression geht einher mit einer verstärkten Stressreaktion des Körpers, die sich auch in Funktionsstörungen des Herzens äußert. Ungeklärt ist bislang, ob Stress die Depression auslöst oder ob die Depression den Stress verursacht. Sicher ist, dass bei depressiven Patienten die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut erhöht ist.

PZ: Spielt bei Depressionen ausschließlich Cortisol eine Rolle?

Ahrens: Nein, bei einer Depression verschiebt sich auch das Gleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn. Dabei spielen besonders Serotonin und Noradrenalin eine Rolle. Serotonin gleicht überschießende Reaktionen durch Noradrenalin normalerweise wieder aus. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass depressive Menschen zuwenig Serotonin produzieren. Deshalb reagiert der Körper verstärkt auf Reize, die der Botenstoff Noradrenalin vermittelt. Dazu gehört auch die vermehrte Ausschüttung von Cortisol.

PZ: Woran erkennt man, dass bei depressiven Menschen auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen wird?

Ahrens: Wir wissen heute, dass bei depressiven Patienten die Fähigkeit des Herzens abnimmt, die Herzfrequenz der jeweiligen Situation anzupassen. So schlägt das Herz eines Gesunden zum Beispiel langsamer, wenn er entspannt ist und rascher, wenn er "unter Strom steht". Bei einem depressiven Menschen zeigt das Herz diese Flexibilität nicht mehr. Diese so genannte verminderte Herzfrequenz-Variabilität, dient in der Medizin als wichtiges Zeichen für ein erhöhtes Risiko, an Herzinfarkt oder am plötzlichen Herztod zu sterben. Das gilt besonders für Menschen, die schon einen Herzinfarkt hinter sich haben.

Die Unbeweglichkeit des Herzens bei einem depressiven Menschen passt auch zum psychologischen Befund, der den Depressiven als einen seelisch und körperlich starren Menschen zeigt. Er ist oft nicht mehr in der Lage, sich auf die wechselnden Anforderungen des Alltags einzustellen, und er zeigt nur noch eine Gefühlsregung, nämlich die Traurigkeit.

PZ: Warum sollte man auch Depressionen, die als Folge eines Herzinfarkts auftreten, ernst nehmen?

Ahrens: Bislang ging man davon aus, dass die Depression in Folge des Herzinfarktes rein psychologisch zu verstehen sei. Mittlerweile gibt es aber viele Hinweise darauf, dass auch eine biologische Komponente existiert. Behandelt man Patienten, die nach einem Herzinfarkt unter einer Depression leiden, mit einer depressiv wirkenden Substanz, sinkt die Gefahr, am plötzlichen Herztod oder einem Zweitinfarkt zu sterben.

Der häufigste Fehler im Umgang mit Depressionen dieser Art ist, dass man glaubt, sie zu verstehen. Man geht davon aus, dass jemand, der einen Herzinfarkt hatte, auch depressiv sein muss. Diese Einstellung hat eine besondere Brisanz, da das Sterblichkeitsrisiko bei depressiven Patienten etwa um das zwei- bis dreifache im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist.

PZ: Kann man das Herzinfarktrisiko bei depressiven Menschen verringern, wenn man die Depression mit Arzneimitteln behandelt?

Ahrens: Die konsequente Therapie mit Antidepressiva - mit oder ohne vorausgegangenem Infarkt - wäre ein sinnvoller Beitrag, um das Herz-Kreislauf-Sterblichkeits-Risiko zu reduzieren. Wir sind allerdings nicht so weit, sagen zu können, dass durch die konsequente Behandlung der Depression Herzinfarkte gänzlich verhindert werden können, da zu diesem Geschehen auch andere körperliche Ursachen beitragen.

Bei depressiven Patienten nimmt die Fähigkeit des Herzens ab, die Herzfrequenz der jeweiligen Situation anzupassen.

Zeitgleich erscheint ein entsprechender Beitrag in der Neuen Apotheken Illustrierten.

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