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Künstliche Leber für Kinder

23.09.2002  00:00 Uhr

Künstliche Leber für Kinder

von Ulrike Wagner, Eschborn

Mit einem neuen Dialysegerät lässt sich das Blut von Kindern mit schwerem Leberversagen reinigen. Damit ist es möglich die Wartezeit auf ein Spenderorgan zu überbrücken, und manchmal erübrigt sich dadurch sogar die Transplantation. Die Universität Rostock und der Verein für Extrakorporale Detoxikation (VED) e. V. stellten Anfang September MARS®mini, die künstliche Leber für Kinder, in Berlin vor.

Viele Kinder mit schwerem Leberversagen sterben, bevor ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht, heißt es in den Presseunterlagen. Die Daten von Eurotransplant verdeutlichen dies: Im vergangenen Jahr erhielten zwar rund 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis zu 16 Jahren, die auf eine Lebertransplantation warteten, eine neue Leber, jedoch starb jeder zwölfte junge Patient während der Wartezeit.

Das neue Verfahren ist eine Weiterentwicklung der Leberdialysetherapie MARS® (Molecular Adsorbents Recirculating System), die 1999 für Erwachsene auf den Markt kam. Das System wurde an der Universität Rostock von den Medizinern Dr. Jan Stange und Dr. Steffen Mitzner entwickelt und soll körpereigene Giftstoffe entfernen. Die technische Herausforderung: Die toxischen Stoffwechselprodukte wie Bilirubin, Gallen- oder Fettsäuren sind nicht wasserlöslich und verstecken sich in den Molekülfalten großer Transporteiweiße. Bleiben sie zu lange im Blut, so schädigen sie Nervenzellen, erhöhen den Blutdruck im Gehirn und beschädigen andere wichtige Organsysteme.

Herkömmliche Dialyse ungeeignet

Herkömmliche Blutentgiftungsverfahren wie die Nierendialyse sieben kleine Moleküle durch die feinen Poren einer Kunststoffmembran, wobei alle wertvollen Inhaltsstoffe des Blutes erhalten bleiben, da sie zu groß sind, um die Membran zu passieren. Für die normalerweise von der Leber abgebauten Stoffwechselprodukte sind solche Membranen nutzlos, da sie in den Transporteiweißen wie dem Serumalbumin festsitzen.

Beim MARS-Verfahren helfen sich die Mediziner mit einem Trick. Hinter einer speziellen Dialysemembran lockt humanes Albumin mit freien Bindestellen die Giftstoffe aus dem Blut durch die Poren der Membran. Indem sie die Menge des Albumins variieren, können die Forscher den Stofftransport steuern.

Mit dieser Technologie lässt sich der Ausfall der Leber überbrücken oder gar deren Regeneration unterstützen, heißt es in den Presseunterlagen. Bislang kam das Gerät in mehr als 10.000 Einzelbehandlungen bei mehr als 2000 Patienten zum Einsatz. In mehreren Studien habe sich die Überlebensrate verbessert, heißt es in den Presseunterlagen.

Leber kann sich erholen

Eine der spannendsten Beobachtungen ist jedoch, dass selbst bei Patienten, die für eine Transplantation in Frage kommen, sich der Eingriff nach einer MARS-Behandlung erübrigen kann. Dies trifft sowohl für das akute Leberversagen zu, das Patienten mit einer gesunden Leber innerhalb von wenigen Tagen in ein komplettes Organversagen stürzt, als auch für Patienten, bei denen eine neu transplantierte Leber nicht anspringt. Deshalb hat ein europäisches Expertengremium aus Hepatologen und Lebertransplantations-Chirurgen ein Konsensus-Papier verabschiedet, in dem neben der weiteren Erforschung des MARS-Verfahrens bereits jetzt dessen klinischer Einsatz empfohlen wird.

Bis zum Juni dieses Jahres wurde das Blut von 35 Kindern im Alter zwischen drei Monaten und 18 Jahren mit dem eigentlich für Erwachsene entwickelten System ohne schwere Nebenwirkungen gereinigt. Die Ergebnisse seien viel versprechend, aber nicht immer sei es möglich, Kinder mit dieser Technologie zu behandeln, da deren Blutvolumen viel geringer ist. "Die neue Entwicklung MARSmini sorgt dafür, dass der Anteil des Blutvolumens, der außerhalb des Körpers zirkuliert, nicht zu groß wird. Damit können bisherige Behandlungsrisiken wie Unterkühlung verhindert werden", schreibt Mathias Klingler, Vorstandsvorsitzender der Teraklin AG, Rostock, die die Leberdialyse-Geräte weiterentwickelt und vertreibt.

Bei Kindern sind die Ursachen für ein Leberversagen oft Pilz- oder Medikamentenvergiftungen, aber auch Virushepatitiden. Auch Stoffwechselkrankheiten wie die biliäre Atresie, eine Krankheit, bei der die Gallenflüssigkeit nicht abfließen kann, oder die Kupferspeicherkrankheit können das zentrale Entgiftungsorgan ebenfalls ausschalten.

 

Zahlen und Fakten Insgesamt werden in Deutschland jährlich mehr als 70.000 Patienten wegen schwerer Lebererkrankungen im Krankenhaus behandelt. Insgesamt sterben jedes Jahr etwa 20.000 Menschen an den Folgen eines chronischen Leberversagens. Die Lebertransplantation als lebensrettende Therapie steht aber nur einem Bruchteil der leberkranken Patienten zur Verfügung. Neben medizinischen, ökonomischen und sozialen Gründen liegt dies vor allem an der Knappheit der zur Verfügung stehenden Spenderorgane. In Deutschland werden etwa 750 Lebern pro Jahr transplantiert, weltweit sind es weniger als 11.000. Hauptursache für eine akute, potenziell tödliche Verschlechterung der Leberfunktion ist die innere Vergiftung mit körpereigenen Abfallprodukten, nachdem die Leber initial durch eine Schädigung von außen versagt. Solche Schäden verursachen zum Beispiel Virusinfektionen, Alkohol- oder Medikamentenvergiftungen, sonstige Vergiftungen, zum Beispiel durch Knollenblätterpilze oder allgemeine schwere Erkrankungen des gesamten Körpers.

 

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