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Leichter leben in Deutschland

23.02.2004  00:00 Uhr

Leichter leben in Deutschland

von Hannelore Gießen, München

Was vor vier Jahren in einer niederbayerischen Stadt begann und im vergangenen Jahr als „Bayernweit-BayernLight“ die Pfunde purzeln ließ, soll jetzt das ganze Land auf Trab bringen: Abnehmen durch geschickte Ernährung, gezielte Bewegung und Spaß in der Gruppe. Die Initiatoren haben sich zum Ziel gesetzt, bundesweit 250.000 Kilogramm Übergewicht zu reduzieren.

Der Startschuss für die Aktion „Leichter leben in Deutschland“ fiel am 25. Februar in 110 bayerischen Städten. Die übrigen Bundesländer ziehen Ende März nach. Entstanden ist die Gesundheitsaktion aus der Ernährungsberatung in der Apotheke. Der Straubinger Apotheker Hans Gerlach initiierte im Jahr 2000, gemeinsam mit der Stadt Straubing, eine kleine Aktion „Fit ohne Fett in Straubing“. Damals nahmen 700 Personen teil, 2001 waren es schon 2000, ein Jahr später 5000. Im vergangenen Jahr speckten bayernweit 30.000 Teilnehmer insgesamt 110.000 Kilogramm ab. Jetzt wird die Aktion auf das ganze Land ausgedehnt.

Der Apotheker setzt bei seiner Initiative auf drei Elemente: Ernährung, Bewegung und Gruppendynamik. Keiner muss hungern, nur geschickt Lebensmittel auswählen. „An der Zusammensetzung der Ernährung ändern wir zunächst nichts, wir modifizieren nur. Statt 150 Gramm Fett täglich gibt es 50 bis 60 Gramm“, bringt Gerlach seine Botschaft auf den Punkt. Bäcker, Metzger, Einzelhändler und Gastronomen, die bei der Aktion mitmachen, kennzeichnen ihre Produkte und Speisen mit Fettpunkten, von denen 60 pro Tag „erlaubt“ sind.

In diesem Jahr hat Gerlach das Ernährungskonzept noch erweitert: Nicht nur Fett wird gemieden, sondern auch Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index. Denn größere Mengen an Mono- oder Disacchariden kurbeln die Insulinproduktion an, die dem Körper das Signal „Einlagerung“ gibt und damit einen Fettabbau erschwert. Deshalb sollen die Teilnehmer der Aktion nicht nur an Fett, sondern auch an Zucker und anderen Nahrungsmitteln mit hohem glykämischen Index sparen. Damit nehmen sie schneller ab, und trotz geringerer Kalorienaufnahme treten seltener Hungerattacken auf. Zur Unterstützung werden erstmals auch Abnehmhilfen wie Quellstoffe in das Konzept einbezogen.

Sport und Gruppendynamik

Dem Bewegungsmangel rückt Gerlach vor allem mit Walking- und Nordic-Walking-Gruppen zu Leibe. In allen Städten und Gemeinden werden dazu, in Zusammenarbeit mit Sportvereinen, Sportstudios oder freien Trainern, Gruppen gebildet, die ein- bis zweimal wöchentlich trainieren. Dritte Säule der Gesundheitsaktion ist der Wettbewerbseffekt. Gemeinsam abnehmen ist leichter und macht mehr Spaß. Gemessen wird der Erfolg einmal monatlich in den 200 teilnehmenden Apotheken, in denen Gewicht und Körperfettanteil bestimmt und in einen Gesundheitspass eingetragen werden.

In diesem Jahr wird der Wettbewerb besonders angeheizt: So versucht die Belegschaft des Münchner Flughafens die Kollegen der Frankfurt Airport beim Abnehmen auszustechen. Auch die teilnehmenden Städte wetteifern um verlorene Pfunde. Ausgezeichnet werden die fünf Städte oder Gemeinden, die den höchsten Fettverlust pro Teilnehmer für sich verbuchen können.

Wie groß der Nutzen des Abnehmens ist, unterstrich Professor Dr. Alfred Wirth, ärztlicher Direktor der Teutoburger Waldklinik in Bad Rothenfelde und Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, auf der Pressekonferenz zur Eröffnung der Initiative: „Wenn alle Diabetiker in Deutschland zehn Kilogramm abnehmen würden, hätten wir nur noch halb so viele Diabetespatienten.“ Übergewicht bringe den Betroffenen persönliches Leid, verkürze ihr Leben und koste die Gesellschaft viel Geld.

Dabei wird der Fettstoffwechsel seit zehn Jahren intensiv erforscht, und heute ist bekannt, dass es nicht gleichgültig ist, wo überflüssige Pfunde abgelagert werden. Die „Apfelform“ ist wesentlich gefährlicher als die „Birnenform“, denn das viszerale Fett in der Bauchregion ist stoffwechselaktiv. Dort werden verstärkt Hormone gebildet und auch Tumor-Nekrose-Faktor-a (TNF-a), der Untereinheiten des Insulinrezeptors hemmt und so die Insulinresistenz fördert. Dort wird auch mehr Leptin produziert, das im Zentralnervensystem die Bildung von Neuropeptid Y senkt und so ein Hungergefühl hervorruft. Durch die im Bauchfett verstärkte Lipolyse entstehen außerdem mehr freie Fettsäuren, die die Leber überschwemmen, zu Hyperinsulinämie führen und damit einem Diabetes den Boden bereiten.

Diese Risiken werden noch immer weit unterschätzt, mahnte Wirth und appellierte an Ärzte, Lehrer und Politiker, sich der dramatischen Entwicklung des Übergewichts in Deutschland anzunehmen. Die Adipositasforschung gehe heute davon aus, dass Übergewicht zur Hälfte auf genetische Faktoren zurückzuführen ist. Doch noch immer werde Fettsucht mit Willensschwäche und Faulheit assoziiert und in der Gesellschaft stigmatisiert. „Dabei reicht unser üblicher Lebensstil bei genetisch vorbelasteten Menschen bereits aus, um in eine positive Energiebilanz zu kommen“, verdeutlichte Wirth.

Bewegungsmangel als Risikofaktor

Dass die Gefahr von Übergewicht weit unterschätzt wird, zeigte auch der bayerische Staatsminister Werner Schnappauf an einer aktuellen Umfrage der bayerischen Staatsregierung auf: 10.000 junge Eltern sollten bei einer Aufzählung verschiedener Risiken einschätzen, welche die Gesundheit ihrer Kinder am meisten gefährden. Dieselbe Liste wurde auch von einem Expertenteam bewertet. Die größten Unterschiede in der Gewichtung gab es beim Bewegungsmangel, den die Eltern erst an vorletzter Stelle auf Platz 33 einstuften, während die Experten ihn nach Verkehrs- und anderen Unfällen für das drittgrößte gesundheitliche Risiko überhaupt hielten. Auch eine unausgewogene Ernährung beurteilten die Eltern als wenig problematisch: Sie rangierte in ihrer Skala auf Platz 24, während die Wissenschaftler sie bereits an achter Stelle der Gesundheitsrisiken für Kinder aufführten. Weitere Informationen zu der Aktion „Leichter leben in Deutschland“ sind unter www.llid.de zu finden. Apotheken, die an dem Projekt noch teilnehmen wollen, können sich wenden an: Hans Gerlach, Theresienplatz 18/20, 94315 Straubing, apo@einhorn-sr.de.

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