Lepra ist noch längst nicht besiegt |
27.01.2003 00:00 Uhr |
„Die Krankheit braucht eine Lobby. Wir versuchen, an das Gewissen der Menschen zu appellieren“, sagt Frank. Dies scheint nötiger denn je, denn die Spendensumme an das weltweite größte Hilfswerk seiner Art ist seit Jahren rückläufig. Vielleicht kann die kürzlich erfolgte Namensänderung der Organisation mit Sitz in Würzburg dieser Entwicklung entgegen wirken. Nach 46 Jahren strich das „Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk“ (DAHW) den Begriff „Aussatz“ aus seinem Titel und wandelte den Namen um in „Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe“. Das eingeführte Kürzel DAHW bleibt aber erhalten.
Immer weniger Menschen könnten mit dem Wort „Aussatz“ etwas anfangen, begründet der Präsident des Hilfswerks die Entscheidung. Der Begriff, mit dem in der Bibel die Ausgrenzung von Leprakranken aus der Gesellschaft beschrieben wird, ist nur in Deutschland gebräuchlich. Oft werde mit Aussatz etwas Abstoßendes bis Ekel erregendes verbunden, so Frank. „Wir kämpfen gegen das Stigma, das den Leprakranken anhaftet“, berichten die Mitarbeiter der Hilfsorganisation. „Aussätzig ist man nicht, aussätzig wird man gemacht“.
In Leprosorien weggesperrt Unklar ist die Situation der Leprakranken auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Dort leben – in Leprosorien zumeist streng von ihrer Umwelt abgeschieden – etwa 3000 leprakranke Menschen, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) in der aktuellen Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins. Etwa ein Viertel der Erkrankten lebt in Kasachstan. Die meisten der 13 staatlichen Leprosorien befinden sich in den asiatischen Republiken: neben Kasachstan in Tadschikistan, Turkmenistan, Aserbaidschan und Usbekistan. Aber auch in Estland, Lettland und der Ukraine gebe es solche Einrichtungen. In Russland sind vier Zentren bekannt, in denen Leprakranke betreut werden. Die Patienten in den Leprosorien erhielten teilweise noch bis Ende der 90er-Jahre eine Monotherapie mit Dapson.
Im vergangenen Jahr förderte das DAHW mit etwa 16 Millionen Euro Projekte in 45 Ländern. Die meisten Leprakranken gibt es in Indien. Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Krankheit bis 2005 unter Kontrolle zu bringen, sei völlig unrealistisch, meint Frank. Ein Hautproblem liege darin, das die Krankheit im Frühstadium schwer zu erkennen sei. Die Inkubationszeit kann laut DAHW bis zu 30 Jahre betragen.
Heute heilbar
Mit einer Antibiotika-Kombinationstherapie ist Lepra seit Anfang der 80er-Jahre heilbar. „Damit werden die Menschen bakterienfrei, was aber nicht heißt, dass damit die auch die physischen Handicaps der Patienten beseitigt werden können“, erklärt Frank. Folgeerscheinungen wie Verstümmelungen an Händen und Füßen oder Blindheit prägen das Bild der Krankheit, die Haut und Nerven befällt. Im späten Stadium sterben Gliedmaßen ab. Ausgelöst wird Lepra durch Bakterien. Ein Impfstoff konnte nach Angaben des DAHW noch nicht entwickelt werden.
Sozialarbeiter vor Ort sind der Schlüssel zum Erfolg im Kampf gegen die Lepra. Sie kennen die Empfindlichkeiten der Menschen und sollen helfen, die behandelten Patienten wieder ins das Berufs- und Alltagsleben einzugliedern. „Wir wollen die Menschen wieder in die Lage versetzen, dass sie selbst ihr täglich Brot verdienen können“, betont Frank. So vergibt die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe auch Kleinkredite für Arbeitsgeräte in Landwirtschaft und Handwerk oder bietet Ausbildungskurse an. In einem Dorf in Tansania wurde zum Beispiel eine Fischer-Kooperative ins Leben gerufen, in der Fischer ihre Ware gemeinsam vermarkten.
„Wir müssen die Krankheit bekämpfen und damit Armut verhindern. Denn die Krankheit macht arm“, sagt der 58-jährige DAHW-Präsident, der selbst zwei Jahre lang als Mediziner in Äthiopien Patienten versorgt hat. Auch in der kombinierten Behandlung von Lepra und Tuberkulose hat das 1957 von Würzburger Journalisten gegründete Hilfswerk eine Vorreiterrolle übernommen. In Pilotprojekten soll bald erprobt werden, wie auch HIV-Patienten im Rahmen der bewährten Strukturen mit internationalen Partnern besser behandelt werden können.
Vor 50 Jahren Als der französische Anwalt und Philosoph Raoul Follereau vor 50 Jahren den letzten Januarsonntag zum Welt-Lepra-Tag ausrief, zählte die WHO weltweit 15 Millionen Leprakranke, heißt es in einer Pressemitteilung des DAHW. Es gab kein Medikament, das die Lepra heilen konnte. Frauen, Männer und Kinder, die an Lepra erkrankten, wurden aus ihrer Familie und aus ihrer Gemeinschaft ausgestoßen. Sich um diese Ausgestoßenen zu kümmern, hieß, sie in Leprosarien zu verwahren. Kein Weg führte zurück ins Leben. Die Schar der Vergessenen wurde mit jedem Kranken größer.
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