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Mut zum Leben nach der Flammenhölle

29.01.2001  00:00 Uhr
SELBSTHILFEGRUPPEN

Mut zum Leben nach der Flammenhölle

von Christiane Berg, Hamburg

Phoenix Deutschland - Hilfe für Brandverletzte e. V.: Der Name der Selbsthilfeinitiative mit Sitz in Kaltenkirchen rührt her von der griechischen Sage, der zufolge ein Vogel von seltener Schönheit alle Jahre zu der Stätte seiner Geburt zurückkehrt, um sich selbst zu verbrennen und noch schöner und gestärkt aus der Asche zu steigen.

"Mut zum Leben geben, um aus dem Leid gefestigt und gestärkt hervorgehen zu können" ist Motto der Organisation, die Brandverletzten bei der Bewältigung ihres schweren Schicksals zur Seite steht. Phoenix Deutschland orientiert sich dabei an der Partnerorganisation Phoenix USA, die vor 25 Jahren von Alan Breslau gegründet wurde. Er überlebte den Absturz einer Verkehrsmaschine mit schwersten Verbrennungen.

Brandverletzungen gehören zu den furchtbarsten Verwundungen, die einem Menschen widerfahren können. Viele Betroffene scheuen die Öffentlichkeit. "Wir wollen unseren Leidensgenossen Willensstärke und Selbstakzeptanz verleihen, damit sie lernen, zu den mehr oder weniger sichtbaren Folgen des Unfalls zu stehen", so Walter Bernhard, Vorsitzender des Landesverbandes Süd, Eutingen. Auch er war Opfer eines Unfalls, der ihn fürs Leben gezeichnet hat.

Durchhaltevermögen gefordert

Am Morgen des 23. Dezember 1997 befüllt Bernhard als Fahrer eines Tankwagens den Tank eines anderen LKWs. Es ist noch dunkel. Die Tankpistole hat keine automatische Stoppvorrichtung. Um zu überprüfen, wann der Tank voll ist, bittet Bernhard den Lastwagen-Fahrer, ihm eine Taschenlampe aus dem Führerhaus seines Wagens zu holen. Dieser jedoch zückt ein Feuerzeug. Bernhard steht in wenigen Sekunden in meterhohen Flammen.

Die Ärzte der Verbrennungsklinik Ludwigshafen, die der Rettungshubschrauber anfliegt, geben ihm kaum Überlebenschancen. Der damals 52-Jährige erlitt Verbrennungen dritten und vierten Grades, die Haut war zu 64 Prozent zerstört. Ihn retten Eigenhautransplantate. Anfangs wird alle zwei Tage operiert. Über lange, qualvolle Monate müssen Gewebe und Gelenke durch krankengymnastische Übungen, Massagen, Kohlensäurebäder und das Tragen spezieller Kompressionsanzüge beweglich gehalten werden, müssen die Kollagenfasern regelmäßig ausgerichtet werden, um unkontrolliertes Narbenwachstum zu verhindern. Krankengymnastik ist auch heute noch jeden Tag angesagt.

Wie Walter Bernhard hat auch Bernhard Heitz, der erste Vorsitzende des Verbandes, sein Los angenommen und bewältigt. Er stürzte 1997 in Kanada mit einem Sportflugzeug ab und überlebte, obwohl 85 Prozent seiner Hautoberfläche aufs schwerste in Mitleidenschaft gezogen waren. Heitz war es, der die Phoenix-Idee mit nach Deutschland brachte, als er von Edmonton in ein Krankenhaus nach Hamburg verlegt wurde. Der Beistand der nordamerikanischen Verbrannten-Selbsthilfegruppe hatte ihm die Kraft und den Mut gegeben, durchzuhalten und seinen Lebenswillen zu stärken.

Bernhard wurde auf Heitz über einen Zeitungsartikel aufmerksam und nahm Kontakt zu ihm auf. Beide helfen heute anderen, die durch die Flammenhölle gegangen sind. So wie Heitz die Phoenix-Gruppe im Norden Deutschlands etabliert hat, will Bernhard das im Süden tun. In Zukunft sind regelmäßige Treffen geplant, bei denen auch Fachärzte und Psychologen referieren. Leidensgenossen sollen aus dem großen Pool an Erfahrungen schöpfen können, der sich inzwischen angesammelt hat.

Der Aufbau einer Selbsthilfe-Organisation wie Phoenix Deutschland (Nord: Postfach 12 20, 24560 Kaltenkirchen, Telefon 0 41 91/77 04 43 5, Fax 0 41 91/77 04 38; Süd: Lerchenweg 8, 72184 Eutingen, Telefon 0 74 57/81 51, Fax 0 74 57/93 14 69) ist kein leichtes Unterfangen. Zahlreiche organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten sind zu überwinden. Bernhard: "Wir sind dankbar über jedwedes Engagement, das es uns erlaubt, schwer geprüften Menschen den Weg aus der Isolation zu weisen."

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