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Tickende Zeitbombe im Auge

17.12.2001  00:00 Uhr

UVEITIS

Tickende Zeitbombe im Auge

von Wolfgang Kappler, Tübingen/München

"Beide Augen sind fast ständig entzündet. Das rechte ist blind, das linke durch starke Glaskörper- und Linsentrübung behindert. Wie soll ich jemals wieder meiner Berufstätigkeit nachgehen? Ich kann nicht mehr", berichtet eine Frau in einem Internet-Forum. Sie leidet an einer Uveitis. Die Augenkrankheit ist in Deutschland zwar kaum bekannt, zählt aber dennoch zu den Volkskrankheiten, weil eine halbe Million Menschen betroffen ist und jährlich 10.000 Neuerkrankungen hinzu kommen.

Unter dem Begriff Uveitis fassen Augenärzte eine Reihe entzündlicher Erkrankungen im Augeninnern zusammen, die ihren Ursprung in der Uvea, der Gefäßhaut, haben. "Wenn's weht tut, hat man Glück", sagt der Tübinger Professor Dr. Manfred Zierhut. Dann nämlich führt ein stark gerötetes, lichtempfindliches, tränendes und schmerzpulsierendes Auge Betroffene direkt zum Augenarzt. "Tückischer aber sind die schleichenden und schmerzfrei verlaufenden Entzündungen, die zu einer langsamen Sehverschlechterung führen, und die deshalb meist nur selten entdeckt werden. Schleier und Flocken vor den Augen werden verharmlost, Patienten kommen oft zu spät", weiß er.

Tragisch ist die unerkannte und in Schüben verlaufende Uveitis deshalb, weil die Lichtrezeptoren und Nervenzellen im Auge zerstört werden können. Außerdem können ein erhöhter Augendruck und eine Linsentrübung Folge der chronischen Entzündung sein. Dies kann zur Erblindung führen. Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands spricht deshalb von einer "tickenden Zeitbombe im Auge".

Die Ursachen sind vielfältig, und manchmal tritt die Uveitis zusammen mit anderen Erkrankungen auf. Bei Kindern ist es oft eine rheumatische Gelenkerkrankung, weshalb Kinderärzte unbedingt auch an den Augenarzt verweisen sollten. Beim Erwachsenen kommen ebenfalls Rheuma, entzündliche Sarkoidose, Morbus Bechterew, Schuppenflechte mit Arthritis, die durch Zeckenbisse übertragene Borreliose, Infektionen mit dem von Katzen übertragenen Parasiten Toxoplasma gondii, Tuberkulose, Herpes-Viren, HI-Viren, der Hautpilz Candida albicans, aber auch Verletzungen, Operationen und Hornhautkrankheiten in Frage, weshalb auch Internisten die Zusammenarbeit mit dem Augenarzt suchen sollten.

Ursachen selten bekannt

Die Diagnose ist überaus kompliziert, die Behandlung nicht minder. Ist die Ursache bekannt, zum Beispiel eine Infektion, lässt sich die Uveitis mit einem Antibiotikum oder einem Virustatikum in Kombination mit entzündungshemmenden lokal wirksamen Corticoiden behandeln. Doch bei 80 Prozent der Patienten tappen die Ärzte bei der Suche nach den Ursachen im Dunkeln. Vermutet wird ein Autoimmunprozess, bei dem sich die entgleiste Körperabwehr gegen Bestandteile der Netzhaut richtet. In diesen Fällen bleibt nur die orale Therapie mit Corticoiden und Immunsuppressiva, um so die Krankheitsschübe zum Stillstand zu bringen.

"Man stellt sich vor, dass sich die Entzündung wie in einem Regelkreis selbst unterhält", so der Kieler Privatdozent Dr. Karl F. Manthey. Dieser Regelkreis muss unterbrochen und gleichzeitig die Sehschärfe erhalten werden, was nicht immer gelingt. Trübt sich der Glaskörper, wird er entfernt. Weil sich in ihm viele für die Entzündung maßgebliche Zellen ansammeln, wird der Prozess dadurch vielfach gemildert. Bisweilen muss auch die getrübte Linse entfernt werden.

Einen neuen Ansatz verfolgt die Münchener Universitäts-Augenklinik. Dort stützen sich Dr. Stephan Thurau und die Biologin Dr. Gerhild Wildner auf die Erkenntnis, dass T-Zellen der Immunabwehr Netzhaut-Bestandteile angreifen, die Ähnlichkeit mit bestimmten im ganzen Körper vorkommenden Eiweiß-Molekülen (HLA = Humanes Leukozyten-Antigen) haben. Durch die Gabe des HLA-Peptides machten die beiden Münchner Wissenschaftler die Immunabwehr von acht Patienten toleranter. "Einige der Patienten haben seither keinen Entzündungsschub mehr, die Sehleistung konnte erhalten werden, Corticoide wurden reduziert und teilweise ganz abgesetzt", sagt Wildner.

Keine Lobby

"Uveitis-Patienten fallen im Allgemeinen wegen des schleichenden Krankheitsverlaufes im Alltag kaum auf. Sind aber Komplikationen aufgetreten, fallen sie durch alle gesetzlichen Raster", so die Biologin. Weil ihre Sehfähigkeit oft nur wenig über den Sehwerten liegt, die für die Anerkennung einer Blindheit maßgeblich sind, sind Uveitis-Patienten zwar stark behindert und können Beruf und Alltag nur schlecht bewältigen, sie gelten aber nicht als blind im gesetzlichen Sinne. Das macht die Uveitis auch zu einem sozialen Problem. "Eine Lobby haben die Betroffenen nicht", kritisiert Zierhut. Um die Aufklärung über die Volkskrankheit voranzutreiben, hat er die Deutsche Uveitis Arbeitsgemeinschaft gegründet, die den Austausch über Selbsthilfegruppen fördert. Vorrangiges Ziel aber ist die Sensibilisierung der Bevölkerung: "Ein harmlos erscheinendes rotes Auge kann fatale Folgen haben." Weitere Informationen finden Interessierte unter www.deutsche-uveitis-arbeitsgemeinschaft.de, E-Mail: duag-ev@web.de.

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