Hepatitis B trotz Impfung auf dem Vormarsch |
13.11.2000 00:00 Uhr |
Es ist paradox: Eine Impfung gegen Aids wird heiß ersehnt. Die gegen Hepatitis B gibt es schon lange. Aber die wenigsten nutzen sie. Dabei ist Hepatitis B 100-mal ansteckender als Aids. Auf eine der weltweit häufigsten Infektionskrankheiten aufmerksam zu machen, ist wesentliches Anliegen des 1. Deutschen Lebertages, der am 18. November 2000 bundesweit stattfindet.
Zwar steht seit rund 20 Jahren eine Schutzimpfung zur Verfügung, doch nimmt die Zahl der Neuerkrankungen an Hepatitis B bundesweit zu statt ab. Daran hat auch die Änderung der Impfstrategie vor einigen Jahren nichts geändert: Bis 1996 sollten sich nur Risikogruppen impfen, nun empfiehlt die Ständige Impfkommission die Impfung gegen das Hepatitis-B-Virus (HBV) für alle Kinder und Jugendlichen. Wesentlicher Grund für die Zunahme an Hepatitis B ist die Reisefreudigkeit der Deutschen in immer entferntere Gefilde und die steigende Zahl ausländischer Mitbürger. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich auf die Fahnen geschrieben, HBV auszurotten. Dazu müsste die Impfung genauso akzeptiert werden wie die gegen Masern oder Mumps.
Doch die Realität sieht anders aus. "Wegen der relativ hohen Ausheilungsrate werden die Folgen der Hepatitis B anscheinend nicht ernst genug genommen", mutmaßte Professor Dr. Jürgen F. Riemann, Direktor der Medizinischen Klinik, Ludwigshafen, auf der Pressekonferenz anlässlich des Lebertages. Wenn nicht rechtzeitig therapiert wird, sind die Folgen fatal: Nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung sind erheblich eingeschränkt. Nicht selten mündet eine chronische Leberentzündung in eine Leberzirrhose und in ein hepatozelluläres Karzinom. Einer WHO-Schätzung zufolge lassen sich fast 30 Prozent aller in Europa auftretenden Leberzellkarzonime auf HBV zurückführen.
Auf einem ganz anderen Blatt steht das Defizit in Sachen Diagnose. Jedes Jahr infizieren sich in Deutschland 50 000 Menschen neu, wobei 5 bis 10 Prozent dieser Fälle chronisch werden. Weltweit ist HBV die neunt häufigste Todesursache. In Deutschland sind rund 250 000 Menschen chronisch an Hepatitis B erkrankt. Bedenklich: Weniger als zehn Prozent der Infizierten wissen überhaupt von ihrer Krankheit, und nur weniger als drei Prozent der Behandlungsbedürftigen (etwa 3000 Menschen) werden mit modernen antiviralen Medikamenten behandelt. "Dabei gehört die Therapie mit Interferon oder Lamivudin zu den kosteneffektivsten Maßnahmen im Gesundheitswesen überhaupt. Mit Interferon ist eine 50-prozentige Heilungschance gegeben, und Lamivudin schlägt zu 90 Prozent erfolgreich an", sagte Professor Dr. Claus Niederau vom St. Josef-Hospital in Oberhausen und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberhilfe.
Der Deutsche Lebertag soll für die chronische Hepatitis B sensibilisieren. Die diagnostische und therapeutische Lücke müsse geschlossen werden. Bisher würden bei Vorsorge-Untersuchungen die Leberwerte nicht getestet. Erhöhte Leberwerte werden zu häufig nicht abgeklärt, sondern einfach ohne weitere Diagnostik auf Alkohol oder eine Fettsoffwechselstörung zurückgeführt. Eine Testung auf Hepatitis B und C bei allen erhöhten Leberwerten sei in Zukunft wünschenswert.
Damit sich Interessierte über Behandlungsmöglichkeiten und die aktuellen
Forschungsergebnisse zur Hepatitis informieren können, veranstaltet die Gastro-Liga in
Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
und Patientenorganisationen am 18. November den 1. Deutschen Lebertag. In mehr als 50
Städten Deutschlands werden dazu Veranstaltungen stattfinden, auf denen Magen-Darm- und
Leber-Spezialisten über Themen rund um die Leber in Vorträgen informieren und mit der
Bevölkerung diskutieren. Die Fachleute stehen auch zu bestimmten Zeiten bei mehreren
regionalen Telefon-Hotlines für Fragen zum Thema Leber zur Verfügung. Auskunft über die
Veranstaltungsorte und Telefonnummern der regionalen Hotlines erhalten Sie unter der
Faxabrufnummer 0641/9299933 oder im Internet unter www.gastro-liga.de.
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