Zwei innere Uhren ticken gegeneinander |
21.06.2004 00:00 Uhr |
Jeder kennt sie, die Symptome eines Jetlags, die nach langen Flugreisen über mehrere Zeitzonen auftreten: Schlafstörungen, Müdigkeit am Tag, Reizbarkeit, Magenbeschwerden, herabgesetzte Konzentration und Leistungsfähigkeit. Einige Beschwerden wie Kopf- und Ohrenschmerzen sowie, trockene Augen gehen auf die niedrige Luftfeuchtigkeit im Flugzeug zurück.
Für die anderen Symptome liegt die Ursache tiefer: Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist durch die Zeitverschiebung gestört, die innere Uhr ist aus dem Takt geraten. Oder vielmehr die zwei unabhängigen Uhren, die im Gehirn vorkommen, wie Forscher der University of Washington kürzlich entdeckten (Current Biology, 14, Seite 796 - 800).
Im Hypothalamus im Gehirn von Säugetieren existiert eine „Hauptuhr“, der suprachiasmatische Nucleus (SCN). Er reguliert in einem 24-Stunden-Rhythmus verschiedene Funktionen im Körper, wie die Hormonausschüttung, Körpertemperatur, Atemwegs- und Nierenfunktion. Hierfür sind die Neurone des SCN verantwortlich, deren Genaktivitätsmuster ebenfalls einen 24-Stunden-Rhythmus zeigen: Bestimmte Gene werden immer zu bestimmten Tageszeiten an- beziehungsweise abgeschaltet.
Um zu untersuchen, wie diese Zellen arbeiten, gewöhnten Wissenschaftler um Horacio de la Iglesia Ratten an einen künstlichen 22-Stunden-Licht-Dunkel-Zyklus und analysierten die Genaktivität der Neurone im SCN.
Sie entdeckten, dass einige der Zellen den neuen 22-Stunden-Rhythmus annahmen, während andere den alten circadianen Rhythmus beibehielten. Daraus folgern die Forscher, dass im Gehirn zwei unabhängige Uhren existieren: eine, die durch Licht „gestellt“ wird, und eine, die nicht lichtsensitiv ist. Normalerweise stimmen die beiden Uhren überein. Zu Schwierigkeiten kommt es nur, wenn sie durch eine Verschiebung des Licht-Dunkel-Rhythmus aus dem Gleichtakt kommen. Dann brauchen sie einige Tage, bis sie wieder übereinstimmen. Welchen Regulationsmechanismen die zweite Uhr unterworfen ist, bleibt unklar.
Um die Symptome des Jetlags abzuschwächen, kann es helfen, sich tagsüber viel im Freien aufzuhalten, da Licht die Produktion des Hormons Melatonin unterdrückt. Dieses signalisiert dem Körper Müdigkeit. Zur richtigen Zeit in Tablettenform eingenommen, kann Melatonin den Jetlag verkürzen. Entsprechende Präparate sind in den USA zugelassen, in Deutschland nicht. Schlaftabletten erleichtern die Umstellung nicht, lindern aber Einschlafbeschwerden.
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