Schilddrüsentherapie unbefriedigend |
16.05.2005 00:00 Uhr |
Mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Kropf. Längst nicht alle Bürger erreichen die von der WHO empfohlene Iodaufnahme von 180 bis 200 µg pro Tag. Auch die medikamentöse Therapie lässt zu wünschen übrig.
Jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat eine vergrößerte Schilddrüse mit oder ohne Knoten, bei älteren Menschen ist es nahezu die Hälfte, wobei Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind. Und: Entgegen der weit verbreiteten Annahme ist die Struma in Süddeutschland nicht häufiger als in nördlicheren Regionen. Zu diesen Ergebnissen kam die erste bundesweite Ultraschall-Screeningaktion 2001/2002 der Schilddrüsen-Initiative Papillon, an der neben ärztlichen Fachgesellschaften und der Sanofi-Aventis-Gruppe auch die Bundesapothekerkammer und der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker beteiligt sind. Mit fast 100.000 untersuchten Freiwilligen war dies die weltweit größte epidemiologische Erhebung zur Schilddrüsengesundheit. In der Papillon-3-Studie wurde jetzt die Qualität der Therapie bei diffusen Strumen untersucht.
Vor der Behandlung müsse man stets den Schilddrüsenstatus erheben, sagte Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Dräger, Chefärztin am Klinikum München-Bogenhausen, bei einem von Sanofi-Aventis unterstützten Pressegespräch in Grünwald bei München. Liegt das Serum-TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon; Thyreotropin) im Normbereich (Euthyreose) und zeigt die Sonographie eine rein diffus vergrößerte Schilddrüse, sei eine Medikation mit Iod und/oder Schilddrüsenhormon sinnvoll. Die Internistin empfahl die Kombination, da diese zu einer raschen Verkleinerung des Organs führe. Dabei ist die Dosis so zu wählen, dass der TSH-Wert zwischen 0,3 bis 1,2 mU/l liegt.
In der Praxis ist die Therapie jedoch nicht immer optimal, wie aktuelle Daten aus der Papillon-3-Studie zeigen. Bei 31.000 Patienten 53 Prozent mit Struma diffusa, 45 Prozent mit Struma nodosa überprüften Ärzte stichprobenartig die TSH-Einstellung ihrer Patienten. Knapp
30 Prozent von diesen bekamen zu diesem Zeitpunkt die Kombitherapie, 61 Prozent nur Levothyroxin und 8 Prozent nur Iodtabletten. Die Untersuchung ergab, dass nur vier von zehn Patienten einen TSH-Wert zwischen 0,3 bis 1,2 mU/l aufwiesen, wie ihn die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie fordert. Bei 18 Prozent lag der Wert unter 0,3 mU/l, was auf eine iatrogen bedingte Hyperthyreose hindeutet, erklärte Schumm-Dräger. Bei jedem 20. lag der Serumspiegel sogar über 4,0 mU/l Zeichen einer milden Unterfunktion.
Die Dosierung der Struma-Medikation muss sich immer am TSH-Wert orientieren, fasste die Ärztin zusammen. Noch besser wäre eine generelle Iodprophylaxe, wie sie in Österreich, der Schweiz oder Skandinavien üblich ist. Damit könne man die Strumahäufigkeit unter die Endemiegrenze senken.
Iodversorgung nicht optimal Durch Verwendung von iodiertem Speisesalz in Privathaushalten und bei der industriellen Lebensmittelherstellung, vor allem von Back- und Wurstwaren, hat sich die tägliche Zufuhr hier zu Lande seit 1975 verbessert und liegt bei etwa 120 µg täglich. Dadurch haben Kinder heute deutlich seltener Kröpfe. Dennoch gilt Deutschland nach wie vor als Iodmangelgebiet.
Besonders beachtet werden sollten Ältere, da Schilddrüsenknoten und -autonomien mit dem Alter stetig zunehmen. Eine subklinische Hyperthyreose kann bei Menschen ab 60 Jahren kardiovaskuläre Probleme verursachen. In Schwangerschaft und Stillzeit liegt der Tagesbedarf bei 230 bis 260 µg. Neben der Zufuhr mit der Nahrung sollten diese Frauen generell Iod substituieren (150 µg täglich).
© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de