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Keine Gentech-Tomaten in Deutschland

29.04.2002  00:00 Uhr

Keine Gentech-Tomaten in Deutschland

von Ulrike Wagner, Frankfurt am Main

Gentechnisch verändertes Obst und Gemüse sucht man in Deutschland vergeblich. Bei den verarbeiteten Lebensmitteln sieht dies anders aus.

"Sind da Gene drin?" fragen viele Kunden inzwischen an den Kassen der Supermärkte und deuten auf Tomaten oder Kartoffeln. Auch wenn die Frage an sich unsinnig ist, da jedes Lebensmittel Gene enthält, macht sie doch deutlich, dass die Verbraucher in Deutschland gentechnisch verändertes Obst und Gemüse in den Geschäften vermuten. Dem ist nicht so, erklärte Professor Dr. Klaus-Dieter Jany, Leiter des molekularbiologischen Zentrums der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe. "Lebende gentechnisch veränderte Organismen wie Tomaten, Kartoffeln oder Kürbisse gibt es in der ganzen EU nicht zu kaufen", so der Biologe während den von der Landesärztekammer organisierten Bad Nauheimer Gesprächen. Lebensmittel, die solche Organismen enthalten, wie Joghurt mit genetisch veränderten Milchsäurebakterien oder Käse mit genmanipuliertem Edelschimmel, sucht man sogar weltweit vergeblich.

Was allerdings im Handel ist, sind Lebensmittel, die isolierte Produkte aus gentechnisch veränderten Organismen enthalten. Dazu zählt zum Beispiel Labferment, das heute anstatt aus Kälbermägen von gentechnisch veränderten Bakterien produziert wird. Auch andere Enzyme, Aminosäuren, Vitamine, Proteinisolate und Öle sind Produkte von Organismen, deren Erbgut verändert wurde. Diese Erzeugnisse gelangen in 60 bis 70 Prozent aller verarbeiteten Lebensmittel. Diese sind dadurch jedoch nicht automatisch gentechnisch verändert, erklärte Jany. Für den Verbraucher sind sie nicht von Produkten zu unterscheiden, bei deren Produktion Gentechnik außen vor bleibt. Denn nach den zurzeit noch geltenden Bestimmungen müssen Lebensmittel nur dann gekennzeichnet werden, wenn sich analytisch mehr als 1 Prozent gentechnisch eingeführtes Material - also DNA oder Protein - nachweisen lässt. Unterhalb dieses Schwellenwertes und bei Produkten, die weder die neue DNA noch das neue Protein enthalten, ist keine Kennzeichnung vorgeschrieben.

Die bereits von der EU-Kommission gebilligte neue Novel-Food-Verordnung soll hier Abhilfe schaffen. Falls Ministerrat und Europaparlament ebenfalls zustimmen, müssen dann zum Beispiel Zucker aus transgenen Zuckerrüben oder Vitamin E aus gentechnisch veränderten Sojabohnen als Gentechnikprodukte ausgezeichnet werden, obwohl sie sich nicht von den gleichen Substanzen aus konventionellen Pflanzen unterscheiden. Die EU-Staaten hatten ein Moratorium ausgesprochen, bis die neue Verordnung rechtskräftig ist. Seit 1998 wurden in der EU keine gentechnisch veränderten Pflanzen zugelassen.

Dies käme den Verbrauchern zugute, die zu 70 Prozent gentechnisch veränderte Nahrungsmittel ablehnen. Allerdings würde sich bei den beschriebenen Produkten die Kontrolle der Richtlinien als ausgesprochen schwierig gestalten, so Jany.

Hauptgrund für die ablehnende Haltung der Verbraucher: Sie befürchten Risiken für die eigene Gesundheit oder für die Umwelt. Einen echten Vorteil von den neuen Produkten haben lediglich die Landwirte und die Herstellerfirmen, das wurde während der Veranstaltung deutlich. Top

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