Akupunktur bald Kassenleistung |
25.04.2005 00:00 Uhr |
Akupunktur erfreut sich auch bei Krankenkassen zunehmender Beliebtheit. So plädiert die Techniker Krankenkasse (TK) für eine Kostenerstattung, obwohl die Anwendungen teuer sind. Überzeugt haben sie die Ergebnisse der weltweit größten randomisierten Studie.
Das so genannte »Modellvorhaben Akupunktur« der TK und der Berliner Charité hat nach viereinhalb Jahren Laufzeit ergeben, dass Akupunktur wirkt, sicher ist und die Lebensqualität nachhaltig erhöht. In drei Studienteilen behandelten Mediziner bundesweit mehr als 310.000 Patienten mit den heilenden Nadeln und verglichen diese Therapie jeweils mit einer Kontrollgruppe. Alle Patienten erhielten in der Regel eine schulmedizinische Routineversorgung, so dass in erster Linie der Zusatznutzen der Akupunktur ermittelt wurde. Die behandelten Patienten litten unter Kopf-, Hals- oder Lendenwirbelsäulenschmerzen, Menstruationsbeschwerden, Knie- oder Hüftarthrose oder hatten Asthma beziehungsweise allergische Rhinitis.
Der erste, ARC genannte Studienteil, verglich die Routineversorgung plus Akupunktur mit der alleinigen Routineversorgung. Die Patienten, die im Mittel zehn Akupunkturbehandlungen innerhalb von drei Monaten erhielten, wiesen dabei im Vergleich zur Kontrollgruppe eine hoch signifikante Verbesserung ihrer Beschwerden und damit der Lebensqualität auf. Diese Wirkung war nachhaltig, das heißt über sechs Monate zu beobachten. Besonders gut half die Zusatzbehandlung bei allergischer Rhinitis, HWS-, Arthrose- und Menstruationsschmerzen: Hier besserten sich die Beschwerden bei mehr als 85 Prozent.
Mehrkosten lohnen sich
Der ART-Studienteil ging der Frage nach, inwieweit das korrekte Setzen der Nadeln eine Rolle für ihre Wirksamkeit spielt. So erhielten die Patienten entweder nur die Routinebehandlung, zusätzlich die optimale Akupunkturbehandlung oder eine Minimalakupunktur, bei der die Mediziner die Nadeln an Nicht-Meridian-Punkten setzten und weniger tief einstachen. Hier zeigte sich wie bereits in den gerac-Studien (siehe PZ 45/04), dass auch die unsachgemäße Nadelung den Patienten deutlich half. Ihr Effekt war nur bei Gonarthroseschmerzen signifikant schwächer als bei der optimal angewandten Akupunktur. Bei Lendenwirbelsäulenschmerzen, Migräne oder Spannungskopfschmerzen zeigten sich beide Behandlungen gleich effektiv und der alleinigen Routinetherapie signifikant überlegen.
Trotz dieses Ergebnisses sei der positive Effekt der Akupunktur keine reine Placebo-Wirkung, betonte Professor Dr. Stefan N. Willich, Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité auf einer Pressekonferenz in Berlin. Denn auch bei der Minimalakupunktur hätten die Nadeln Empfindungen sowie eine Ausschüttung von Botenstoffen ausgelöst. Überzeugend sei, dass die Nadelbehandlung die Beschwerden bei jedem zweiten Patienten halbieren konnte und dabei, wie die prospektiven Beobachtungsstudien des ASH-Studienteils zeigten, sehr sicher war. So berichteten lediglich 8,6 Prozent der Patienten von Nebenwirkungen, meist Blutungen oder Blutergüssen an der Einstichstelle. Bei drei der Behandlungen kam es durch zu tiefes Stechen zu einem Pneumothorax, lebensbedrohliche Nebenwirkungen gab es nicht.
Allerdings steigerte die zusätzliche Akupunkturbehandlung mit rund 320 Euro pro Patient deutlich die Kosten. Nach einer Analyse des Kosten-Nutzen-Verhältnisses sei sie aber kosteneffektiv, selbst wenn die Routinemedikation nicht gesenkt werde. Dies scheint auch Dr. Christoph Straub überzeugt zu haben. »Jetzt muss die Akupunktur Kassenleistung werden«, forderte der stellvertretende Vorsitzende des TK-Vorstands. Der Abschlussbericht werde nun an den Gemeinsamen Bundesausschuss gehen, der in den nächsten Wochen seine Beratungen auch zur Erstattungsfähigkeit der Akupunktur aufnehmen wird. Mit dem Ergebnis rechnet Straub Ende des Jahres und gibt sich optimistisch, zumal auch die Handelskrankenkassen, die Innungskrankenkasse Hamburg sowie elf Betriebskrankenkassen das Modellvorhaben unterstützen.
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