Risikogeburten besser betreuen |
11.04.2005 00:00 Uhr |
Risikoschwangere nutzen Spezialkliniken für ihre Entbindung zu wenig, so das Resümee einer kürzlich veröffentlichten DAK-Studie. Grund ist auch, dass Ärzte zu selten informieren.
Frühgeborene und kranke Neugeborene, die in einem Perinatalzentrum zur Welt kommen, haben nachweislich bessere Überlebenschancen. Diese spezialisierten Einrichtungen, die mehr als 10.000 Geburten pro Jahr betreuen, verfügen über die notwendige medizinische Ausstattung, um Risikogeburten gegebenenfalls auch intensivmedizinisch zu versorgen.
Seit den 70er-Jahren wird in Deutschland diesbezüglich das Regionalisierungsprinzip verfolgt, das heißt, mittels Information und Aufklärung sollen Ärzte Risikoschwangere gezielt an ein Perinatalzentrum verweisen.
Eine kürzlich vorgestellte DAK-Studie analysierte anhand von Mutterpass- und Befragungsdaten 1593 Geburten im Jahr 2002. Sie untersuchte die Qualität der Schwangerenberatung und inwiefern die behandelnden Gynäkologen eine adäquat ausgestattete Geburtsklinik empfahlen. Nach bestimmten Kriterien, wie vorzeitige Wehentätigkeit, Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck, wurden unter den Befragten 559 Risikoschwangerschaften identifiziert. Von diesen brachten 83 Frauen (14,8 Prozent) ihre Kinder in einem Perinatalzentrum zur Welt. In einer Einzelfallbegutachtung betrachtete Professor Dr. Joachim W. Dudenhausen, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin, Charité Berlin, die übrigen 476 Fälle. 19 Schwangere (4,0 Prozent) dieser Gruppe wurden nicht oder wahrscheinlich nicht in einer dem Risiko entsprechend ausgestatteten Klinik entbunden. Von den 31 Hochrisikofällen, zu denen Zwillingsgeburten, Entbindungen vor der 32. Schwangerschaftswoche oder Geburten mit einem Gewicht von weniger als 1500 g zählten, war es sogar jede fünfte. »50 Prozent aller Frühgeburten geschehen aus heiterem Himmel. Die anderen 50 Prozent sollten dort zur Welt kommen, wo Expertise und Equipment vorhanden sind«, sagte Dudenhausen auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Ein Drittel der befragten Frauen, unter ihnen 44 Prozent der Risikoschwangeren, gaben an, mit ihrem Frauenarzt über die Wahl der Entbindungsklinik gesprochen zu haben. Dabei erhielten aber nur 14,2 Prozent der Schwangeren, denen ein Risiko mitgeteilt wurde, eine Klinikempfehlung. Als bedenklich sahen es die Experten an, dass 113 der 559 Risikoschwangeren durch ihren Gynäkologen nicht über ein bestehendes Risiko informiert wurden, obwohl es in ihren Mutterpässen Vermerke zu Gestationsdiabetes, vorzeitiger Wehentätigkeit oder Hypertonie gab. DAK-Vorstand Herbert Rebscher sieht hier ein Informations- und Aufklärungsdefizit seitens der Ärzte.
Schwangerenbetreuung geschieht jedoch nicht nur in Arztpraxen. Auch die Apotheke kann einen Teil zur guten Begleitung von Schwangeren beitragen. So können werdende Mütter, die Insulin erhalten, mit unter 18 oder über 35 Jahren ihr erstes Kind erwarten oder ein Blutdruckmedikament einnehmen müssen, auf eine Spezialberatung durch den Arzt und das Vorhandensein von umfassend ausgestatteten Perinatalzentren aufmerksam gemacht werden.
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