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Syndrom und Symptomatik voneinander abgrenzen

18.12.2000  00:00 Uhr

REIZDARM

Syndrom und Symptomatik voneinander abgrenzen

von Gertrude Mevissen, Eschborn

Über das Reizdarmsyndrom (RDS), das mit einer Inzidenz von 15 bis 20 Prozent eine der häufigsten Erkrankungen der westlichen Hemisphäre ist, wurde in den letzten Jahren viel berichtet. Hinter dem Begriff verbergen sich sechs verschiedene Syndrome, mit zum Teil überlappenden Beschwerdebildern. Für mehr Übersicht sorgt der Konsensus der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.

Die Abgrenzung zwischen Reizdarmsyndrom und Reizdarmsymptomatik fällt in der Praxis oft schwer. Eine Befindlichkeitsstörung im Sinne einer Reizdarmsymptomatik liegt dann vor, wenn die Magen-Darm-Beschwerden leicht und kurzfristig sind und nur gelegentlich nach Stress oder Ernährungsfehlern auftreten. Im Unterschied zum Reizdarmsyndrom beeinflussen sie die Lebensqualität nur wenig und sind symptomatisch gut zu behandeln.

Sechs verschiedene Syndrome

Der Übergang zum Reizsyndrom ist fließend. Typisch für das RDS sind mittelschwere bis schwere Beschwerden, die langfristig immer häufiger und intensiver auftreten, meist unabhängig von äußeren Faktoren. Die unterschiedlichen Symptome, wie abdominale Schmerzen, Blähungen und wechselnde Stuklkonsistenz (Diarrhöe, Obstipation) treten häufig kombiniert auf. Dabei unterscheidet man je nach Symptomherd zwischen Ösophagus- und gastroduodenalen Störungen, funktionell-abdominalen sowie Darm-, Gallenwegs- und anorektalen Störungen. Liegen die typischen Leitsymptome vor und gibt es keine Anzeichen für organische Ursachen, wie Fieber, sichtbares Blut im Stuhl oder Gewichtsverlust, so liegt vermutlich ein Reizdarmsyndrom vor.

Das Syndrom hat offenbar mehrere pathophysiologische Ursachen, die bei unterschiedlichen Patienten Art und Schwere der Symptome unterschiedlich beeinflussen. Die derzeitige Datenlage macht eine Beschränkung auf das Kolon unwahrscheinlich. Insofern sollten Begriffe wie „irritables Kolon„ oder „spastisches Kolon„ nicht mehr verwendet werden. Eine viszerale Überempfindlichkeit ist zurzeit als einziger Pathomechanismus durch Studien belegt. Alle anderen Kausalzusammenhänge sind durch kontroverse oder zumindest nicht bestätigende Ergebnisse umstritten.

Bakterien als Auslöser

Bei einigen Betroffenen scheint eine zurückliegende bakterielle Darminfektion Auslöser zu sein. Bei anderen können Essverhalten und Ernährungsweise die Symptome des RDS beeinflussen. Ob es sich dabei um Nahrungsmittelallergien, Unverträglichkeiten oder unspezifische Effekte handelt, ist derzeit noch unklar. Diskutiert werden auch Motilitätsstörungen und Laktasemangel, sowie stressbedingte psychosomatische Einflüsse, die RDS-triggernd und symptomverstärkend wirken können. Eine psychische Prädisposition wird bei vielen RDS-Patienten nicht ausgeschlossen.

Da die Ätiologie des Reizdarmsyndroms unklar ist, und der Nachweis auf biochemische oder strukturelle Abnormalitäten bislang noch fehlt, gibt es in der Behandlung keine kausalen oder spezifischen Therapieansätze. Begründete Therapieempfehlungen werden nicht ausgesprochen, die Behandlung richtet sich nach den Symptomen. Im Mittelpunkt stehen Schmerzreduktion und Stuhlnormalisierung.

Bestimmen Schmerzen das Krankheitsbild, werden Muskelrelaxantien (Mebeverin) oder als schwächere Alternative Pfefferminzöl empfohlen. Das Prokinetikum Cisaprid ist für den Obstipationstyp mit und ohne zusätzlichen Blähungen konsensusgemäß die beste Option. Weder Metoclopramid, noch Domperidon und Motilide wird dagegen ein gesicherter Einfluss auf RDS-Beschwerden zugesprochen. Eine Stuhlregulierung kann bei starken Durchfällen mit üblichen Antidiarrhoika (Loperamid, Diphenoxylat, Atropin, Opiumtropfen), als Basistherapie auch mit einer Kombination von Spasmolytika (Butylscopolamin) und/oder Ballaststoff-Quellmitteln erreicht werden.

Zum Nutzen oberflächenaktiver Substanzen (Dimethylpolisiloxan) stehen gesicherte Studiendaten bislang noch aus. Dennoch kann die zeitlich begrenzte Anwendung beim Gas-Bläh-Typ empfohlen werden. Umstritten ist auch die Wirksamkeit von Bakterienpräparaten und Phytotherapeutika. Phytotherapeutika mit der zugelassenen Indikation RDS bestehen aus Extrakten von Iberis amara, Kamille, Kümmel, Fenchel, Anis, und Asa foetida und werden nur mit Zurückhaltung bei RDS-Patienten mit Blähungen und Schmerzen empfohlen.

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