Wie Stress das Abwehrsystem beeinflusst |
11.11.2002 00:00 Uhr |
von Eva Melzer, München
Seelisches Wohlbefinden und körperliche Fitness sind die Ausgangsbasis für ein optimal funktionierendes Immunsystem. Dann können auch kurzzeitige Belastungen gut verkraftet werden. Wenn Patienten die Schuld für ihre Erkältung auf Stress schieben, liegen sie mit dieser Einschätzung nicht weit von der Wahrheit entfernt.
Das Forschungsgebiet der Psychoneuroimmunologie (PNI) beschäftigt sich mit den Wechselbeziehungen zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem. So weiß man heute, dass die körpereigene Abwehr in der Lage ist, auf neurochemische Signale des Nerven- und Hormonsystems zu reagieren. Eine maßgebliche Rolle spielen in diesem Zusammenhang psychische Stresssituationen sowie körperliche Belastungen.
Während akuter Stress immunologische Prozesse eher stimuliert, führen langfristige Belastungen zu einer Suppression sowohl der humoralen als auch der zellulären Abwehrfunktionen. Dies veranschaulichte Professor Dr. Joachim Kugler, TU Dresden, bei einem Pressegespräch des Förderkreises Immunschutz in München eindrucksvoll anhand von Beobachtungen an dauerhaft belasteten, pflegenden Angehörigen von Alzheimer-Patienten. Diese Personen weisen einen verminderten Antikörperschutz gegen das Eppstein-Barr-Virus auf, haben eine verzögerte Wundheilung und zeigten in Quarantänetests eine erhöhte Schnupfenanfälligkeit.
Fußballtrainer als Probanden
Als Indikator für die Abwehrsituation der oberen Luftwege gilt die Sekretion von Immunglobulin A (IgA). Messungen dieses Immunglobulins im Speichel von Bundesliga-Trainern in akuten Stresssituationen während eines Fußballspiels zeigten eine Korrelation zwischen Stressintensität und IgA-Konzentration. Untersuchungen an Studenten der Yale-Universität, die unter ständigem Prüfungsstress stehen, zeigten hingegen, dass Dauerbelastungen zu geringeren IgA-Werten und damit zu einer schlechteren Abwehrsituation führen.
Neben psychischen Belastungen bewirken auch übermäßige körperliche
Anspannungen Funktionseinbußen des Immunsystems, die unter der Bezeichnung "Open-Window-Phänomen"
bekannt sind. Die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie haben gezeigt,
dass Bewegungsübungen, eine optimale Mikronährstoffversorgung und die
Modulation des Immunsystems hilft, diese Phase der Infektanfälligkeit zu
minimieren.
© 2002 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de