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Dem Marburg-Virus auf der Spur

02.10.2000  00:00 Uhr

Dem Marburg-Virus auf der Spur

dpa-Artikel

In einem der sichersten biologischen Labors Deutschlands im Marburger Institut für Virologie lagert einer der gefährlichsten Krankheitserreger der Menschheit: das Marburg-Virus. Dicke Türen mit mehreren Schlössern und Zahlencodes sowie Sicherheitsschleusen halten ungebetene Gäste fern. Nur mit sperrigen Schutzanzügen ist das Labor begehbar. Über 30 Jahre, nachdem in der Lahn-Stadt die Infektionskrankheit auftrat, forschen Virologen an dem Erreger, um seinen Vermehrungsmechanismus zu verstehen. Vom letzten Sonntag bis Mittwoch trafen sich in Marburg Wissenschaftler zu einer internationalen Tagung über das Marburg- und das Ebola-Virus.

Im August 1967 standen Ärzte der Marburger Universitätsklinik und Virologen des Hygiene-Instituts vor einem Rätsel. Mehr als 20 Menschen wurden mit grippeähnlichen Beschwerden in das Krankenhaus eingeliefert. "Extreme Blutungsneigung, starker Flüssigkeitsverlust und ein Hautausschlag waren die Symptome", erzählt der damalige Leiter der Klinik, Gustav Martini. Fünf Patienten starben innerhalb weniger Tage.

Jeder vierte starb

"In der Stadt machte sich eine starke Unruhe breit", erinnert sich Martini. Alle Erkrankten kamen auf eine abgeschirmte Isolierstation. Nur freiwillige Ärzte und Krankenschwestern versorgten die Patienten. Die Sterberate der unbekannten Krankheit lag bei 25 Prozent. "Da bekommt man Angst", beschreibt der Virologe Werner Slenczka.

Die einzige Spur, die sich auf einen Erreger ergab, waren die damaligen Behring-Werke. Alle Erkrankten arbeiteten bei dem Impfstoffhersteller in Marburg. Einen bekannten Erreger wie Typhus, Scharlach, Gelbfieber oder Pocken fanden die Virologen jedoch nicht. "In Europa hatten wir keine Erfahrung mit epidemischen Ausprägungen dieser Art", sagt Slenczka.

Institut geschlossen

Als die Marburger wenige Tage nach den ersten Todesfällen das Virus nicht finden konnten, wurde das Institut geschlossen. "Die Gefahr, dass sich vom Institut aus der Erreger verbreitet, war zu groß." Speziallabors in den USA, Frankreich und Großbritannien erhielten Blutproben der Patienten. Selbst die Moskauer Akademie der Wissenschaften in der damaligen Sowjetunion wurde in die Virussuche mit einbezogen. "Die Russen warfen uns vor, dass wir an biologischen Kampfstoffen arbeiten", erzählt Slenczka. Das sollte entkräftet werden.

Niemand fand zunächst den Erreger, und in Marburg normalisierte sich die Lage. "Uns wurde klar, dass die Ausbreitungsgefahr nicht so groß war, da es keine Infektionen bei Familienmitgliedern der Kranken gab", erzählt Slenczka. Das Marburger Hygiene-Institut begann wieder, selbst zu forschen. Am 19. Oktober 1967 gelang es dem Virologen, den Erreger zu isolieren. "Eine beachtliche Leistung angesichts der seinerzeit noch sehr einfachen Methoden der Virusdiagnostik", betont der Direktor des Marburger Instituts für Virologie, Hans-Dieter Klenk.

Affen aus Uganda

Die Forscher stellten fest, dass das Virus von Grünen Meerkatzen aus Uganda stammte. Die Behring-Werke benutzten die Affenart, um Impfstoffe gegen Kinderlähmung herzustellen. Den Tieren wurden bei dem Pharmahersteller Organe entnommen. "Dabei kamen die Angestellten mit dem Blut in Berührung und infizierten sich", so Slenczka.

Nachdem die Überlebenden der Epidemie in Genesungsheime gekommen waren, schien die Seuche überstanden. Doch nach Wochen erkrankte nochmals eine Marburgerin. "Die Frau rief mich an und erklärte, dass sie dieselben Symptome wie ihr zwischenzeitlich genesener Mann habe", erzählt Martini. Nach damaligem Wissen wäre dies jedoch nicht möglich gewesen. "Niemand konnte eigentlich mehr den Virus übertragen." Die Frau erkrankte am Virus, überlebte jedoch. Die Forscher fanden für das medizinische Novum eine Erklärung: "Es gibt eine spermatogene Übertragung von Viren." Die Übertragung von Viren beim Geschlechtsverkehr - wie bei Aids - sei damals erstmals festgestellt worden, sagt Martini.

Zwar sind damit viele Geheimnisse um das Marburg-Virus gelüftet, aber restlos erforscht ist der tückische Erreger noch nicht. Noch ist auch die Gefahr nicht gebannt: Im Kongo beispielsweise kommt das Virus immer noch vor. Weltweit gibt es seit 1967 nach Angaben von Klenk knapp 100 nachgewiesene Todesfälle, "aber die Dunkelziffer ist sehr hoch." l

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